2022 Jun. Jul. Sept. Oct. Nov. Dec.
2023 Feb. Mar. Apr. Jun. Aug. Oct.
2024 Feb. Jun. Aug. Sep.
Laut Eurostat waren Ende Juni dieses Jahres 77.700 vorübergehend vertriebene Personen aus der Ukraine in Österreich registriert. Nach Angaben des statistischen Dienstes des Landes ist die größte Gruppe die unter 19-Jährigen (25.089 Personen), gefolgt von den unter 40-Jährigen (23.873 Personen) und den bis zu 60-Jährigen (21.426 Personen). Etwas mehr als die Hälfte der Ankommenden bezieht Sozialleistungen. Alle Ukrainer:innen, die im Zuge der russischen Invasion nach Österreich gekommen sind, haben Anspruch auf kostenlosen Sprachunterricht bis zum Niveau C1. Nach Angaben des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) wurden bisher in Österreich über 54.000 Kursplätze von Ukrainer:innen in Anspruch genommen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben 11.505 Ukrainer:innen Deutschkurse besucht. Die meisten von ihnen lernten die Sprache auf den Niveaus A1 und A2. Detaillierte Statistiken sind auf der Website des Integrationsfonds zu finden.
Wir haben mit Künstler:innen und Kulturschaffenden aus der Ukraine gesprochen, die nach Beginn der großflächigen Invasion eingereist sind und jetzt Deutsch lernen. Sie berichteten von ihren Erfahrungen und Herausforderungen und diskutierten darüber, wie sich das Erlernen der Sprache auf ihr Leben in Österreich auswirkt.
Office Ukraine Wien
Deutsch lernen und durchs Leben gehen
Die Vertreterin des ÖIF teilte uns mit, dass die Bestehensquoten der Prüfungen zeigen, dass ukrainische Vertriebene beim Deutschlernen gut vorankommen und der Bedarf an höheren Kursniveaus kontinuierlich steigt. Dies entspricht auch den in der Regel sehr positiven Rückmeldungen der ukrainischen Community.
Parallel zum Deutschkursangebot von Kursträgern erweiterte der ÖIF zudem die frei zugänglichen Online-Deutschlernangebote auf Sprachportal.at, der größten Deutschlernplattform im deutschsprachigen Raum: Neben eigenen Online-Deutschkursen, die in Zusammenarbeit mit den ukrainischen Universitäten Drohobych und Uschhorod umgesetzt werden und die ukrainische Vertriebene ohne Anmeldung besuchen können, hat der ÖIF im Vorjahr insbesondere berufsbegleitende und berufsspezifische Deutschlernangebote ausgebaut. Unter www.sprachportal.at stehen für alle Deutschlernenden eine Reihe an täglichen Online-Deutschkursen und berufsspezifischen Online-Kursen sowie kostenlosen Lern- und Übungsunterlagen zur Verfügung.
©Rainer Moster
Irina Blokhina ist eine Ballerina und Lehrerin für klassischen Tanz aus Dnipro. Sie hat fast zehn Jahre lang am Opern- und Balletttheater in Dnipro gearbeitet. Zu Beginn der Invasion wurde sie von dem berühmten Ballettlehrer Alex Ursulyak nach Österreich eingeladen. Jetzt unterrichtet Irina Pilates und Barre für Erwachsene, Gymnastik für Kinder im Club „Prestige“ und Schach. Diese Hobbys konnte sie seit ihrer Kindheit miteinander verbinden. Dank dem ÖIF lernt Irina seit fast zwei Jahren Deutsch. In dieser Zeit hat sie bereits die B2-Prüfung bestanden und begonnen, C1 zu lernen.
„Ich lerne die Sprache fünfmal pro Woche für drei Stunden. Ich habe Glück mit den Lehrer:innen. Die Kurse bieten viel abwechslungsreiches Material. Ich versuche, viel mit Muttersprachler:innen zu kommunizieren, und ich kann sagen, dass mein Deutschlernen durch den Schachunterricht in den österreichischen Schulen sehr positiv beeinflusst wurde. Ich spiele schon seit meiner Kindheit und nehme an Turnieren teil. In Wien habe ich eine Schachunion gefunden, in der ich Leute getroffen habe, die an mich geglaubt und mir geholfen haben. So bekam ich einen Job als Lehrassistentin an einer Schule und sammelte unschätzbare Erfahrungen im Umgang mit österreichischen Kindern. Das gab mir auch die Möglichkeit, mein Deutsch zu verbessern”, sagt Irina.
Irina besucht ihre Kurse in Wien, obwohl sie in St. Pölten lebt. Sie sagt, dass die Auswahl an Kursen in der Großstadt besser ist und dass dies bei richtiger Planung kein Hindernis darstellt.
In dieser Zeit ist es Irina gelungen, einen Job zu finden, an einem Choreografiewettbewerb in Italien teilzunehmen und als Performerin einen Sonderpreis der Jury zu erhalten.
Doch nur bei einigen Menschen verläuft das Deutschlernen so organisch wie bei Irina.
©Anastasiia Mamay
Anastasiia Mamay, eine Keramikkünstlerin aus Kyiv, die ihren Sohn großzieht und an der KunstUni Linz studiert, steht oft um fünf Uhr morgens auf und geht um Mitternacht ins Bett, um alles zu schaffen. Sie wohnt ebenfalls in St. Pölten und fährt während des Semesters fast jeden Tag nach Linz um zu studieren. Mehrere Stunden am Tag widmet sie sich der deutschen Sprache. Anastasiia hat Deutsch an mehreren Schulen in Linz und St. Pölten gelernt: „Es kommt sehr auf die Lehrer:innen an. Ich hatte Glück mit ihnen. In Linz waren die Klassenräume moderner als in St. Pölten, und wir bekamen mehr Material. Die Lehrerin, Ursula Pointner, hat sich ganz für uns Zeit genommen, nicht am Telefon, was leider auch in Kursen vorkommt.
Sie sagt, der Kurs dauert vier Monate, aber das ist nicht genug Zeit, um den Stoff zu beherrschen. “Die Leute, die hierher kommen, müssen irgendwo arbeiten, sie müssen studieren, und oft haben sie Kinder. Ich persönlich finde, dass diese Zeit nicht ausreicht, um die Sprache zu lernen. Auch wenn ich die B1-Prüfung bestanden habe, finde ich, dass das zu wenig ist. Hätte ich einen Monat mehr Zeit gehabt, wäre das Ergebnis besser gewesen“, sagt Anastasiia.
Sie glaubt, dass man mehr als dieses Niveau braucht, um einen normalen Job zu finden. Die Künstlerin versucht, an der Universität Deutsch zu lernen, aber das gelingt nur manchmal. Wenn etwas unklar ist, muss sie auf Englisch umschalten.
„Für das weitere Leben in Österreich ist es wichtig, fließend Deutsch zu sprechen. Die Österreicher:innen respektieren ihre Sprache und werden sie von dir verlangen. Ich denke, es ist richtig, das zu tun. Für Menschen, die hierher kommen und hier leben wollen, ist es notwendig. Es ist auch ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Land, das uns Schutz gewährt hat.”
©Marianna Kotsan
Marianna Kotsan, eine Künstlerin und PR-Managerin aus Kiyv, begann erst sechs Monate nach ihrer Ankunft in Wien mit dem Erlernen der Sprache. Sie wollte jedoch sofort damit beginnen. Die Verzögerung war auf bürokratische Hürden bei der Bearbeitung der Blue Card zurückzuführen. Am Anfang war es schwierig, sich zu orientieren, was zu tun ist, wohin man geht und welche Verfahren man durchlaufen muss. „Am Ende des Sommers 2022 meldete ich mich zu einem ersten Kurs beim ÖIF an. Es war ein A0-Kurs mit Alphabetisierung. Der Kurs war wertvoll, weil ich andere ukrainische Frauen kennengelernt habe, mit denen wir immer noch befreundet sind. Aber was die Sprache angeht, war es reine Zeitverschwendung, denn ich hatte bereits ein Grundniveau“, sagt Marianna.
Sie verbringt täglich sechs bis sieben Stunden mit dem Kurs, denn der Unterricht dauert drei Stunden, dazu kommen Hausaufgaben und Fahrten, also fünfmal pro Woche.
„Zwischen den Kursen gibt es große Pausen. Nach Abschluss des Studiums muss man sich für eine Prüfung anmelden, sie ablegen, drei Wochen auf das Ergebnis warten und sich dann erst für die nächste Stufe anmelden und auf deren Beginn warten. Das alles dauert insgesamt drei Monate. Und leider ist das Wissen schnell wieder weg“, so die Künstlerin.
Marianna hat seit Beginn der Invasion 50 Prozent ihres Gehörs verloren, aber sie sagt, das habe sie nicht davon abgehalten, die Sprache zu lernen, und in den Kursen werde sie mit Verständnis behandelt. Sie macht sich Sorgen, weil sie die B2-Prüfung nicht beim ersten Versuch bestehen konnte. Von der gesamten 12-köpfigen Gruppe konnte nur eine Studentin, die bereits an einer örtlichen Universität studiert, die Prüfung bestehen. Marianna sagt, dass sie ein C1-Niveau braucht, um einen Job in ihrem Fachgebiet zu finden: „Das geht nicht so schnell. Außerdem ist es sehr schwierig, eine Sprache zu lernen, wenn man wegen des Krieges und der erzwungenen Migration unter chronischem Stress steht, man kann einfach nichts im Kopf behalten. Die letzte nicht bestandene Prüfung war auch für mich sehr anstrengend. Mir ist klar, dass das B2-Niveau eine bessere Möglichkeit ist, zu studieren und einen Job zu finden, aber bisher ist es für mich eine gläserne Decke, aber ich versuche, damit zurechtzukommen.”
Marianna sagt, dass sie Hilfe braucht, um zwischen dialektaler und individueller Aussprache zu unterscheiden. Mit einem Hörgerät versteht sie die Sprache jedoch gut und kann ein Gespräch aufrechterhalten, wenn ihre Gesprächspartner:innen deutlich und laut sprechen. Wenn sie etwas nicht versteht, schämt sie sich oft und schweigt. Unter den positiven Aspekten von Wien hebt Marianna die Empathie hervor.
Sie ist den Berate:rinnen von ÖIF, AMS und anderen Institutionen dankbar, die ihr bei der Arbeitssuche helfen. Leider hat sie noch keine Stelle gefunden, wo sie sich nützlich machen könnte, aber sie hofft das Beste.
Die Mitarbeiter:innen von Office Ukraine stehen in ständigem Kontakt mit ukrainischen Künstler:innen und sind sich der Schwierigkeiten bewusst, mit denen vorübergehend vertriebene Menschen konfrontiert sind. Zu den häufigsten gehören Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, beim Erlernen der Sprache und bei der Integration in die lokale Gesellschaft. Die meisten stehen unter Stress und haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Das Erlernen der Sprache ist ein wesentlicher Aspekt der Integration. Doch selbst mit den vorhandenen Kursen und dem Wunsch, Deutsch zu lernen, ist es nicht getan. Alles braucht Zeit und Geduld. Wir freuen uns, wenn Menschen zu uns kommen und uns erzählen, dass sie es geschafft haben, ihren Zeitplan zu organisieren, den nächsten Schritt zu tun, einen Job zu finden und ein Projekt abzuschließen. Wir hoffen, dass es jeden Tag mehr solcher Geschichten geben wird.
„Englisch-Integrationskurs für ukrainische Flüchtlinge“ ist ein laufendes Projekt von Anatoly Belov.
Anatoly Belov’s Kunstprojekt, ein Lehrbuch für das Erlernen der englischen Sprache auf dem Niveau A1, basiert auf wahren Begebenheiten, die dem Autor des Buches und seinen Bekannten und Freund:innen, ukrainischen Flüchtlingen in verschiedenen europäischen Ländern, widerfahren sind. Das Lehrbuch in Form eines Comics thematisiert das Erlernen der englischen Sprache im Zusammenhang mit der Integration in die europäische Gesellschaft.
Der Künstler verweist auch auf mitunter auftretende Missverständnisse und Konflikte, sowohl mit Menschen aus der Europäischen Union als auch mit Ukrainer:innen, einschließlich Konflikten innerhalb der ukrainischen Community.
‘Da mein Integrationsprozess in die Gesellschaft der Europäischen Union weitergeht, während auch der russisch-ukrainische Krieg andauert, werden Geflüchtete auch ständig mit neuen Lebenssituationen konfrontiert.
Es ist auch geplant, mein Comicbuch mit unseren persönlichen Erfahrungen aus dem Sprachkurs mit dem Level A2 fortzusetzen’, so Anatoly Belov.
