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Office Ukraine Wien
Aus den Augen, aus dem Sinn: Gegen eine Politik des Sterbenlassens. Zu aktuellen Entwicklungen internationaler Migrationspolitiken

12. Dezember 2024 Community

Judith Kohlenberger über die Erosion der Menschenrechte, ökonomische Widersprüche und die Integration von Geflüchteten in Europa.

© markuszahradnik.com

Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin an der Wirtschaftsuniversität Wien, gehört zu den einflussreichsten Stimmen in der Debatte über Migration und Flucht. Mit ihrer jüngsten Publikation “Grenzen der Gewalt” (Leykam) lenkt sie den Blick auf die politischen und gesellschaftlichen Mechanismen, die hinter der europäischen Migrationspolitik stehen – und auf deren humanitäre und ökonomische Folgen. Im Interview spricht sie über die gesellschaftliche Erosion der Solidarität, die moralischen Abgründe einer Politik des Sterbenlassens und die Chancen, die Migration und Integration bieten könnten.  

Office Ukraine: Die europäische und globale Migrationspolitik wird zunehmend restriktiver – oft auf Kosten der Menschenrechte. Gleichzeitig stoßen diese Positionen auf breite Zustimmung, auch in der gesellschaftlichen Mitte. Warum hat die Solidarität mit Geflüchteten so stark abgenommen?  

Judith Kohlenberger: Das ist tatsächlich eine besorgniserregende Entwicklung. Die Migrationspolitik vieler europäischer Länder nähert sich immer weiter rechten und rechtsextremen Positionen an, was sich in einem Kreislauf aus politischen Entscheidungen und öffentlicher Meinung verstärkt. Politische Akteur:innen berufen sich auf migrationsskeptische Einstellungen in der Bevölkerung, die wiederum von diesen Akteur:innen und ihrer Rhetorik geprägt werden. Es ist ein Henne-Ei-Problem.  

 Ein zentrales Problem sehe ich in der Übernahme von Begrifflichkeiten und Narrativen aus dem extrem rechten Spektrum in den politischen Mainstream. Wenn wir uns Österreich in den 1990er Jahren ansehen, wird das sehr deutlich: Die FPÖ unter Jörg Haider verstand es, xenophobe und migrationsskeptische Stimmungen in der Bevölkerung nicht nur zu nutzen, sondern gezielt zu verstärken. Diese Diskurse und ihre Terminologie haben inzwischen auch in Parteien der Mitte und sogar der Linken Eingang gefunden. Die Identitäre Bewegung gibt hier teils die Stichwörter vor, die dann von Parteien wie der AfD aufgegriffen werden und sich schließlich im gesamten politischen Spektrum etablieren.  

 Das hat gravierende Folgen: Solche Narrative stärken die gesellschaftliche Akzeptanz restriktiver Maßnahmen und tragen dazu bei, dass menschenrechtliche Standards zunehmend ausgehöhlt werden. Wir beobachten, wie diese Entwicklung schleichend, aber kontinuierlich voranschreitet – und das nicht nur in einzelnen Ländern, sondern europaweit.  

Außengrenzschutz statt Bekämpfung der Fluchtursachen

OU: Inwiefern hat sich die europäische Politik in den letzten Jahren von ihren ursprünglichen humanitären Grundsätzen entfernt?  

Judith Kohlenberger: Die europäische Migrationspolitik ist in den letzten Jahren restriktiver geworden. Besonders sichtbar wird das an der zunehmenden Praxis, Asylverantwortlichkeiten auszulagern – sei es durch sogenannte Migrationsabkommen oder die Einrichtung von „Return Hubs“ in Drittstaaten. Oft ist in der politischen und medialen Debatte aber gar nicht klar, welche Maßnahmen genau gemeint sind.  

Diese Abkommen zielen darauf ab, Migration bereits an den Außengrenzen Europas zu stoppen – häufig unter Bedingungen, die in keiner Weise mit den europäischen Grundwerten vereinbar sind. Ein Beispiel ist Tunesien, wo Geflüchtete ohne Wasser in der Wüste ausgesetzt wurden. Diese Praxis kann man nicht anders als eine Politik des Sterbenlassens bezeichnen.  

Hinter dieser Politik steht ein einfaches Prinzip: aus den Augen, aus dem Sinn. Doch der Preis ist hoch. Solche Maßnahmen verschärfen nicht nur die Situation in den betroffenen Regionen, sondern unterminieren auch die Menschenrechte, auf die sich die EU eigentlich verpflichtet hat. Gleichzeitig zeigen sie, wo die Prioritäten der EU liegen: Während Milliarden in den Außengrenzschutz fließen, harren Maßnahmen zur Fluchtursachenbekämpfung und zur Schaffung sicherer und legaler Einreisemöglichkeiten der Umsetzung.  

OU: Ist die Annahme korrekt, dass weniger Geflüchtete auch weniger migrationsskeptische Stimmungen bedeuten?  

