Dieser Garten heilt mich und meinen Geist

Kateryna Lysovenko ist eine junge Künstlerin aus Kiew (Ukraine), die vor wenigen Monaten aufgrund des Krieges nach Graz kam. Über das Office Ukraine Graz wurde der Kontakt zum Universalmuseum Joanneum (UMJ) hergestellt und in weiterer Folge geeigneter Wohnraum gefunden. Mit ihren beiden Kindern und einer Katze lebt sie nun im Portierhaus des Schloss Eggenberg. In einem Gebäude im Schlosspark konnte sie sich ein Atelier einrichten, um ihrer künstlerischen Tätigkeit weiterhin nachgehen zu können.
Ein ruhiger Nachmittag im Schlosspark von Eggenberg. Kateryna zeigt die kleinen Malereien auf ihrem Schreibtisch, an denen sie gerade arbeitet. „Wenn ich kleine Bilder male, hat es einen größeren emotionalen Wert für mich. Gleichzeitig geben sie viel Raum für Fantasie. Große Dinge bekommen in dieser Welt aber mehr Aufmerksamkeit. Wenn ich solche Werke mache, möchte ich Menschen in diese Welt einladen”, erklärt Kateryna, während sie die großen Leinwände, die die Wände des Ateliers schmücken, präsentiert.
Ein langer Weg nach Graz
Seit fast vier Monaten lebt Kateryna nun hier in Graz. „Als der Krieg ausbrach, verstand ich, dass ich meine Kinder in Sicherheit bringen musste. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Zuerst sind wir in die Westukraine gegangen, aber die Situation dort war sehr schwierig für uns. Deshalb gingen wir nach Polen, wo ich dann den Kontakt zu polnischen Künstler:innen herstellen konnte.”
Kateryna erklärt, sie habe sich einen sicheren und ruhigen Ort gewünscht, an dem sie für einen längeren Zeitraum künstlerisch arbeiten kann. „Unsere Unterkunft in Graz ist sehr schön. Ich fühle mich hier sehr wohl und das Office Ukraine Graz hat mir auch wirklich bei der Integration geholfen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe hier gute Beziehungen geknüpft und einige neue Freund:innen gefunden.”
Das Ateliergebäude liegt im Eggenberger Schlosspark.
Mutter-sein und Künstlerin-sein
Ihre Kinder sind fünf und zehn Jahre alt und können hier in Graz weiterhin den Kindergarten und die Schule besuchen. Vor allem die Suche nach einem Kindergarten gestaltete sich zunächst schwierig. Erst nach mehreren Wochen konnte ein Platz in einem lokalen Kindergarten organisiert werden.
„Die freie Zeit, die ich nun habe, nutze ich hauptsächlich in meinem Atelier, um an meiner Kunst zu arbeiten.” Auf die Frage, ob sie auch mit ihren Kindern arbeiten könne, meint die junge Künstlerin: „Natürlich brauche ich Zeit für mich allein, um nachzudenken. Aber wenn ich dann eine Idee habe, kann ich auch neben den Kindern arbeiten, das habe ich früher auch schon gemacht.”
Ein neues Leben in Graz
Nun setzt Kateryna ihre künstlerischen Tätigkeiten in Graz fort. „Es ist ein sehr schöner Platz hier. Ich liebe den großen alten Garten sehr. Ich hatte immer schon den Traum, in einem solchen Garten zu leben und jetzt ist dieser Traum wahr geworden – natürlich unter sehr harten Bedingungen und mit einem sehr schwierigen Hintergrund. Dieser Garten heilt mich und meinen Geist wirklich. Manchmal ist es sehr schizophren für mich. Meine Verwandten und Freunde sind in einer sehr schwierigen Lage zu Hause, während ich diesen schönen Blick habe.”
Ein Weg im Schlosspark, den die Künstlerin besonders gerne hat.
Zwischen Krieg und Kunst
Die Themen, die Kateryna mit ihrer Malerei aufgreift, sind derzeit vor allem Entmenschlichung und Entobjektivierung. Sie verfolgt dabei ein politisches Interesse und beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Ideologie und Malerei, sowie mit der Präsenz von Opferdarstellungen in Politik und Kunst, von der Antike bis zur Gegenwart. Sie betrachtet die Malerei als eine Sprache, die instrumentalisiert oder befreit werden kann.
„Ich habe viele Emotionen mit der Situation hier in Verbindung mit der Ukraine, die ich in meine Kunst einbringen möchte. Es ist für mich sehr interessant zu sehen: Wenn ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln sitze, fühle ich mich anders als die anderen. Aber im Museum fühle ich mich wie zu Hause, weil ich viele Inspirationen von anderen Bildern bekomme, vor allem von den Künstler:innen aus der Vergangenheit. Die österreichischen Künstler:innen des 19. und 20. Jahrhunderts sehen den Krieg und die Gewalt ganz nah. Ich sehe, dass sie ihre Realität so beschrieben haben, wie ich es jetzt tue. Der Verlust der Menschlichkeit und die Zerstörung des Körpers, der Stadt und allen Lebens. Ich empfinde jetzt ähnliche Gefühle wie diese Künstler:innen damals in Österreich.”
Licht am Ende des Tunnels?
Derzeit bereitet sich die Künstlerin auf den steirischen herbst 2022, sowie auf die Schaffung eines Wandbilds, das in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz entstehen wird, vor. „Identitätsverlust, Entmenschlichung, die feministische Kritik am Krieg, sowie die Beziehung zwischen Körper und Gewalt im Bild werden Themen sein”, erklärt sie. Die Künstlerin arbeitet darüber hinaus auch an einem neuen Werk, das im Herbst in Rumänien gezeigt werden wird.
Auch die Arbeit an großen Leinwänden ist im Atelier möglich.
„Ich möchte erst wieder nach Hause zurückgehen, wenn die Ukraine diesen Krieg gewinnt und wir unser Territorium zurückbekommen wie vor dem 24. Februar. Ich denke dabei sehr an meine Kinder. Im Herbst fange ich in Basel ein Masterstudium an und dann denke ich vielleicht über eine Dissertation in Wien nach. Zwei Jahre lang werde ich sicher hier bleiben, weil ich mich weiterbilden will.”
Text: Nora Reichhalter
Fotos: Thomas Raggam