Office Ukraine Graz
Sprachbarrieren für ukrainische Künstler:innen-Community in Graz
Seit mehr als zwei Jahren ist die ukrainische Künstler:innen-Community bereits aktiver Teil der Kunst- und Kulturszene in Graz und der Steiermark. Damit Inklusion nicht nur als Privatperson, sondern auch als Künstler:in bzw. Kulturarbeiter:in gelingen kann, ist das Erlernen der deutschen Sprache notwendig. Dahingehend sehen sich die in Graz lebenden ukrainischen Künstler:innen jedoch mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Obwohl das Angebot an Deutschkursen im Raum Graz vielfältig ist, sind nur bestimmte Kursformate für in Österreich lebende Ukrainer:innen mit Vertriebenenstatus kostenlos. Gemäß dem Integrationsgesetz, stellt der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) Deutschkurse von der Alphabetisierung bis zum Sprachniveau C1 kostenlos zur Verfügung. Anders verhält es sich mit Sprachkursen, die nicht vom ÖIF zur Verfügung gestellt werden. Entscheidet man sich für ein anderes Spracheninstitut bzw. Kursformat, dann sind die Kurs- und Prüfungsgebühren zumeist selbst zu tragen. Für viele in Graz lebende ukrainische Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen gestaltet es sich schwierig, das passende Format und die damit verbundene Motivation zu finden. Die ukrainischen Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen Eva Fomitski und Karina Sunlife leben bereits seit zwei Jahren in Graz und haben sich schon vor ihrer Ankunft für die deutsche Sprache interessiert. „Ich wollte immer Deutsch lernen. Schon bevor ich nach Graz gekommen bin, habe ich regelmäßig deutsche Musik gehört. Ebenfalls ist mein erstes Schrift-Tattoo auf Deutsch“, erklärt Eva und verweist auf ihren Unterarm.
Karina Sunlife © Thomas Raggam, Schubidu Quartet
Zeitliche Ressourcen und flexible Arbeitszeiten
Die Künstlerinnen bzw. Kulturarbeiterinnen haben unterschiedliche Formate ausprobiert, um das zeitlich und inhaltlich beste Unterrichtskonzept für sich zu finden. Während Eva aktuell für ihre A2 Prüfung im Rahmen eines vom ÖIF organisierten Sprachkurses lernt, besuchte Karina zuletzt einen Kurs am Institut für Sprache und Kultur in Graz, wobei sie mittlerweile größeren Wert auf das Selbststudium legt. Beide Künstlerinnen berichten, dass die kostenfreien Sprachkurse des ÖIF zeitliche Ressourcen und flexible Arbeitszeiten erfordern. „Die Anwesenheitspflicht liegt bei 80%. Nur mit einem triftigen Grund ist ein Fernbleiben erlaubt. Sich eineinhalb Stunden zu konzentrieren und zu lernen, fällt mir leicht. Danach ist jedoch eine Pause notwendig. Vier Stunden Deutschunterricht sind demnach zu anstrengend für mich, deshalb habe ich das Sprachinstitut gewechselt. Dort bin ich vier Tage pro Woche für je zwei Stunden,“ gibt Karina zu verstehen. Ähnlich beschreibt es Eva, die in der Vergangenheit bereits mehrmals die Deutschkurse des ÖIF abbrechen musste. Grund dafür war ebenfalls die strenge Anwesenheitspflicht und die damit verbundene Unvereinbarkeit mit ihrer Tätigkeit als internationale Künstlerin und Kuratorin: „Im Zeitraum des Kurses konnte ich zum Beispiel an einem Artist-in-Residence-Programm teilnehmen, weshalb ich vom Kurs ausgeschlossen wurde. Zurück in Graz habe ich den Kurs erneut begonnen und wieder von einer Residency erfahren, sodass ich erneut abbrechen musste.” Der Großteil der ukrainischen Künstler:innen Community in Graz kämpfe mit denselben Herausforderungen, so Karina und Eva.
Psychische Barriere
Für Eva ist es nun der dritte Anlauf für den Sprachkurs des ÖIF. Diesmal sei ihre Einstellung und Motivation anders, verglichen mit dem ersten Jahr in Graz, gibt sie zu verstehen. Laut ihr sei das Lernen der deutschen Sprache für viele vertriebene Ukrainer:innen mit Akzeptanz verbunden: „Vielen in Graz lebenden Ukrainer:innen fällt es aufgrund der ständigen Ungewissheit und fehlenden Perspektive schwer, Motivation zum Erlernen der Sprache aufzubringen. Ist der Aufenthalt in Graz temporär oder für immer? Ich für mich habe aus psychologischer Sicht akzeptiert, dass ich länger in Graz bleiben werde und dass ich in naher Zukunft nicht in die Ukraine zurückkehren werde. Seitdem ich das akzeptiere, hat sich auch mein Blick sowie meine Motivation auf das Deutschlernen verändert”, erläutert Eva. Künstlerin und Projektmanagerin Karina sieht es ähnlich: „Es ist mehr als wichtig, einen persönlichen Grund und die damit verbundene Motivation zum Erlernen der Sprache zu finden”.
Eva Fomitski © Thomas Raggam, Schubidu Quartet
Relevanz für Tätigkeiten im Kunst- und Kulturbereich
Das Akzeptieren des gegenwärtigen Zustands wurde im Fall beider Künstlerinnen durch die Aussicht auf eine mögliche Beschäftigung, vor allem im Kunst- und Kulturbereich, begünstigt. Umgekehrt ist ein gewisses Sprachlevel auch Voraussetzung für eine erfolgreiche Jobsuche. „Ohne Deutschkenntnisse wäre ich nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Es war zwar eine verrückte Erfahrung, aber ich habe es geschafft”, erzählt Karina begeistert, die neben ihrer künstlerischen Tätigkeit bereits Erfahrungen am österreichischen Arbeitsmarkt gemacht hat. Speziell im Kunst- und Kulturbereich sei es ähnlich, erklärt sie: „Das Kunsthaus Graz hat zum Beispiel eine interessante Stelle ausgeschrieben, aber ohne B1-Zertifikat ist es unmöglich, sich zu bewerben“. Künstlerin Eva, die in ihrer Freizeit den Grazer Kunstverein sowie das Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz in der Kunstvermittlung unterstützt, berichtet aus eigener Erfahrung, wie relevant Deutschkenntnisse in diesem Bereich sein können: „Es kommt vor, dass Besucher:innen nicht Englisch sprechen. Demnach verstehen sie nicht, was man ihnen zu erklären versucht. Ebenfalls sind Deutschkenntnisse notwendig, um breitere Kontexte zu verstehen. Wenn verstanden wird, worüber Menschen sprechen, gelingt es, in die österreichische Gesellschaft einzutauchen und ein Teil davon zu werden“.
Brigitte Czermak © Thomas Raggam, Schubidu Quartet
Sprachclub für die ukrainische Künstler:innen-Community
Aus der Notwendigkeit heraus, die deutsche Sprache zu erlernen, entstand auch die Idee eines wöchentlichen Sprachclubs, der von den Teammitgliedern des Office Ukraine Graz organisiert wurde. Seit Mai 2024 treffen sich die ukrainischen Künstler:innen, unter anderem Karina und Eva, regelmäßig im neu entstandenen Raum von ZIEGEL. Ateliergemeinschaft ukrainischer Künstler:innen Graz* in der Grazer Innenstadt, um Deutsch zu üben. Der Sprachclub findet unter der Leitung von Künstlerin und Restauratorin Brigitte Czermak statt, die durch einen Aufruf des Office Ukraine Graz auf das Vorhaben aufmerksam wurde. Die Schwerpunkte im Sprachclub unterscheiden sich von den Kursen des ÖIF, weshalb dieses Format eine hilfreiche Ergänzung für die ukrainischen Künstler:innen ist, erklärt Brigitte. Neben Deutsch sprechen steht auch das Lesen im Fokus. „Ich ermutige Sätze zu lesen. Ebenfalls finde ich die Erklärung von Begriffen und Worten relevant. Das führt die Teilnehmenden sehr gut in unsere Sprachwelt ein, was vor allem für Künstler:innen zentral ist“, erklärt Brigitte. Die Teilnehmer:innen werden einerseits ermutigt, eigene Bücher und Texte mitzubringen, andererseits legt Brigitte großen Wert auf das Besprechen von unterschiedlichen Ausstellungstexten. Das Format des Sprachclubs ist für Künstlerin und Kuratorin Eva von Vorteil: „Im Sprachclub hat mich Brigitte nach meiner Kunstinstallation gefragt und ich habe ihr auf Deutsch geantwortet. Der Bezug zur Kunst ist relevant für mich”. Beide Künstlerinnen, Karina und Eva, betrachten die Mischung aus unterschiedlichen Unterrichtsformaten als Vorteil und sehen ihren wachsenden Sprachschatz mit vielen Vorteilen in Bezug auf ihre Zukunft in Graz verbunden.
*ZIEGEL. Ateliergemeinschaft ukrainischer Künstler:innen Graz wurde im Mai 2024 von in Graz lebenden Künstler:innen und Kulturschaffenden aus der Ukraine gegründet, die nach dem Beginn der russischen Invasion ihr Heimatland verlassen mussten. Mit ihren Aktivitäten wollen sie zum kulturellen und künstlerischen Leben von Graz, Österreich und Europa beitragen.
Text: Stephanie Sackl
Office Ukraine Innsbruck
Sprache ist der Schlüssel zu allem
Interview mit Maryna Kryvinchuk und Iryna Kozhyna
Das Erlernen der deutschen Sprache ist eine zentrale Herausforderung für alle vorübergehend vertriebenen Personen in Österreich. Wir haben die Journalistin Maryna Kryvinchuk und die Künstlerin und Kulturmanagerin Iryna Kozhyna gefragt, welche Erfahrungen sie beim Erlernen der deutschen Sprache gemacht haben, welche Hilfsmittel sie verwenden und welche Ratschläge sie allen geben würden, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.
Maryna Kryvinchuk wurde in der ukrainischen Hauptstadt geboren und studierte Medienkommunikation an der Borys Grinchenko Universität Kyiv. In der Ukraine arbeitete sie beim Fernsehen, beim Ukrainischen Buch-Institut und im Bereich Nachrichtenanalytik.
In Österreich moderierte Maryna die Radiosendung Voice of Peace über das Schicksal von Ukrainer:innen während des Krieges auf FREIRAD – Freies Radio Innsbruck. Die begeisterte Sängerin war auch Chormitglied bei einer Produktion des Tiroler Landestheaters. Derzeit arbeitet sie in einer Sprachschule in Tirol.
„Ich habe in der Schule Deutsch als zweite Fremdsprache gelernt. Dann gab es eine achtjährige Pause zwischen der Schule und dem großflächigen Angriffskrieg, in der ich die Sprache nur gelegentlich benutzte. Als ich gezwungen war, nach Österreich zu ziehen, beschloss ich, meine Sprachkenntnisse in den Schulen vor Ort mit Angeboten des ÖIF [Österreichischer Integrationsfonds] zu verbessern. Jetzt habe ich B2 Niveau erreicht.“
Es ist kein Geheimnis, dass das Erlernen einer Sprache eine echte Herausforderung sein kann. Für Maryna lagen die Schwierigkeiten jedoch nicht in erster Linie an der Sprache selbst, sondern an den Umständen, in denen sie sich befand.
„Es ist schwierig, im Unterricht zu sitzen, wenn man weiß, dass man danach mit Problemen zu kämpfen hat, von denen man keine Ahnung hat, wie man sie lösen kann. Nachdem meine Mutter und ich aus unserer staatlich organisierten Unterkunft hinausgeschmissen wurden, musste ich eine Wohnung finden, die mir wegen meines geringen Einkommens niemand vermieten wollte. Mein Nervensystem hielt diese Anspannung nicht aus, denn der Stress, den ich erlebte, überstieg meine Anpassungsfähigkeit um ein Vielfaches und ich vergaß innerhalb eines Tages die deutsche Sprache. Vielleicht lag es daran, dass ich anfing, die Sprache mit all den schlimmen Dingen zu assoziieren, die mir widerfuhren, und mein Gehirn schaltete sie einfach ab, um meine Psyche zu retten. Zum Glück arbeite ich in einer Sprachschule und hatte immer viele Lehrpersonen um mich herum, so dass ich schließlich wieder begann, mich zu erinnern. Es hat lange gedauert, bis ich die mentale Blockade, die ich während dieser schwierigen Zeit aufgebaut hatte, loswerden konnte.“
Für viele Menschen kann die Unterstützung durch andere ein Hebel sein, um Fortschritte zu erzielen: „Ich fühle mich unterstützt. Bei der Arbeit werde ich immer korrigiert, wenn ich Fehler mache, und ich habe die Unterstützung meiner Freund:innen vor Ort. Es ist sehr motivierend, wenn man jemanden lange nicht mehr gesehen hat und die Person die Fortschritte bemerkt; man freut sich und will sich weiter verbessern.“
Im Moment sind Marynas wichtigste Hilfsmittel zum Erlernen der Sprache Kurse und möglichst viel Kommunikation mit Muttersprachler:innen.