JK: Diese Annahme ist ein Irrtum. Tatsächlich verschärfen Maßnahmen wie Migrationsabkommen oder der Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex die Situation oft zusätzlich. Sie lösen keine Probleme, sondern schaffen neue. Frontex ist heute die teuerste Agentur der EU mit einem Budget von 900 Millionen EUR – die Europäische Grundrechteagentur bekommt einen Bruchteil davon. Die Mittel fließen teilweise an autoritäre Systeme, die Menschenrechte mit genau diesen Geldern verletzen. Das steht im klaren Widerspruch zu den Werten, die die EU vorgibt zu vertreten und erzeugt weitere Fluchtursachen. 

Wirtschaftliche Schäden durch verfehlte Migrationspolitik

OU: Wie könnten ökonomische Argumente für eine humane Migrationspolitik genutzt werden?  

JK: Europa steht vor einer demografischen Krise. Unsere Bevölkerung altert rapide, und es gibt einen wachsenden Bedarf an Arbeitskräften, insbesondere im Pflege- und Gesundheitssektor. Gleichzeitig verhindert die restriktive Migrationspolitik nicht nur geflüchteten Personen, sondern auch potenziellen qualifizierten Arbeitskräften den Zugang nach Europa.  

Es wird immer wieder argumentiert, dass Geflüchtete eine Belastung für die Steuerzahler:innen seien. Dabei wird übersehen, dass eine verfehlte Migrationspolitik enorme wirtschaftliche Schäden verursachen kann. Diskriminierende Bildungspolitik, Arbeitsverbote für Asylsuchende oder hohe Hürden bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen verhindern, dass Menschen ihr Potenzial entfalten können.  

Ein besonders augenfälliger Widerspruch zeigt sich bei Menschen ohne Asylanspruch, etwa aus Pakistan und Bangladesch oder aus Ländern südlich der Sahara.  Diese Personen arbeiten oft illegal im Niedriglohnsektor, weil ihre Arbeitskraft gebraucht wird. Solche prekären Verhältnisse sind weder für die Betroffenen noch für die Wirtschaft langfristig tragbar. Eine kluge Migrationspolitik würde diese Widersprüche auflösen, indem sie legale Zugänge schafft und Integrationsmaßnahmen frühzeitig fördert.  

OU: Könnten Investitionen in Integrationsmaßnahmen ökonomisch sinnvoller sein als restriktive Grenzschutzmaßnahmen?  

JK: Absolut. Investitionen in Integration amortisieren sich langfristig. Das zeigt die Kohorte von 2015: Viele der damals Geflüchteten arbeiten heute in systemrelevanten Berufen, insbesondere in Bereichen, die während der Pandemie als unverzichtbar galten.  

Gleichzeitig werden enorme Summen in ineffektive Grenzschutzmaßnahmen investiert. Diese Gelder schützen weder Menschenleben noch schaffen sie Perspektiven. Im Gegenteil: Sie tragen dazu bei, dass Gewalt und Unsicherheit an den Außengrenzen weiter zunehmen.  

Fehlende Planungssicherheit für Ukrainer:innen

OU: Wie unterscheidet sich die Integration ukrainischer Geflüchteter von der anderer Gruppen?  

JK: Ukrainische Geflüchtete profitieren von einem privilegierten Zugang zum Arbeitsmarkt, was ihre Integration erleichtert.  Allerdings ist die Verlängerung der Blue Card um jeweils nur ein Jahr (derzeit März 2026) sowohl für die Integration als auch die wirtschaftliche Planungssicherheit nicht ideal.  

Zudem gibt es Hürden, etwa hohe bürokratische Anforderungen und die Erwartung, ein hohes Deutschniveau vorzuweisen. Skandinavische Länder, die Englisch als Arbeitssprache akzeptieren, zeigen hier mehr Flexibilität.Es ist wichtig, auch die gesellschaftliche Wahrnehmung zu berücksichtigen. Ukrainische Geflüchtete werden oft als „uns näher stehend“ wahrgenommen als andere Gruppen, etwa aus Syrien oder Afghanistan. Historische und kulturelle Narrative spielen hier eine Rolle. Diese Wahrnehmung war jedoch nicht immer selbstverständlich: Antislawische Ressentiments sind in deutschsprachigen Ländern tief verwurzelt. 

 OU: Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung von Ukrainer:innen, in Europa zu bleiben oder in die Heimat zurückzukehren?  

JK: Je länger Geflüchtete in Europa bleiben, desto geringer wird die Rückkehrbereitschaft. Besonders Kinder, die hier zur Schule gehen und Freundschaften schließen, empfinden die Ukraine oft nicht mehr als Heimat; zudem zerbrechen immer mehr Beziehungen aufgrund unterschiedlicher Lebensrealitäten. Zerstörte Häuser und unsichere Lebensbedingungen tragen ebenfalls dazu bei, dass der Wunsch nach Rückkehr abnimmt. Gleichzeitig versucht die Ukraine, ihre Bürger:innen zurückzugewinnen, was zu einem Spannungsfeld führt.  

OU: Was müsste die EU tun, um eine humane und nachhaltige Migrationspolitik zu fördern? 

JK: Notwendig sind legale Einreisemöglichkeiten, beschleunigte Asylverfahren und eine faire Verteilung der Verantwortung innerhalb der EU. Auch die Integration sollte stärker gefördert werden, etwa durch Sprachkurse und erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft. Nur so können wir langfristige Lösungen schaffen. 

https://judithkohlenberger.com/