Erste (Re)Creation Residentin

In diesem Gespräch treffen wir Oksana Pohrebennyk, eine ukrainische bildende Künstlerin, deren Arbeit zwischen Beobachtung, Materialforschung und poetischer Reflexion oszilliert.
Wer bist du? Wie sah deine künstlerische Praxis vor dem FOCUS INTERNATIONAL Ukraine-Programm aus?
Mein Name ist Oksana Pohrebennyk, und ich bin eine bildende Künstlerin aus der Ukraine.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich meine Teilnahme an der Residency als ein „Vorher und Nachher“ beschreiben würde. Für mich fühlt es sich eher an wie ein Flusslauf. Etwas begann schon vor der Reise an die Oberfläche zu treten – ein Bedürfnis, etwas, das mich drängte, wie eine verborgene Sprache, die ich verstehen wollte. Während der Residency konnte ich in diesen Strom hineinspringen und mit ihm in Kontakt kommen. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich immer noch dort bin; in seinen Resten weiterbewegend.
Was hast du während der Residency gemacht?
Ich habe viel beobachtet. Ich habe mir Zeit genommen, um zu verstehen, wo ich überhaupt bin – besonders, weil ich aus der Ukraine kam. Ich brauchte etwas Zeit, um mich einzugewöhnen.
Zu Beginn habe ich begonnen, meine Spaziergänge im Wald zu filmen. Ganz spontan. Ich wollte eine Art Erinnerung an meine Alltagsroutine festhalten, um sie mit Freund:innen zu teilen – oder vielleicht in ein paar Jahren als eine Art Zeitkapsel-Video selbst wieder anzusehen.
Ich bin mit einem Koffer voller Latex angereist. Ich schreibe zwar auch hin und wieder, aber ich bin es nicht gewohnt, mit Materialien zu arbeiten – also mit Skulptur oder Installationen. Das war einer meiner Hauptbeweggründe für die Residency: in Kontakt mit Materialien zu kommen und ein Atelier zu haben, in dem ich all die Experimente machen konnte, die ich wollte. Zu Hause fehlt mir der Platz, und in der Ukraine habe ich kein eigenes Atelier. Daher war diese Möglichkeit für mich sehr wertvoll. Ich fühlte mich wie ein Kind auf einem Spielplatz.
Ich konnte mit Latex und Ton arbeiten. Außerdem verwendete ich Materialien, die ich im Wald fand – Holz, Knochen und auch Plastiktierspielfiguren vom Bogenschützenverein.
Ich bin so tief in diesen „Flussstrom“ eingetaucht, wie ich wollte, bis ich begann, die darin verborgene Sprache zu erahnen. Ich trat in einen Dialog mit den Materialien, mit Dingen, die bereits da waren. Es war, als würde man einem Bach folgen, der einen zu einem Wasserfall führt – und man springt einfach hinein.

Wie glaubst du, hat deine Umgebung dich beeinflusst?
Sehr stark. Ich bin es gewohnt, mit dem zu arbeiten, was an einem Ort vorhanden ist – und mit dem, was für einen Dialog sich aus diesem konkreten Ort heraus ergibt. Ich weiß nicht, ob ich es als „situierte Kunst“ bezeichnen würde, aber es ist von diesem Ansatz sicher beeinflusst.
Von Bergen umgeben zu sein, fühlte sich fast wie ein Spiel an. Ich hatte den Eindruck, dass die Berge mit mir Verstecken spielten. Sie zeigten mir, dass es hinter ihnen noch etwas gibt – und dass sie sich auch bewegen; im Nebel und in den Wolken verschwinden und wieder auftauchen. Der Wald kann ein sicherer Ort bei schönem Wetter sein – oder der schlimmste Ort bei einem Sturm.
Da war auch noch die Stadt. Innsbruck war wieder etwas ganz anderes. Meine Lieblingsbeschäftigung war es, die Schachspieler im Park zu besuchen. Ich habe keine Ahnung, wie man Schach spielt, aber ich konnte ein bis zwei Stunden einfach nur zusehen, wie (meist) Männer gegeneinander spielten. Es fühlte sich wie eine Live-Performance an. Wieder ein „sprachliches“ System, das ich nicht spreche, aber durch Beobachtung konnte ich vieles spüren.
Ein weiteres Ritual von mir war der Besuch der Buchhandlung Wagner’sche. Dort gibt es eine kleine Auswahl an Büchern auf Englisch. Ich fand eines meiner liebsten Bücher dort: A Village Life von Louise Glück. Fast jedes Mal, wenn ich an der Buchhandlung vorbeiging, ging ich hinein und las ein oder zwei Gedichte. Am letzten Tag habe ich es dann gekauft. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich über ihre Worte jederzeit zu den Alpen zurückkehren kann.
Was nimmst du aus der Residency mit?
Wahrscheinlich das Verständnis dafür, dass manche Prozesse ihre eigene Zeit brauchen. Ich bin es gewohnt, viel zu beobachten – und dann die Dinge sehr schnell umzusetzen. Wenn das nicht funktioniert, frustriert mich das oft. In der Residency musste ich lernen, auf eine andere Weise zu beobachten, mir selbst anders Zeit zu geben – um mit dieser Sprache in Kontakt zu kommen.
Was fühlst du, ist das künstlerische Ergebnis deiner Residency – wie sieht sie aus?
Es wird eine Ausstellung geben, an der ich während der zwei Monate gearbeitet habe – sie wird am 3. Oktober im Grund 1535 stattfinden und von Brigitte Eggers und Anastasiia Daichenko kuratiert. Gezeigt werden einige der Objekte, die ich während der Residency geschaffen habe, sowie eine Videoarbeit, an der ich derzeit noch arbeite.
Bleiben Sie dran für weitere Interviews mit Teilnehmern des FOCUS INTERNATIONAL Ukraine Programms!