„Ich würde allen raten, sich keine Vorwürfe zu machen, wenn etwas nicht klappt, sich von der Vorstellung zu lösen, dass die Sprache schwierig ist, und keine Angst davor zu haben, mit Fehlern zu sprechen. Sonst spricht man vielleicht gar nicht. Man sollte mit dem Vokabular, das man im Moment hat, anfangen, die Sprache zu benutzen, und beim Sprechen von ganzem Herzen Respekt für diese Kultur empfinden. Dann wird sich die Sprache für einen öffnen, und alles wird klappen.“
Iryna Kozhyna wurde in dem kleinen Dorf Kozacha Lopan in der Region Charkiw geboren. Nach dem Abitur studierte sie an der Staatlichen Kulturakademie Charkiw und schloss mit einem Diplom in Kulturmanagement ab. Sie arbeitete im Kultursektor und später im IT-Bereich. Sie entwickelte auch ihre künstlerische Praxis, wobei sie sich vor allem auf Architektur- und Naturlandschaften sowie auf Realismus konzentrierte.
Zu Beginn des Krieges befand sie sich in der besetzten Stadt Kupiansk, und erst nach vier Monaten konnte sie das besetzte Gebiet verlassen und ins Ausland gehen. Seit zwei Jahren lebt sie nun in Tirol.
Nachdem sie zwei Jahre lang Deutsch gelernt hatte, legte sie erfolgreich die Deutschprüfung mit dem Sprachniveau B1 ab. Ihre erste Annäherung an die Sprache erfolgte über Apps wie Duolingo und Bilingual auf ihrem Handy und über YouTube-Vlogger:innen, die alles auf Ukrainisch erklärten. Und nach drei Monaten in Österreich begann sie, AMS-Kurse (Arbeitsmarktservice) beim BFI (Berufsförderungsinstitut) zu besuchen.
„Jetzt lerne ich die Sprache alleine weiter, aber mein Hauptaugenmerk liegt darauf, meinen Wortschatz zu erweitern. Eine der Methoden, die mir wirklich hilft, ist das Lesen von Zeitschriften. Zuerst schlage ich einen Artikel auf und lese ihn laut, dann markiere ich die Wörter, die ich nicht kenne, und schreibe sie auf Karteikarten (die jetzt überall in meinem Haus verteilt sind), dann gehe ich zurück zum Artikel, lese ihn noch einmal laut und versuche, mir die markierten Wörter zu merken. Ich habe auch Grammatikbücher, und manchmal greife ich auf Grammatikübungen zurück. Ich schaue mir YouTube-Vlogs an, aber nur mit Muttersprachler:innen (mit Untertiteln, wenn möglich). Manchmal schaue ich mir Zeichentrickfilme auf Deutsch an (ohne Untertitel, weil sie ablenken), weil sie eine einfachere Sprache für Kinder verwenden. Und endlich ist Kommunikation möglich.“
Wenn man eine Fremdsprache lernt, kann man das Gefühl haben, dass man an einer Stelle feststeckt und das Lernen keine Ergebnisse bringt. Auch Iryna hatte mit diesem Problem zu kämpfen:
„Der Unterschied macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn man im Unterrichtsraum alles versteht und sich verständigen kann, aber wenn man den Kursraum verlässt und sich in einer deutschsprachigen Umgebung wiederfindet, in der die Leute hauptsächlich Dialekt sprechen, ist es so, als würde man die Sprache überhaupt nicht lernen. Ich habe einen guten Job in einer Bibliothek gefunden, aber leider wurde ich nach drei Wochen mit der Begründung entlassen, ich hätte eine Sprachbarriere. Dialekte sind schwer zu verstehen. Wenn ich also die Einheimischen nicht nur sprechen, sondern auch verstehen will, muss ich neben Deutsch auch noch Tirolerisch lernen.“
Trotz der Hindernisse setzt Iryna ihre Bemühungen fort und ist zuversichtlich, dass sie ihr Deutsch weiter verbessern wird. Hier einige Ratschläge von Iryna: „Es hilft zu erkennen, dass die Sprache der Schlüssel zu allem ist: von der Arbeit bis zum täglichen Leben. Man sollte an der Motivation festhalten, die man für sich selbst gewählt hat. Grammatik ist wichtig, aber das Wichtigste ist die Kommunikation, also sollten wir versuchen zu sprechen, auch wenn wir Fehler machen, denn nur so können wir die Sprache wirklich anwenden.
Was für mich persönlich gut funktioniert, ist, mich auf Gespräche einzulassen und Zeitschriften zu lesen. Aber das Wichtigste ist, nicht aufzugeben, weiter zu lernen und manchmal andere Methoden zu suchen und auszuprobieren.“
Über die Repräsentation und Sichtbarkeit ukrainischer Künstler:innen und Kulturschaffender in Österreich zu sprechen, wäre nicht möglich, ohne über ihre Arbeitsbedingungen und den Kunstmarkt zu sprechen. Es ist keine Überraschung, dass die meisten Künstler:innen in einer prekären Lage sind und nur wenige von ihrer Kunstpraxis leben können, selbst wenn sie in der EU geboren wurden und einen europäischen Pass haben. Im Zusammenhang mit Geflüchteten und vorübergehend Vertriebenen ist es wichtig, die Schwierigkeiten zu bedenken, mit denen sie in Bezug auf Sprachbarrieren, Bürokratie sowie fehlende Netzwerke und Kontakte konfrontiert sind. In unserer Frühjahrsausgabe wollen wir die Arbeitslandschaft für ukrainische Künstler:innen in Österreich beleuchten, die Erfahrungen verschiedener Künstler:innen und einige hard facts teilen.
Office Ukraine Wien
Geld in der Kunst: Wie ukrainische Künstler:innen überleben
Laut Statistik leben in Österreich derzeit rund 80.000 Ukrainer:innen. Im Frühjahr waren in Wien 1.647 temporäre Vertriebene beim AMS (Arbeitsmarktservice Österreich) registriert. Darunter befanden sich 42 Personen, die als Künstler:innen registriert waren.
Mit Ende Jänner 2024 waren 6.572 Ukrainer:innen in Wien beschäftigt. Das AMS wies darauf hin, dass es die Beschäftigten nur nach ihrer Nationalität, nicht aber danach beurteilen kann, ob es sich um Vertriebene handelt. Es könnte sich also auch um Ukrainer:innen mit anderen Aufenthaltstiteln handeln. Außerdem besuchen 645 temporäre Vertriebene Kurse beim AMS.
Derzeit werden sie vor allem beim Erlernen der deutschen Sprache und in Anerkennungsverfahren unterstützt. Mit dem Schwerpunkt “Orientierung” bietet das AMS auch ein besonderes Service für ukrainische Frauen: „FAVoritIN_U – Frauenspezifische Arbeitsmarktvorbereitung und -orientierung mit Fokus auf Frauen aus der Ukraine 2024“.
Darüber hinaus hat die österreichische Regierung vor kurzem ein neues Gesetz verabschiedet, das jenen Ukrainer:innen zugutekommt, die länger als zwölf Monate arbeiten und mehr als 1.200 Euro pro Monat verdienen. Sie können eine Rot-Weiß-Rot-Plus-Karte erhalten. Sie wird ukrainischen Vertriebenen eine stabilere Aufenthaltsgenehmigung und zusätzliche Arbeitsperspektiven bieten.
Schwieriger Alltag
In Wien haben wir mit mehreren ukrainischen Künstler:innen gesprochen und sie gefragt, wie sie mit ihrer derzeitigen finanziellen Situation umgehen. Jede:r hat eine andere Geschichte, aber eine Menge schwieriger Alltagssituationen zu bestehen. Soweit es Office Ukraine bekannt ist, leben die meisten Künstler:innen von sozialer Unterstützung und Ersparnissen, andere haben Minijobs; einige kombinieren ihre künstlerische Tätigkeit mit Nebenjobs außerhalb des Kunstbereichs. Ihre Geschichten sind jedoch sehr unterschiedlich. Manche konnten sich in der Ukraine nie vorstellen, von der Kunst zu leben, aber in Österreich haben sie es geschafft.
Kateryna Kurlova aus Charkiw zum Beispiel hat früher Schnittstellen für Handyspiele und Apps entworfen. Seit sie in Österreich lebt, widmet sie sich ganz der Malerei und hat die digitale Kunst hinter sich gelassen. „Bereits in meiner zweiten Woche in Österreich habe ich meine Arbeit bei einer Ausstellung in Gmunden präsentiert und sie für 800 EUR verkauft. Dieser Erfolg ermöglichte es mir, praktisch bei Null anzufangen, neue Materialien zu erwerben und meine kreativen Bestrebungen weiter aktiv zu verfolgen. In der Ukraine hätte ich ohne einen bekannten Namen keine solche Möglichkeit gehabt, meine Arbeiten erfolgreich und gewinnbringend zu verkaufen. Österreich hat sich als sehr aufgeschlossen gegenüber Künstler:innen erwiesen.”
Arina Pryputneva aus Kyiv hatte viele Jahre als angewandte Künstlerin und Kunsttherapeutin in der Ukraine gearbeitet, konnte aber in Österreich kaum eine Möglichkeit finden. „Ich habe keinen einzigen Cent mit meiner Arbeit in Österreich verdient. Meine Möglichkeiten hier sind sehr begrenzt. Ich kann nicht einmal unterrichten oder Kunstworkshops abhalten.“ Arina bringt das mit dem System des Kunstmarktes und Deutschsprachkenntnissen in Verbindung, die viele Ukrainer:innen bisher nicht haben.
Keine Garantie für finanzielle Sicherheit
Danylo Kovach aus Saporischschja, der an zahlreichen Ausstellungen in Europa und darüber hinaus teilgenommen hat, konstatiert, dass der Beruf eines Künstlers / einer Künstlerin keine dauerhafte finanzielle Sicherheit garantiert, ob in der Ukraine oder anderswo auf der Welt. „Wenn ein:e Künstler:in keinen Vertrag mit einer führenden Galerie, einer Institution oder einem Geschäftspartner / einer Geschäftspartnerin hat, die / der sich um alle organisatorischen Fragen kümmert, ist es nicht einfach, von der Arbeit zu leben. Deshalb war es in der Ukraine einfacher, weil es bereits einen Kreis von Akteur:innen gab, die den Künstler:innen halfen, ihr Publikum zu finden“, fügt Danylo hinzu.
Danylo kam 2022 mit seiner schwangeren Frau nach Österreich, wo sie nun ihren Sohn großziehen. Gleich nach seiner Ankunft in Wien hat er sich beim AMS beworben, aber im Bewerbungsformular gab es keine Kategorie für professionelle Künstler:innen. „Meine Frau und ich sind beide junge, ambitionierte Künstler:innen und haben einen in Wien geborenen Sohn, der 20 Monate alt ist und noch nicht in den Kindergarten geht. Daher ist die Integration für uns ein ziemlich schwieriger Prozess. Natürlich sind die Sprachkenntnisse entscheidend. Ich habe versucht, online Deutsch zu lernen, war damit aber nicht sehr erfolgreich. Ich bereitete mich in dieser Zeit auf eine Einzelausstellung vor und verbrachte den Rest der Zeit mit meinem Kind. Wir haben zwei österreichische Freunde, die wir aber zu selten sehen, um regelmäßig deutsch mit ihnen zu üben.. Leider gibt es in Österreich die Tendenz, dass man an einer Kunstuniversität studieren oder ein:e erfolgreiche:r Künstler:in sein muss, um wahrgenommen zu werden“, bemerkt Danylo.
Kateryna Kurlova war von Beginn ihres Aufenthalts in Österreich über das AMS und auf eigene Faust auf Jobsuche. Trotz ihrer Bemühungen war es ihr jedoch nicht möglich, einen geeigneten Job zu finden, der direkt mit Kunst zu tun hatte, da es kein breites Angebot an Arbeitsmöglichkeiten für Künstler:innen gibt und ihre Deutschkenntnisse unzureichend waren.
Stattdessen begann sie, auf eigene Faust Ausstellungen und Verkäufe zu organisieren. „Als ich in Österreich ankam, wurde ich von einer Familie aus Traunkirchen aufgenommen, die mir im neuen Land zur Seite stand. Dank ihrer Hilfe konnte ich meine Arbeiten in meiner ersten Ausstellung zeigen. Mit meinem letzten Geld kaufte ich Leinwand und Farben und schuf in wenigen Nächten einige Bilder. Mein Optimismus und meine harte Arbeit wurden belohnt, als ich mein erstes Werk verkaufte und die Medien auf mich aufmerksam wurden. Dieser Erfolg war für mich eine angenehme Überraschung, denn in der Ukraine war die Nachfrage nach meinen Arbeiten gering. Zu Beginn meines Aufenthalts in Österreich, im ersten Jahr, schien ein stabiles Einkommen im Kunstbereich ohne einen festen Arbeitsplatz in irgendeinem Unternehmen fast unerreichbar. Doch mit der Zeit wurde es für mich immer einfacher, verschiedene Möglichkeiten zu finden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ich nach und nach neue Kontakte knüpfen und meinen sozialen Kreis erweitern konnte. Sich zu etablieren und einen guten Ruf aufzubauen, erfordert Zeit und Arbeit, aber es zahlt sich schließlich aus“, schließt Kateryna.
Danylo, der regelmäßig ausstellt, sagt, er habe den Eindruck, dass die Österreicher:innen Angst haben, Kunst von Ukrainer:innen zu kaufen, weil sie nicht wissen, ob das überhaupt legal ist. „Künstler:in zu sein ist ein Beruf. Viele Menschen nehmen die künstlerische und intellektuelle Arbeit nicht ernst und verwechseln die Begriffe Hobby und Beruf“, fügt er hinzu.
Die meisten Künstler:innen, mit denen wir sprachen, waren sich einig, dass Österreich derzeit zahlreiche Möglichkeiten für Künstler:innen bietet: verschiedene Arten von Förderungen, Artist Residencies und Atelierräume, aber der Lernprozess, um davon zu profitieren, braucht Zeit. Danylo erwähnt, dass er das letzte halbe Jahr damit verbracht hat, Bewerbungen zu schreiben und sich auf verschiedene offene Ausschreibungen zu bewerben.
Informationen zu Förderungsmöglichkeiten
Office Ukraine informiert die ukrainische Kunstszene regelmäßig über Fördermöglichkeiten in Österreich, darunter auch über die Sonderförderung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport. Mehr als 200 Künstler:nnen haben bisher Stipendien vom BMKOES erhalten.
Wir haben die Künstler:innen auch gefragt, welche Art von Unterstützung sie brauchen und woran es in Wien mangelt. Arina Pryputneva stellt fest, dass es schwierig ist, Atelierräume zu bekommen. Kateryna Kurlova fügt hinzu, dass der digitale Bereich und alles, was mit der Spieleindustrie in Verbindung gebracht werden könnte, in Österreich nicht wirklich entwickelt ist. Sie ist auch der Ansicht, dass es in Österreich nicht genug Unterstützung für internationale Künstler:innen gibt, insbesondere für Künstler:innen aus Drittstaaten. Sie erwähnt auch einen generellen Mangel an Information, Beratung und administrativer Unterstützung und schätzt deshalb die Unterstützung durch Office Ukraine.
Danylo Kovach formuliert seine Anliegen, auch wenn er deren Realisierung als unrealistisch einschätzt: Er wünscht sich flexible steuerliche Bedingungen für selbständige Künstler:innen, reduzierte Ateliermieten, klar festgelegte Honorare für Einzel- und Gruppenausstellungen und ein staatlich gesichertes Grundeinkommen sowie Online- und Offline-Plattformen, die Künstler:innen mit Flüchtlings-, Migrations- und temporärem Vertriebenenhintergrund präsentieren könnten.
Die Überlegungen spiegeln die aktuelle Situation der Künstler:innen wider, die hoffen, sie werden von denjenigen gehört, die die Kulturpolitik im Land gestalten.
Office Ukraine Graz
„Es ist unklar, wie es nächstes Jahr weitergeht”
Text: Felix Neumann
Im März 2025 endet laut derzeitigem Stand die EU-Massenzustrom-Richtlinie. Die bildende Künstlerin Valeriia Lysenko und die Digital Media Künstlerin Svitlana Zhytnia erzählen, warum ihnen das kommende Jahr Sorgen bereitet und wie sich ihr Leben und Wirken in Graz verändert hat.
Zu Beginn ein kurzer Überblick: Die Massenzustrom-Richtlinie der EU bietet Vertriebenen aus der Ukraine seit März 2022 sofortigen und vorübergehenden Schutz. Sie ermöglicht es abseits eines Asylverfahrens, sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, dort zu wohnen und einer Arbeit nachzugehen. Die Richtlinie für die mehr als vier Millionen ukrainischen Vertriebenen in der EU wurde mehrfach verlängert, zuletzt beschloss der EU-Rat im Herbst 2023 eine Fortsetzung bis 2025.1 Damit ist die Höchstdauer von drei Jahren, wie sie in der Richtlinie festgelegt ist, erreicht. Der vorübergehende Schutzstatus endet aus jetziger Sicht am 4. März 2025.2 Was sich für Ukrainer:innen in Österreich dann ändert, steht noch nicht fest.
Eine Möglichkeit wurde im April 2024 im Ministerrat diskutiert: Die österreichische Regierung kündigte an, sie wolle die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ auch Ukrainer:innen ausstellen. Der freie Zugang zum Arbeitsmarkt soll ihnen so weiterhin erhalten bleiben. Um die Karte zu beantragen, ist es allerdings notwendig, innerhalb von zwei Jahren bereits zwölf Monate lang gearbeitet zu haben. Dabei muss man ein durchschnittliches Netto-Einkommen von mindestens 1.200 Euro erhalten haben.3 Das sei nur bei einem kleinen Teil der in Österreich lebenden Ukrainer:innen der Fall, kritisierte etwa die Caritas. Die „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ sei ein guter Schritt, müsse aber ein Teil einer umfassenden Lösung sein.4 Die Regierung erwartet sich durch die Karte Verbesserungen für circa 7.000 der knapp 50.000 vertriebenen Ukrainer:innen in Österreich im erwerbsfähigen Alter.5
Schon seit zwei Jahren können Ukrainer:innen in Österreich einen Ausweis für Vertriebene beantragen, auch bekannt als “Blaue Karte”.6 Damit verbunden sind Krankenversicherung, Arbeitserlaubnis und eine Grundversorgung, die ein Quartier und Taschengeld, etwa für Verpflegung, beinhaltet. Arbeiten ist für Bezieher:innen der Grundversorgung nur bis zu einer gewissen Zuverdienstgrenze möglich.7 Verdient man zu viel, riskiert man die Grundversorgung oder die Unterkunft zu verlieren. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) schlug in der Vergangenheit bereits vor, bei den Vertriebenen von der Grundversorgung auf Sozialhilfe umzusteigen.8
Die bildende Künstlerin Valeriia Lysenko lebt seit November 2022 in Graz und konnte bereits zahlreiche Projekte realisieren. Eine ihrer künstlerischen Arbeiten war bereits auf der Titelseite der Kleinen Zeitung zu sehen. Nach einem dreimonatigen Aufenthalt in Wien ist auch Svitlana Zhytnia, Digital Media Künstlerin, im Sommer 2022 nach Graz gezogen. Ähnlich wie Valeriia verfügt auch sie über ein ausgeprägtes Netzwerk in der Kunst- und Kulturszene.
Im Folgenden sprechen die Künstlerinnen Valeriia und Svitlana von der doppelt prekären Arbeitssituation als Künstlerin mit Vertriebenenstatus in Österreich und den damit verbundenen Zukunftsängsten.
Wovon lebt ihr gerade als Künstlerinnen, wie verdient ihr Geld?
Svitlana: Es ist besser als gedacht. Als ich die Ukraine verlassen habe, wollte ich nur den Bomben entkommen. In Österreich fand ich nicht nur Zuflucht, sondern konnte auch künstlerisch wachsen. Üblicherweise suche ich um unterschiedliche Förderungen von Bund, Land und Stadt an. Dadurch werden Projekte realisier- und benötigtes Material leistbar. Ich bin ständig auf der Suche nach Kooperationspartner:innen und Netzwerken. Manchmal sind die Honorare höher, manchmal geringer. Im Frühling, Sommer und Herbst hat meine Branche beispielsweise Hochsaison.
Valeriia: Ich stimme vollkommen zu, dass wir Künstler:innen über kein stabiles Einkommen verfügen. Arbeitsintensive Phasen mit vielen Projekten gleichzeitig und projektarme Phasen wechseln einander ab. Meine Haupteinnahmequellen sind Residencies, aktuell beziehe ich beispielsweise ein dreimonatiges Stipendium – das hätte es in der Ukraine nicht gegeben. Künstlerische Arbeiten und Print-Experimente sind dadurch leistbarer. Ich bewerbe mich für viele Ausschreibungen, Stipendien, Zuschüsse und Ausstellungen. Außerdem beteilige ich mich an Workshops und verkaufe meine künstlerischen Arbeiten.
Welches Thema beschäftigt euch gerade?
Valeriia: Die Zukunft bzw. das kommende Jahr beschäftigen mich sehr. Es ist noch unklar, wie es nach dem Ende der Vertriebenen-Richtlinie weitergehen wird, die gilt vorerst nur bis März 2025. Das bereitet mir Angst.
Was wünscht ihr euch, was soll sich ändern?
Svitlana: Ich hoffe und wünsche mir, dass wir Ukrainer:innen auch nach dem Ende der Vertriebenen-Richtlinie weiterhin Unterstützung in Österreich erhalten. Vor allem, weil ich nicht glaube, dass der Krieg in der Ukraine nächstes Jahr enden wird. Sicherheit für ein Leben in der Ukraine wäre aus aktueller Sicht nicht gewährleistet. Valeriia kann beispielsweise nicht zurück nach Mariupol, da die Stadt besetzt und zerstört ist.
Valeriia: Dort habe ich kein Zuhause mehr. Durch die Zerstörung und den Krieg wurden meine Wurzeln gekappt. Vorhandene Arbeit und eine kleine Wohnung erlauben es mir jedoch, in Österreich „anzukommen“.
Svitlana: Ich bin auch davon überzeugt, dass Ukrainer:innen einen wichtigen Beitrag für die gesellschaftliche Entwicklung in Österreich leisten können. Viele talentierte Künstler:innen aus der Ukraine bereichern die österreichische Kunst- und Kulturszene, was auch wertgeschätzt wird.
Also wollt ihr in Österreich bleiben, auch wenn der Krieg hoffentlich bald endet?
Valeriia: Ja, da auch ein Großteil meiner Familie und Freund:innen nicht mehr in der Ukraine beheimatet ist und aktuell in unterschiedlichen Ländern lebt. Ich habe hier noch kein Heimatgefühl, dennoch fühlt sich Graz immer stärker nach einem Zuhause an.
Svitlana: Wegen meiner Familie würde ich neben Österreich auch gerne in der Ukraine leben. Regelmäßiger physischer Kontakt zu meiner Mutter, meinem Bruder und meinen Nichten wäre mir wichtig. In Österreich gibt es jedoch mehr Möglichkeiten, mich als Künstlerin weiterzuentwickeln als beispielsweise in einem Nachkriegsland, in welchem Kunst nicht an erster Stelle steht.
Das Leben als Künstlerin kann sehr herausfordernd sein. Was treibt euch dabei an?
Svitlana: Nachdem ich in der Vergangenheit in unterschiedlichen Professionen und Bereichen tätig war, realisierte ich, dass genau das meine Leidenschaft ist – bei Musikveranstaltungen, unabhängig vom Genre zu arbeiten. Damit habe ich für mich den Sinn des Lebens gefunden.
Valeriia: Ist man im Kunst- und Kulturbereich tätig, dann gibt es keine Grenzen. Dadurch ist es möglich, persönlich und beruflich zu wachsen. Es ist nicht immer leicht, aber die damit verbundenen Tätigkeiten und Herausforderungen sind unglaublich spannend.
- Flüchtlinge aus der Ukraine: EU-Mitgliedstaaten vereinbaren Verlängerung des vorübergehenden Schutzes – Consilium (europa.eu)
- siehe Artikel 4 & 6 sowie Ukraine: Europäischer Rat verlängert Vorübergehenden Schutz bis 04.03.2025 – Berlin hilft! (berlin-hilft.com) sowie Flüchtlingskoordinator Achrainer: Ukraine-Vertriebene im Wartedilemma (profil.at)
- https://www.diepresse.com/18354025/rot-weiss-rot-karte-plus-steht-kuenftig-ukraine-fluechtlingen-offen (10.04.2024 APA0221); Regierung öffnet Arbeitsmarkt für bereits beschäftigte Vertriebene aus Ukraine zur Gänze – Inland – derStandard.at › Inland
- Caritas: Umstieg auf regulären Aufenthaltstitel für ukrainische Vertriebene bleibt für den Großteil der Vertriebenen ungeklärt: Caritas Österreich
- siehe Fußnote 3
- Blaue Karte: Ausweis für Vertriebene » alle Infos | AMS; Produktionsstart der Karte für Ukraine-Vertriebene (bmi.gv.at)
- Ukraine: Caritas hilft Flüchtlingen in der Steiermark: Caritas Steiermark (caritas-steiermark.at)
- Grundversorgung wird zum Integrationsproblem für Ukraine-Geflüchtete – Arbeitsmarkt – derStandard.at › Wirtschaft
Office Ukraine Innsbruck
House of Europe
Die Europäische Union unterstützt den ukrainischen Kultursektor bereits seit vielen Jahren. Eine Vielzahl von Institutionen, Initiativen, Plattformen, Unternehmen und Einzelpersonen arbeiten täglich daran, kreativen Menschen in den Bereichen Kultur und Bildung Möglichkeiten zu bieten und Brücken zwischen der Ukraine und Europa zu bauen. Eines dieser Projekte ist House of Europe. Im Dezember 2023 hatten wir die Gelegenheit, mit ihnen über ihre Aktivitäten zu sprechen.
Franziska Simon – Leiterin des Programms
Ilona Demchenko – Managerin Internationale Zusammenarbeit und InfrastrukturförderungenE-Mail: ask@houseofeurope.org.ua
Anschrift: Vul. Lavrska 16 L, 01015 Kiew, Ukraine
Was ist House of Europe?
Franziska Simon: House of Europe ist ein EU-finanziertes Projekt, das 2019 ins Leben gerufen wurde und seitdem vom Goethe-Institut Ukraine umgesetzt wird. Es zielt darauf ab, Ukrainer:innen, die in den Bereichen Kultur, Bildung, Kreativwirtschaft, junge Medien und soziales Unternehmer:innentum tätig sind, mit ihren Kolleg:innen in der EU zu vernetzen, den fachlichen und kreativen Austausch zu fördern und die Kapazitäten der in diesen Bereichen Tätigen auszubauen. Meines Wissens war es 2019 das größte Projekt zur Förderung von Kultur, Kreativwirtschaft und Bildung, das die EU jemals außerhalb der EU initiiert hat.
Wie sah das Konzept am Anfang aus und wie hat es sich im Laufe der Zeit verändert?
Ilona Demchenko: Es gab ein Programm namens Culture Bridges, das 2015/2016 vom British Council ins Leben gerufen wurde und das Fördermittel und Capacity Building für den Kultur- und Kreativsektor in der Ukraine bot, als die Gespräche über die Stärkung der Beziehungen zwischen der Ukraine und Europa konkreter wurden. Es war das erste große Förderprogramm für ukrainische Kulturprojekte. Als wir mit der Entwicklung von House of Europe begannen, konnten wir auf den Erfahrungen aus diesem Programm aufbauen.
Ilona betont, dass House of Europe im Laufe der Zeit viel über die Bedürfnisse seiner Zielgruppe gelernt hat. Dementsprechend hat sich das Projekt als Reaktion auf das Feedback der Förderempfänger:innen und Teilnehmer:innen ständig weiterentwickelt.
Ilona: Das Projekt kann und wird sich anpassen, und ich denke, dass diese Flexibilitäteine große Stärke darstellt.
Franziska: Über die Jahre konnten wir eine Struktur aufbauen, die Flexibilität ermöglicht. Als Covid kam, hat das Projekt seine Strukturen genutzt, um mit der Situation umzugehen, und das hat uns auch nach dem 24. Februar 2022 geholfen. So konnten wir zum Beispiel 1,5 Millionen Euro für die Soforthilfe für unsere Partner:innen und Zielgruppen umwidmen.
Wie hat sich House of Europe nach der Eskalation des Krieges durch Russland verändert?
Ilona: Die Sache ist die, dass dieses Projekt von der EU finanziert wird. EU-Förderprogramme sind nicht gerade für ihre Flexibilität bekannt und ich war sehr beeindruckt, dass wir weitermachen konnten. Das war eine Geste, die viel über die zugrunde liegenden Werte aussagt. Sowohl uns als auch unseren Partner:innen wurde eine gewisse Flexibilität zugestanden. Zum Beispiel wurden unsere Stipendiat:innen, die das Geld vor der vollständigen Invasion erhalten hatten, gefragt, ob sie das Geld behalten wollen, um weiter an dem Projekt zu arbeiten, oder ob sie es lieber zurückgeben wollen. Und einige Leute wollten die Projekte trotz des Krieges wirklich durchführen.
Wir hatten Stipendiat:innen in Mariupol, die nicht nur selbst fliehen konnten, sondern auch vielen anderen geholfen haben, die Stadt zu verlassen, was sehr beeindruckend ist.
Und im ersten Jahr der großangelegten Invasion konnten wir auch eine Reihe interessanter Projekte unterstützen. Wir haben das internationale Dokumentarfilmfestival für Menschenrechte DocuDays UA bei der Archivierung von Videos über Kriegsverbrechen unterstützt. Ein weiteres Beispiel ist ein Programm zur Unterstützung von Müttern, die in Luftschutzkellern entbunden haben. Und natürlich haben wir bei der Evakuierung von Museumssammlungen aus den am stärksten betroffenen Regionen geholfen. Die Menschen haben so viele mutige Dinge getan, um Kunst zu retten, und wir sind froh, dass wir dazu beitragen konnten.
Franziska: Es war so beeindruckend, die Stipendiat:innen zu sehen, die zu Beginn des großflächigen Krieges gesagt haben, dass sie ihre Projekte weiterführen wollen. Das war ein Symbol des Widerstands. Und auch zu sehen, wie schnell sich die Menschen an die Situation angepasst haben und wie schnell sie zum Beispiel von Kulturarbeit auf Freiwilligenarbeit und Nothilfe umgestiegen sind. Es war beeindruckend, wie schnell sie sich organisiert haben.
Wie sieht aus der Sicht von House of Europe die Situation der ukrainischen Künstler:innenin der Ukraine derzeit aus?
Ilona: Es gab eine große Mobilität sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes. Bei den männlichen Künstlern ist die Situation natürlich anders. Einige von ihnen sind zur Armee gegangen, andere nicht, sind aber trotzdem in der Ukraine geblieben. Einige von ihnen waren außerhalb des Landes, als der großangelegte Krieg ausbrach, und je nachdem, wie sie ihre Rolle in der aktuellen Situation sahen, entschieden sie sich, zurückzukehren oder nicht.
Die Arbeit im Kunst- und Kulturbereich kann sehr prekär sein. Die meisten Künstler:innen hatten keine festen Verträge, und natürlich spüren sie die finanzielle Instabilität sehr stark. Andererseits gibt es jetzt mehr Möglichkeiten für sie, weil auch in der EU mehr Interesse an Kunst aus der Ukraine besteht. Es gab eine ganze Reihe von Ausstellungen, die sich mit dem Krieg auseinandergesetzt haben.
Die Zusammenarbeit ist aktiver geworden, würde ich sagen. Diese ohnehin schon turbulenten Zeiten sind also für Künstler:innen gerade jetzt besonders turbulent.
Und natürlich beeinflusst der Krieg die Themen, die in der Kunst behandelt werden. Auf der einen Seite gibt das, was jetzt passiert, vielen Künstler:innen mehr Material, mit dem sie arbeiten können, auf der anderen Seite sehe ich, dass viele von ihnen sehr bedrückt sind, aber einige von ihnen arbeiten immer noch, selbst unter den gegenwärtigen Umständen.
Franziska: Das Interesse an ukrainischer Kunst und Kultur war und ist tatsächlich größer als früher. Das hat der ukrainischen Kunstszene Auftrieb gegeben. Gleichzeitig kann es für ukrainische Künstler:innen in der Ukraine schwierig sein, an Fördermittel zu kommen. Deshalb sind die Programme von House of Europe zur Unterstützung von Künstler:innen und Kreativen so wichtig für die Ukrainer:innen. Und ich denke, es ist jetzt noch wichtiger als im letzten Jahr, ukrainische Kunst im Ausland zu präsentieren, denn leider lässt die Aufmerksamkeit der EU-Länder und anderer Länder etwas nach. Für die Ukraine, für ukrainische Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen ist es sehr wichtig, weiterhin Kunst und Kultur aus der Ukraine und die ukrainische Perspektive zu zeigen.
Mich würden auch Einblicke in die Kommunikation mit den Künstler:innen interessieren. Was brauchen sie? Wie gehen die Institutionen in der EU auf ihre Bedürfnisse ein? Und was sind die häufigsten Fragen zur europäischen Kunstszene?
Ilona: Ich würde sagen, dass sich die Bedürfnisse inhaltlich nicht geändert haben. Es besteht immer Bedarf an finanziellen Mitteln, an neuem Wissen und an neuen Kontakten. Diese Dinge wurden vor und nach der großangelegten Invasion benötigt. Ich denke, sie werden jetzt noch dringender gebraucht. Wir sprechen hier nicht über Interessen, sondern über Bedürfnisse. Die Situation für viele Menschen hat sich verändert, sie ist nicht stabil. Die Nachfrage ist groß, und das hängt auch mit der wirtschaftlichen Lage in der Ukraine zusammen.
Zu den häufig gestellten Fragen gehört der Wunsch nach mehr Informationen, zum Beispiel darüber, wie man in anderen Ländern an Fördermittel kommt. Das Netzwerk wächst wirklich, und das ist eines der positiven Ergebnisse der Situation. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, dass die Lage sehr trist ist, aber diese Entwicklung wird für die Menschen in Zukunft nützlich sein.
Welches Feedback erhalten Sie von den Künstler:innen nach Abschluss der Programme? Was sind ihre Pläne? Wollen sie in Europa bleiben oder in die Ukraine zurückkehren?Franziska: Die Teilnehmer:innen schicken uns Berichte über ihre Aktivitäten und ihre Pläne für die Zukunft. Nicht alle unsere Programme sind in der EU, die meisten sind in der Ukraine oder für diejenigen, die in der Ukraine leben. Viele Teilnehmer:innen, die sich für Programme in der EU beworben haben, sagen, dass sie die Möglichkeit hatten, entweder neue Kontakte in der EU zu knüpfen oder alte wieder aufleben zu lassen.
Ilona: Ich denke, es ist wichtig zu sagen, dass wir keine Programme für längere Auslandsaufenthalte haben. Soweit wir wissen, sind die meisten Teilnehmer:innen wieder in die Ukraine zurückgekehrt. Wir wissen natürlich, dass Künstler:innen, die jetzt im Ausland sind, sehr oft mit Projekten zusammenarbeiten, die in der Ukraine durchgeführt werden.
Wir sehen zum Beispiel, dass viele europäische Organisationen, die im Kulturbereich arbeiten, Ukrainer:innen einstellen, die länger in ihrem Land bleiben, also funktioniert diese Diffusion. Ich frage die Leute oft auf persönlicher Ebene, ob sie bleiben oder zurückkommen wollen, und was ich bisher gelernt habe, ist, dass sie diese Frage zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten können. Sie wissen es nicht. Genauso wie wir nicht wissen, ob wir bleiben werden oder nicht. Diese Art von Emigration ist nicht freiwillig. Ich denke, dass wir in Zukunft, wenn der Krieg vorbei ist, etwas anbieten können. Es werden noch viel mehr Menschen zurückkehren, auch diejenigen, die jetzt denken, dass sie es nicht tun werden. Diese Ungewissheit ist das Schwierigste.
Was sind die Pläne von House of Europe für die Zukunft?
Franziska: Wir werden weiterhin unsere Programmlinien umsetzen. Stipendien für Einzelpersonen, Übersetzungsstipendien, Mobilitätsförderung, Unterstützung der kulturellen Infrastruktur, internationale Kooperationsprojekte, Workshops für Kulturschaffende und Menschen aus dem Bildungsbereich, Konferenzen, Aktivitäten für unsere Alumni-Community. Wir werden auch ein Programm zur Unterstützung von Unternehmen aus der Kreativwirtschaft starten und die Organisation kleinerer Festivals in den Regionen wieder aufnehmen.
House of Europe ist in der Ukraine zu einem sehr bekannten Projekt geworden. Es verfügt über mehrere Social-Media-Kanäle und Interessierte können uns auf Facebook, Telegram und Instagram folgen. Wir haben auch einen YouTube-Kanal, auf dem wir relevante Videos über unsere Arbeit und unsere Stipendiat:innen zeigen. Und ein Newsletter mit Informationen über unsere Programme und andere relevante Angebote anderer Organisationen wird einmal pro Woche verschickt und hat über 15.000 Abonnent:innen. In den sozialen Medien haben wir über 55.000 Follower:innen und nutzen unsere Reichweite nicht nur für die Bewerbung unserer eigenen Programme.
Einer der Schwerpunkte von House of Europe in diesem Jahr sind Initiativen zur Förderung des Kulturerbes in der Ukraine.
In dieser Situation ist das Kulturerbe besonders gefährdet, beschädigt oder gänzlich verloren. Dies erfordert wirklich Aufmerksamkeit, und da es auch einer der Schwerpunkte der Europäischen Union ist, treffen sich die Bedürfnisse und Interessen beider Seiten. Wir werden einige Stipendien vergeben, um Menschen zu unterstützen, die sich in ihrer Arbeit mit Museumssammlungen beschäftigen. Wir wollen Menschen, die an Themen im Zusammenhang mit dem Kulturerbe arbeiten, mit Expert:innen in der EU zum Austausch und Wissenstransfer zusammenbringen.
Wir haben bereits Partner:innen von Europeana, die im letzten Jahr mit uns zusammengearbeitet haben. Es handelt sich um eine Initiative, die sich auf die Digitalisierung des Kulturerbes in der EU konzentriert.
Im Jahr 2022 haben wir einen Online-Hackathon für Projekte zu verschiedenen kulturellen Themen organisiert, an dem mehr als 1000 Menschen teilnehmen wollten. Wir haben Aktivist:innen, die bereit sind, mehr zu tun, und wir hoffen, den Hackathon mit neuen Themen, neuen Leuten, neuen Expert:innen und neuen Ideen zu wiederholen.
Franziska: Und natürlich hoffen wir, dass wir das Projekt auch nach 2024 weiterführen und ausbauen können.
Vielen Dank für das Interview!
Interviewerin: Anastasiia Diachenko / Office Ukraine
Office Ukraine Wien
toZOMIA – ein Kunstprojekt, das versucht Kriegstraumata zu lindern
Diese Ausgabe unseres Newsletters ist Projekten für ukrainische Familien und Kinder gewidmet. Seit dem Beginn des großflächigen Einmarsches in die Ukraine sind Zehntausende Frauen mit Kindern nach Österreich gekommen. Eines der größten Probleme war der Zugang zu Schulen, Kindergärten und die Fortsetzung ihrer Ausbildung. Und obwohl viele ukrainische Schulen weiterhin aus der Ferne betrieben wurden, war es nicht einfach, sich Wissen anzueignen und sich in einem fremden Land niederzulassen. In verschiedenen österreichischen Städten entstanden unabhängige Projekte, die sich mit diesen Problemen auseinandersetzten. Der Kunstraum toZOMIA ist eines von ihnen.
Jeden Mittwoch treffen sich Kinder und Erwachsene aus der Ukraine in dem kleinen, aber gemütlichen toZOMIA-Kunstraum in Wien. Die Eltern bringen ihre Kinder zum Zeichnen, Malen und zu anderen Workshops. Bevor die Meisterkurse beginnen, werden Tische gerückt, Stühle und Sessel aufgestellt. In wenigen Minuten füllt sich der Raum mit Kinderstimmen. Während die Kinder plaudern, unterhalten sich die Erwachsenen über ihre eigenen Angelegenheiten, jemand schenkt Tee ein, jemand teilt Kontakte zu einem Friseur mit, jemand wartet, bis sie / er an der Reihe ist, eine:n Psychotherapeut:in aufzusuchen. Auf den ersten Blick scheint alles ein wenig chaotisch, aber alles hat seine eigene innere Logik. Anna Snisar arbeitet mit Erwachsenen, Diana Podgorna mit den jüngsten Kindern, Olga Zhurakovska mit älteren Kindern, und Marianna Galytska nimmt eine:n Besucher:in zu einer Therapiesitzung in einem separaten Raum im Obergeschoss mit. Sie alle kamen nach dem 24. Februar 2022 nach Wien.
Vom Anfang des toZOMIA-Projekts
Katerina Kolesnikova, eine Mutter von drei Kindern, kam am dritten Tag der Invasion aus Tscherkassy nach Wien. Sie sagt, sie komme regelmäßig zu toZOMIA, weil sie hier ein Ventil, Gesellschaft und kreative Energie finde. Ihre Kinder haben bereits Freundschaften mit Gleichaltrigen geschlossen, und Katerina tauscht sich mit anderen Müttern darüber aus, wo sie einen guten Arzt, ein Geschäft oder einen Salon für eine Maniküre finden.
Die Künstlerin Anna Khodorkovskaya, eine der Initiatorinnen des Projekts und Mitglied des toZOMIA, sprach über die ersten Tage der Initiative. Zu Beginn der groß angelegten Invasion ging Anna regelmäßig zum Hauptbahnhof und half Flüchtlingen aus der Ukraine mit Übersetzungen. Sie diskutierte mit ihren Kolleg:innen vom Solidaritätskollektiv darüber, wie man den Menschen in dieser Situation besser helfen könnte.
„Mir fiel auf, dass viele Frauen mit Kindern ankamen. Zuerst dachten wir, wir würden nur Workshops machen und ich würde übersetzen, aber dann beschlossen wir, ein Gemeindetreffen zu veranstalten und die Menschen zu fragen, was sie in dieser Situation brauchen. Zum ersten Treffen kamen über hundert Menschen mit Kindern. Es war ein totales Chaos, jemand bat darum, eine Matratze zu verschieben, jemand brauchte einen Wasserkocher und ein Bett. Zu dieser Zeit gab es keine Schulen und Kindergärten, die ukrainische Kinder aufnahmen. Und eine Mutter sagte, es wäre toll, mit einem Psychologen zu sprechen. Wir beschlossen, diese beiden Formate zu kombinieren: Psychotherapie und Kunstunterricht“, sagt Anna.
Aktivitäten für Kinder und Erwachsene
Das toZOMIA-Projekt hat eine künstlerische und eine soziale Ausrichtung. Seine Gründer:innen und aktiven Teilnehmer:innen sind Irene Lucas, Christoph Euler, Barbara Eichhorn, Antoine Effroy und Anna Khodorkovskaya. Anfangs lief alles auf ehrenamtlicher Basis, später bekam das Projekt Sponsor:innen von solidarity matters.
Einer der Gäste des ersten Treffens empfahl die Künstlerin Anna Boyko aus der Stadt Bila Tserkva, die früher Kurse für Kinder geleitet hat, später aber in die Ukraine zurückgekehrt ist. Marianna Galytska, eine Psychologin aus Odesa, wurde in einer der zahlreichen Freiwilligengruppen auf Telegram gefunden. Sie begann, Gruppen für Erwachsene zu leiten.
Mit der Zeit begann das Projekt zu wachsen und neue Kunstpädagog:innen anzuziehen. Einige von ihnen wurden über den Telegram-Kanal Office Ukraine gefunden. Alle Besucher:innen von toZOMIA kommunizieren über eine Gruppe in Telegram miteinander, inzwischen sind es mehr als 300 Teilnehmer:innen.
Die Gemeinschaft des Hauses Gleis 21, in dem sich toZOMIA befindet, stellt eine Bibliothek für therapeutische Sitzungen zur Verfügung, der Künstler Ulrich Jordis stellt zeitweise sein Atelier für Workshops zur Verfügung. Dort hat die neu gegründete ukrainische Kreativgruppe Der Treffpunkt aus dem toZOMIA Kunstraum zusammen mit Anna Khodorkovskaya Mosaikbänke hergestellt, die später in der Ausstellung Über das Neue im Belvedere 21 gezeigt wurden.
Bleiben oder zurückkehren?
Marianna Galytska, promovierte Psychologin, kam am 7. März 2022 gemeinsam mit ihrem Sohn aus Odesa nach Wien. Um nicht untätig zu sein, beschloss sie, therapeutische Gruppen zur Traumabearbeitung zu leiten, eine Aufgabe, die sie über ein Jahr mit etwa zwanzig regelmäßigen Teilnehmer:innen ausübte. Nach der Sommerpause kam die Gruppe nicht mehr zusammen, was Marianna als Zeichen dafür wertet, dass die Arbeit gut gemacht wurde, auch von den Teilnehmer:innen. Marianna arbeitet jetzt als Einzeltherapeutin und betreut zwei Personen einmal pro Woche, aber alle Plätze sind schon Monate im Voraus ausgebucht.
„In der Therapiegruppe haben wir viel geweint, viel erzählt, wer uns verlassen hat und wie, warum und wie wir hierher gekommen sind. Mit der Zeit sind diese Anfragen aber ausgeblieben, und ich treffe nur noch äußerst selten Klient:innen, die mir erzählen, wie sie weggegangen sind. Die häufigsten Anfragen beziehen sich auf die Anpassung. Die beliebteste Frage ist „Was tun?“, „Bleiben oder zurückkehren?“. Im Allgemeinen kann man die Menschen in diejenigen einteilen, die ein Leben haben, einige Verbindungen, Arbeit, und es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, zurückzukehren. Der zweite Teil sind Menschen, die eigentlich kein Leben haben, sondern nur auf etwas warten. Das sind Menschen, die nicht Deutsch lernen, nicht nach einem Job suchen. Nicht, weil sie schlecht oder faul sind, sondern weil sie sich nur zu Hause in der Ukraine sehen.
Viele Fragen beziehen sich auf die Kinder. Was tun, wenn die Familie in Österreich, der Ehemann in der Ukraine und die Familie so lange getrennt ist? Außerdem sind viele Frauen alleinstehend, sie stehen vor der Frage, wie sie ihr persönliches Leben hier organisieren sollen. Ob man jemanden wie mich sucht oder versucht, eine andere Kultur zu verstehen, ist eine Frage der Mentalität“, erzählt Marianna.
Arbeit mit posttraumatischen Belastungen
Die Psychotherapeutin stellt fest, dass mehr als 80 Prozent der ukrainischen Bevölkerung in der Kriegssituation traumatisiert wurden, ein Trauma für diese und die nächste Generation. Die Menschen hatten zu Beginn der Invasion eine akute Belastungsstörung, aber das Trauma ging nicht weg, sondern wurde chronisch, also geht es darum, mit posttraumatischen Belastungen zu arbeiten. „Man kann Menschen mit Kunst helfen, aber man kann sie nicht vollständig heilen. Auch eine Psychotherapie kann manchen Menschen helfen, aber nicht allen. Aber ich sehe, dass es denjenigen, die regelmäßig hierher kommen, besser geht“, sagt Marianna. Sie empfiehlt eine Psychotherapie und stellt fest, dass es umso schwieriger ist, eine psychische Belastung zu beheben, je länger sie andauert.
„Eine Mutter, die sich in einem schwierigen emotionalen Zustand befindet, wirkt sich definitiv auf ihr Kind aus. Es ist auch wichtig, die Quelle seiner Ressourcen zu finden, es kommt ein Punkt, an dem wir anfangen, auf Reserve zu leben, wir geben nur Energie aus, bekommen sie aber nicht zurück. Man muss etwas für sich selbst finden, aus dem man Ressourcen schöpfen und Energie bekommen kann, damit man die Kraft hat, weiterzumachen“, sagt die Psychotherapeutin. Kreativität und die Möglichkeit, ihre Emotionen nonverbal auszudrücken, werden für manche Menschen zu einer solchen Quelle.
Anna Snisar aus Charkiw sagt, dass Zeichnen immer auch Psychotherapie ist. Während des Unterrichts beruhigen sich sogar Erwachsene und ändern ihre Stimmung. „Hier malen wir mit Wasserfarben, andere Materialien sind teuer. Und der Zweck des Unterrichts ist es, die Eltern zu beschäftigen, während sie darauf warten, dass ihre Kinder den Kunstunterricht beenden. Zu uns kommen Menschen, die der Kunst nicht gleichgültig gegenüberstehen. Wir malen nicht nur, sondern reden auch viel, helfen uns gegenseitig mit Kontakten und wichtigen Informationen. Es ist ein Bereich, in dem man frei über verschiedene Themen reden kann“, sagt sie. Anna kam mit ihrem jüngsten Sohn hierher, während ihr Mann und ihr ältestes Kind in der Ukraine blieben. Sie war noch nie zuvor ins Ausland gereist. Der Umzug fiel ihr nicht leicht, aber sie ist Österreich dankbar für das Taschengeld, das sie mit ihrem Sohn erhält, und die Unterkunft, die sie über die Diakonie erhielt. In Charkiw leitete Anna ein Kunstatelier für Erwachsene. Sie möchte so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren, aber im Moment lebt sie in Wien. Hier fühlt sie sich, wie sie sagt, zu Hause.
Ein bisschen Ablenkung
Diana Podgorna aus Kyiv hat ihr ganzes Leben lang Möbel, Innenräume und Bauwerke entworfen. Nach Österreich kam sie durch einen Zufall. „Meine Kinder waren in den Ferien und sie wurden vom Krieg überrascht, als sie im Ausland waren. Meine Tochter war schwanger. Ich wollte nicht hierher kommen, aber als meine Tochter anrief und sagte, dass sie ins Krankenhaus musste, kam ich. Sie hatte schwierige Wehen, und anderthalb Monate lang half ich ihr mit einem anderen Kind. Als sie im Krankenhaus lag, sah sie auf Telegram eine Einladung zuZOMIA“, sagt sie. Dann erhielt sie einen Anruf von Anna Khodorkowskaja, und Diana begann, Kinder ab dem dritten Lebensjahr zu unterrichten. „Kreativität lenkt von negativen Gedanken ab. Hier können Kinder sich ausdrücken und lernen; wir unterdrücken nicht ihren Wunsch, ihre Kreativität zu zeigen. Am Anfang haben alle nur ukrainische Flaggen gemalt, dann hat sich der Fokus ein wenig geändert. Sie haben die Ukraine und das Grauen, das uns widerfahren ist, nicht vergessen, aber sie haben sich ein wenig ablenken lassen. Wir tun unser Bestes, damit sie sich davon erholen“, sagt Diana.
Olga Zhurakovska ist eine Künstlerin mit einer langen Geschichte. Ihr ganzes Leben war mit Kunst verbunden, aber mit dem Beginn der Invasion musste sie von Kyiv nach Wien ziehen. Wie viele toZOMIA-TeilnehmerInnen stellte auch sie ihre Arbeiten im Belvedere 21 aus. Olga glaubt, dass es in Österreich viel mehr Freiheit im Bereich der Kunst gibt, es gibt viele Ausstellungen, die zum Nachdenken anregen. In der Ukraine gibt es ihrer Meinung nach mehr Können, aber in der modernen Welt reicht Können allein nicht aus. Sie würde gerne öfter an Ausstellungen teilnehmen, sie malt ständig. In regelmäßigen Abständen kommen Künstler:innen zu toZOMIA, um Meisterkurse zu geben, in denen sie verschiedene Techniken erlernen kann.
Ein Raum für Aktivitäten
„Wir hatten eine Textilcollage mit Doroteya Petrova, ich hielt einen Workshop über Mosaike, Cristina Fiorenza über Keramik, Dasha Zaichanka fertigte Kopfbedeckungen aus Pappe an, Plakate zum Thema Klima, Irene Lucas gab einen Workshop über Solarküche, Maria Pylypenko über Zeichnen“, sagt Anna Khodorkovskaya. Dasha Zaichanka, eine Designerin und Illustratorin, hatte schon vor langer Zeit von dem Projekt erfahren und wollte einen Workshop für Kinder geben: „Ich schlug den Kindern vor, Masken, Hüte und Mützen aus Pappe zu basteln und sie zu bemalen. Zu dem Workshop brachte ich einige Variationen von Beispielen mit, was man alles machen könnte. Etwa zwanzig Personen nahmen an dem Workshop teil. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Die einen wollten das Beispiel exakt kopieren, die anderen haben sich etwas Eigenes ausgedacht, zum Beispiel einen Topfhut , einen Kürbis oder eine Rittermaske.” Dasha sagt, es sei nicht ihre Aufgabe, zu zeigen, wie man etwas macht, sondern den Kindern Raum und Zeit zu geben, ihre Ideen zu verwirklichen und ihnen die Möglichkeit zu geben, wilde und ungewöhnliche Dinge zu gestalten, und dafür sei Pappe ideal.
Nach Angaben der Organisator:innen wird sich das toZOMIA-Projekt je nach Situation weiterentwickeln. Sie sind bereit, sich den wechselnden Anforderungen der Besucher:innen anzupassen. Viele Menschen wollen, dass es weitergeht. Derzeit treffen sich hier jeden Mittwoch mehr als dreißig Menschen, die bereit sind, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Office Ukraine Graz
Ridna Domivka: Sich wie zuhause fühlen
Nora Reichhalter
Fremd in einem neuen Land, ohne eine Vorstellung davon, was die Zukunft bereithält. In einer neuen Umgebung ein Zuhauseschaffen: Für sich, für die Kinder, für die Familie. Dabei verkörpert das Konzept von zu Hause mehr als nur einen greifbaren Ort; es ist ein komplexes Geflecht aus physischen, emotionalen und sozialen Dimensionen.
Genau mit diesem Thema beschäftigt sich das Projekt HOME Residency Programm*), das in Kooperation mit den Kunstinstitutionen < rotor > aus Graz und 127 garage aus Charkiw entstanden ist. Die Initiative bringt fünf Künstler:innen aus der Ukraine mit fünf ukrainischen Künstler:innen, die in Graz leben und von Office Ukraine unterstützt werden, zusammen.
Der Grazer Verein Ridna Domivka stellt dem Programm seine Räumlichkeiten für Workshops zur Verfügung. Teilnehmer:innen dieser Angebote sind vertriebene Kinder und Familien aus der Ukraine. In den Workshops beschäftigen sie sich intensiv mit dem Thema HOME, reflektieren deren Bedeutung und tauschen sich dazu aus. Der Verein Ridna Domivka engagiert sich bereits seit dem Ausbruch des Krieges dafür, vertriebenen Müttern und ihren Kindern nicht nur materielle Hilfe, sondern auch eine Form von zu Hause zu bieten – einen Ort des Ankommens und der seelischen Unterstützung.
Die Gründung des Vereins geht auf fünf engagierte Frauen im Jahr 2020 zurück. Galyna Skotnik, die Obfrau des Vereins, erklärt: „Die ukrainische Community in Graz wurde immer größer, deshalb haben wir uns dazu entschlossen, einen Verein zu gründen.“
Der Name des Vereins, erklärt Galyna Skotnik, wurde mit Bedacht gewählt: „Wir wollten etwas Besonderes, das es in der deutschen Sprache nicht gibt. Das Attribut ‚Ridna‘ bedeutet in etwa lieblich. ‚Domivka‘ bedeutet in etwa Heim. Das muss jetzt nicht mit einem Haus assoziiert sein, es kann auch einfach ein Ort sein, wo du dich im Moment gut behütet und wohl fühlst. Und für die vertriebenen Ukrainer:innen ist das etwas, das ihnen natürlich fehlt, ihre Heimat ist irgendwo tausende Kilometer zurückgeblieben. Der Verein soll aber genau dieses Gefühl vermitteln.“
Mit dem Beginn der Invasion ist der Verein rapide gewachsen. Die Stadt Graz unterstützte Ridna Domivka durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten in der Annenstraße. Galyna Skotnik erinnert sich: „Für uns war sofort klar, dass wir den vertriebenen Menschen helfen müssen.“ In den Anfangsmonaten konzentrierte sich der Verein auf die dringend benötigten Sachspenden, die von Österreicher:innen zur Verfügung gestellt wurden. Doch bald schon erkannte Ridna Domivka, dass Graz bereits viele ähnliche Angebote hatte. Die Gründerinnen suchten nach einem neuen Weg, vertriebenen Ukrainer:innen zu helfen. Die Idee eines Malstudios entstand, zunächst nur für Kinder gedacht. Galyna Skotnik erklärt den Hintergrund: „Ich habe erfahren, dass sehr, sehr viele Kinder, vor allem diejenigen, die in einem städtischen Umfeld aufgewachsen sind, Malschulen in der Ukraine besuchten. Und es gab dann von den Eltern immer mehr Nachfragen, ob es solche Malschulen auch in Graz gibt.“
Die Kurse waren ein großer Erfolg. Mittlerweile bietet der Verein sechs Kurse für Kinder verschiedenen Alters an. „Die Malkurse sind für die Kinder ein Ort, wo sie kurz abschalten können. Von den Müttern wurde mir bestätigt, dass das Malen für die Kinder wie eine Therapie ist. So können sie das Erlebte kurz vergessen und ein bisschen Normalität erleben. Und das ist meiner Meinung nach auch eine Art von Schutz für die Kinder,“ erklärt die Vereinsobfrau. Über 70 Kinder zählt Ridna Domivka mittlerweile.
Doch auch Mütter erfahren Hilfe im Verein. „Wir haben sehr schnell gemerkt, dass die Menschen psychologische Beratung brauchen und dass sie diese auch suchen. Und das war in Graz sehr lange nicht in der Muttersprache ukrainisch möglich,“ erklärt Galyna Skotnik. In Kooperation mit dem Frauenservice Graz entstand ein psychologisches Angebot gemeinsam mit in der Ukraine ausgebildeten Psychologinnen. „In kürzester Zeit gab es sehr viel Nachfrage. Die Kolleginnen arbeiten intensiv, denn das Angebot wird wirklich gebraucht. Das ist dieser Schutz, den wir als Verein den Frauen und Müttern bieten können,“ so die Obfrau.
Doch manchmal ist es auch einfach das miteinander reden, sich austauschen, wonach sich die Mütter sehnen. Bei Kaffee und Kuchen können sich die Frauen in wöchentlichen Austauschtreffen unterhalten und mit Gleichgesinnten über Probleme oder Anliegen sprechen. Für viele Frauen sei es bereits eine große Entlastung, das Kind auch nur für eine Stunde abgeben zu können und einfach einmal Zeit für sich zu haben, erklärt Galyna Skotnik.
Die Aktivitäten im Verein sind breit gefächert und umfassen neben Malkursen auch Filmabende, Fitness und Tanz für Kinder und Frauen. Galyna Skotnik betont die Bedeutung dieser Angebote: „Für uns war es eben wichtig, dass wir so eine Art des Ankommens bieten. Dass die Menschen, die bei uns sind, einen Ort haben, wo sie hinkommen und sich wie Zuhause fühlen können.“
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*) Das HOME Residency Programm erforscht das Thema HOME als ein komplexes Konzept, das physische, emotionale und soziale Dimensionen verknüpft. Das Projekt bietet eine Plattform für künstlerischen Ausdruck, kulturellen Austausch und gesellschaftliches Engagement, um auf die Folgen des Krieges zu reagieren. Die künstlerischen Projekte, die im Rahmen des HOME Residency Programms entstanden sind, werden im Februar 2024 in 20 Leuchtkästen in Graz gezeigt.
Das HOME Residency Programm wird unterstützt von:
“Culture Helps” ist ein von der Europäischen Union kofinanziertes Projekt im Rahmen einer gezielten Ausschreibung zur Einreichung von Vorschlägen betreffend die Unterstützung vertriebener Ukrainer:innen und des ukrainischen Kultur- und Kreativsektors. Das Projekt ist eine Kooperation von Insha Osvita (UA) und zusa (DE).
Office Ukraine Innsbruck
„Für meine Kinder musste ich stark werden.“
Interview mit Oksana Radkevych
Oksana Radkevych, Künstlerin, Mutter und Vertriebene, verließ die Ukraine 2022, kurz nach Beginn des großflächigen russischen Angriffskriegs, und kam nach Österreich. „Der Beginn des Krieges hat jedem Menschen und jeder Familie das Grundbedürfnis, nämlich das Gefühl der Sicherheit, genommen.“ Der starke Wunsch oder, wie Oksana es ausdrückt, der Instinkt, ihre Kinder zu schützen, veranlasste sie, ihre vertraute Umgebung zu verlassen. „Damals schien es sicherer zu sein, in ein Land zu gehen, das man überhaupt nicht kannte, als in der Ukraine zu bleiben,“ erinnert sie sich.
Zunächst ging es darum, schnell zu handeln, da weder Raum noch Zeit für Analysen und Überlegungen vorhanden waren. „Mir scheint, dass der Instinkt, ‚die Kinder zu retten‘, so stark war, dass ich nicht zweimal überlegte, sondern mich einfach weiter von der Gefahr entfernte. Ich befand mich in einem emotionalen Zustand, der es mir nicht erlaubte, über mich selbst nachzudenken. Ich fühlte keine Müdigkeit, ich fühlte keine Traurigkeit und keine Sehnsucht nach meiner Familie, ja, ich kann sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt gar nichts fühlte.“
Nachdem sie die ersten Herausforderungen nach ihrer Ankunft in Österreich überwunden hatte, änderte sich die Situation jedoch. „Nach ein paar Monaten ließ der Stress nach, und erst dann brachte mich die Erkenntnis, dass ich meine Heimat und meine bisherige Lebensweise verloren hatte, in einen Zustand der Frustration. Für meine Kinder musste ich stark werden.“
Glücklicherweise traf sie in diesem schwierigen Moment Menschen, die ihr halfen, ein neues Leben in Innsbruck zu beginnen. Oksana erinnert sich gerne an Marina Biewald und das Team von Office Ukraine Innsbruck. Ihre beiden Kinder fühlten sich dank ihrer neuen Freund:innen schnell in ihrer neuen Umgebung zu Hause. „Für meine Kinder wird Österreich immer das Land ihrer Freunde sein. Gleich nach unserer Ankunft ging mein Sohn in die Schule. Ihm wurde zusätzlicher Deutschunterricht angeboten, was ihm half, sich schneller einzuleben. Er wurde dort mehr als nur freundlich empfangen, er fühlte sich nie fehl am Platz oder deprimiert, sondern hat im Gegenteil viele neue Freunde gefunden, mit denen er immer noch in Kontakt steht.“ Ihre Tochter kam ein paar Monate später in den Kindergarten. „Es fiel ihr schwer, sich an die neue Sprache zu gewöhnen, aber später wurde alles besser und sie fand auch eine Freundin.“
Einige Begegnungen haben sich zu Freundschaften entwickelt, erinnert sich Oksana: „Da meine Kinder sehr aktiv sind, lernten wir viele Menschen in unserer Nachbarschaft kennen und verbrachten fast alle unsere Ferien gemeinsam. Die Nachbar:innen vermittelten uns ein einzigartiges Gefühl von Geborgenheit und Heimat, indem sie uns in ihre Traditionen und Freizeitaktivitäten einschlossen.“
War es in dieser Situation noch möglich, über künstlerische Arbeit nachzudenken? „Zu Beginn meines Lebens in Österreich gab es überhaupt keine künstlerische Praxis“, erklärt Oksana. „Die Einsamkeit manifestierte sich in dem Gefühl, dass die Welt leer war und es keinen Grund mehr gab, in ihr zu leben. Das einzige, was in meinem Kopf widerhallte, war das Buch der Psalmen. Als Office Ukraine Innsbruck mir die Künstlerin Nora Schöpfer vorstellte, die mir mit Kunstmaterialien half, hatte ich das Bedürfnis, die Leere mit Psalmen zu füllen. Innerlich wusste ich, dass ich als Mutter hier in Österreich einen sinnvollen Raum schaffen musste, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange wir hier sein würden und was die Zukunft bringen würde. So wurde das Projekt Psalms geboren.“ Die Arbeiten aus dieser Serie wurden im August 2022 in der Galerie am Claudiaplatz präsentiert.
Um sich der Kunst widmen zu können, musste die zweifache Mutter zunächst finanzielle Probleme lösen: eine neue Wohnung anmieten, den Tanzunterricht ihres älteren Sohnes bezahlen und sich mit der unzureichenden staatlichen Zuwendung für Vertriebene auseinandersetzen. „All das hat mich sehr belastet, denn ein paar Monate lang lebte ich tatsächlich von Spenden fürsorglicher Menschen, für deren Unterstützung ich sehr dankbar bin.“ Die Beantragung eines Stipendiums für ukrainische Künstler:innen beim österreichischen Kulturministerium erforderte Geduld, aber das Ergebnis war positiv. Dank des Stipendiums und der Familienbeihilfe der österreichischen Regierung konnte sich Oksana auf ihre Kreativität konzentrieren, und in dieser Zeit entstand auch Blooming, der zweite Teil des Psalms-Projekts.
General Statement
Österreich versteht sich als ein weltoffenes Kulturland, in dem vielfältiges, experimentelles und kritisches Kunstschaffen stets willkommen ist. Die österreichische Kulturpolitik lässt sich dabei von einem demokratischen und solidarischen Weltbild leiten, in dem Künstler:innen ungeachtet ihrer nationalen Herkunft, sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Hintergrunds Respekt und die Chance verdienen, ihre Kunst frei und geschützt vom in der Verfassung garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung und in Einklang mit den gültigen Gesetzen zu schaffen. Keinen Platz hat jede Form von Diskriminierung, die diesen Grundsätzen zuwider läuft.
Office Ukraine ist Anfang März 2022 in diesem Geist entstanden. Gegründet auf Initiative des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport gemeinsam mit Vertreter:innen der österreichischen Kunstszene, versucht Office Ukraine seitdem, Künstler:innen und Kulturproduzent:innen, die aufgrund der großangelegten Invasion Russlands aus der Ukraine nach Österreich geflüchtet sind, zu helfen: mit Vernetzungsarbeit, Beratung, durch Zuhören, konkreten Support und mit Spenden. Alle Personen, die für Office Ukraine tätig sind, verurteilen aufs Schärfste den Angriffskrieg Russlands gegen das souveräne Land Ukraine und versuchen, den geflüchteten Kolleg:innen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln so gut es geht zu helfen. In allen Teams von Office Ukraine in Wien, Graz und Innsbruck arbeiten Menschen, die unterschiedliche Herkünfte und persönliche Historien haben.
Wir von Office Ukraine schätzen jede Unterstützung von Menschen, die der nach Österreich geflüchteten ukrainischen Kunst- und Kultur-Community nachhaltig helfen und Teil unseres Teams sein möchten – unabhängig von ihrer Herkunft. Alle Mitglieder der Teams von Office Ukraine in Wien, Graz und Innsbruck arbeiten ausschließlich in diesem Spirit und haben seit mehr als anderthalb Jahren mit ihren Aktivitäten bewiesen, dass sie immer das Wohl der ukrainischen Künstler:innen und Kulturproduzent:innen in Österreich verfolgen. Als eine in der österreichischen Kulturlandschaft verankerte Plattform orientieren wir uns in unserer Arbeit ausschließlich an demokratischen und solidarischen Werten und verurteilen jede Form von Diskriminierung und Gewalt. Mit Sorge beobachten wir Entwicklungen in der Kunst- und Kulturszene, die diesen Überzeugungen entgegenstehen und Gefahr laufen, kritische Reflexion und Austausch zum Schweigen zu bringen. Mit unserer Arbeit wollen wir einen Beitrag zu einer offenen, vielfältigen und kritischen Kulturszene in Österreich leisten, deren integraler Bestandteil mittlerweile auch viele ukrainische Kolleg:innen geworden sind. Unterstützen Sie uns darin!
Office Ukraine Wien
Initiativen für Kunststudent:innen aus der Ukraine
Als unmittelbare Reaktion auf den großflächigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellte die Universität für angewandte Kunst Wien für das Studienjahr 2022/23 Studienplätze für ukrainische Studierende, die zuletzt an einer künstlerischen Hochschule in der Ukraine studiert hatten, zur Fortführung ihres Studiums zur Verfügung.
Bernhard Kernegger, Vizerektor für Lehre: "Die Angewandte hat nach dem Ausbruch des Kriegs gegen die Ukraine einmalig 50 zusätzliche Studienplätze geschaffen, für die sich geflüchtete Studierende aus der Ukraine mit einem passenden aufrechten Studium bewerben konnten. Diese Studierenden sind nun vollwertige Studierende der Angewandten und werden auch nicht mehr separat betreut. Nach einer intensiven Anfangsphase, wo die Angewandte u.a. noch bei aufenthaltsrechtlichen Fragen beratend tätig war, sind diese Studierenden nun Teil der Angewandten geworden, wie alle anderen internationalen Studierenden auch."
Ruth Anderwald und Leonhard Grond, Professurteam des PhD in Art Programms an der Universität für Angewandte Kunst: "Für uns ist es wichtig, dass Künstler:innen Hilfe von Kunstinstitutionen und Kolleg:innen bekommen, damit sie Zugang zu dem bekommen, was sie aufrecht erhält, sei es in finanzieller, sozialer, emotionaler oder künstlerischer Hinsicht."
Aktuell sei, so Katharina Gschwandner, Assistentin im Vizerektorat, keine Wiederholung der zusätzlichen Aufnahme neuer Studierender für das heurige Studienjahr geplant; ob die ab 1. Oktober amtierende neue Rektorin Petra Schaper Rinkel Initiativen in dieser Richtung setzen wolle, stehe derzeit noch nicht fest.
(Informationsstand: Ende September 2023)
Befreiung vom Studienbeitrag für ukrainische Studierende
Als Drittstaatsangehörige fallen normalerweise für Studierende aus der Ukraine 726,72 Euro pro Semester an, das Doppelte des regulären Studienbeitrags. Für alle ukrainischen Studierenden an den 22 öffentlichen Universitäten und den 14 Pädagogischen Hochschulen in Österreich bleibt aber auch im Wintersemester des Studienjahr 2023/24 die bereits 2022 /23 erfolgte Befreiung von der Studienbeitragspflicht aufrecht, wie die Website des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) informiert. Dazu Bildungsminister Martin Polaschek: "Seit mehr als einem Jahr herrscht Krieg in der Ukraine, der unsägliches Leid für die ukrainische Bevölkerung verursacht hat. Das betrifft auch ukrainische Studierende in Österreich, die wir aufgrund des Krieges auch weiterhin finanziell entlasten werden."
Initiative der Akademie der bildenden Künste Wien für Studierende aus der Ukraine
Auch die Akademie der bildenden Künste in Wien unterstützt ukrainische Künstler:innen, die vor dem Krieg geflohen sind. Bislang haben 11 Ukrainer:innen an der Akademie studiert. Sie sind von den Studiengebühren befreit, können kostenlose psychologische Betreuung, finanzielle Soforthilfe, ein Stipendium für das zweite Studienjahr in Höhe von 6.000 EUR und andere Vergünstigungen erhalten, die auch anderen Studierenden zustehen. Es wurden spezielle Residenzen vergeben und das Ernst-Mach-Stipendium ausgeschrieben (dieses wurde 2022 auch einer ukrainischen Wissenschaftlerin zugesprochen, damit sie mit ihrer Tochter nach Wien kommen konnte).
Die Akademie unterstützt auch Künstler:innen, die nicht an der Akademie studieren. So wurde dieses Jahr in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Außenministerium das Stipendium A European Artists Solidarity Programme (ASoP) ins Leben gerufen. Es richtet sich an Künstler:innen, auch in der Ausbildung, aus den Transformationsländern östlich der Europäischen Union, deren künstlerische Entwicklung durch die politischen Umwälzungen unserer Zeit gefährdet ist. Erklärtes Ziel des Projekts ist es, exzellente Künstler:innen an ebenso exzellente Institutionen in Österreich zu vermitteln. Jedem Stipendiaten / jeder Stipendiatin wird ein:e Mentor:in zur Seite gestellt. Durch die Patenschaft kann den Stipendiat:innen eine persönliche und gezielte Betreuung angeboten werden. Der / die von der Jury ausgewählte Künstler:in erhält 13.000 EUR, inklusive Lebenshaltungskosten, Honorar und Materialien.
Foto: Anastasia Vasylchenko
Anastasia Vasylchenko, Kunstuniversität Linz
Mein Name ist Nastya und ich studiere an der Kunstuniversität Linz. Ich bin zufällig hierher gekommen. Mein Freund hat mir diese Universität empfohlen, als ich über ein Studium in Österreich nachdachte.
Bald darauf begann das Bewerbungsverfahren und ich bestand die Prüfungen. Der Professor, bei dem ich mich beworben habe, bat mich, bei den Unterlagen der Studierenden meines Fachbereichs zu helfen. Alle waren sehr freundlich.
Im Allgemeinen gefällt mir das Studium im Ausland viel besser, weil es hier mehr technische Möglichkeiten gibt. Da ich mich mit Keramik beschäftige, war mir eine Werkstatt wichtig, die Professor:innen, Brennöfen, und Zugang zu Materialien zur Verfügung stellen kann. Im Allgemeinen ist meine Universität sehr gut ausgestattet.
Der Hauptunterschied zu ukrainischen Universitäten besteht meines Erachtens darin, dass die Studierenden, die an die Universität kommen, bereits ihren eigenen Stil, ihre eigene Kunstauffassung und ihren eigenen Standpunkt haben. Und die Aufgabe der Lehrenden besteht in erster Linie darin, anzustoßen, zu leiten und Vorschläge zu machen. Es gibt keine Spiele im Sinne von "Wir ziehen dich an den Ohren und sagen dir, wie du richtig leben sollst"; die Einstellung ist eher: "Wenn Sie lernen wollen, werden wir Ihnen helfen."
Jedes Jahr vergibt die Universität im Rahmen eines Wettbewerbs Stipendien für interessante Projekte, für die sich jede:r bewerben kann.
Ich denke, dass man mit einem Studium in Österreich eine gute Basis und eine Chance hat, Künstler:in zu werden.
Der einzige Nachteil ist, dass man nach dem ersten Studienjahr Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 vorweisen muss.
Wenn es darum geht, Leben zu retten, ist für Bürokratie kein Platz
Veronika Dirnhofer, Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien
Viele Studierende und Lehrende an der Akademie der bildenden Künste Wien haben ihre Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck gebracht. Veronika Dirnhofer, eine Künstlerin und Professorin der Zeichenklasse, war eine der ersten, die die Ukrainer:innen unterstützte und ihre ganze Klasse dazu brachte, auf ungewöhnliche Weise Spenden zu sammeln. Die Studierenden veranstalteten eine Reihe von Partys, Ausstellungen und Auktionen in den Räumen der Kunstakademie und sammelten mehr als 20 000 Euro. Wir haben mit Veronika darüber gesprochen, wie eine große Institution dank individueller Initiative ihre Türen öffnen und Menschen in schwierigen Situationen unterstützen kann.
Eine der Präsentationen von ukrainischen Vortragenden: Foto: Veronika Dirnhofer
Bitte beschreiben Sie kurz die wichtigsten Veranstaltungen, Kampagnen und Initiativen, die Sie zur Unterstützung ukrainischer Künstler:innen in Österreich gestartet haben.
Durch die Initiative von Anna Khordorkovskaya veranstalten wir mit dem von mir gegründeten Verein Solidarity Matters seit über 15 Monaten wöchentliche Kindermalkurse und psychologische Betreuung von Erwachsenen.
Pavlo Makov, Lucy Ivanova und Lizaveta German wurden von mir zu Talks an die Akademie eingeladen. Ich hatte und habe ukrainische Studierende im Fachbereich. Die Studierenden des Fachbereichs Zeichnen an der Akademie haben im Frühjahr 2022 regelmäßig Benefiz-Bars organisiert und alle Einnahmen in der Höhe von 22.000 EUR wurden an gemeinnützige Hilfsorganisationen für Ukraine Hilfe gespendet.
Solidaritätsparty im Hof der Akademie. Foto: Veronika Dirnhofer
Sie haben viele Veranstaltungen und Initiativen zur Unterstützung ukrainischer Künstler:innen innerhalb der Akademie und darüber hinaus initiiert. Nur einige Professoren der Akademie taten dasselbe. Was war Ihre Motivation? Wie ist es Ihnen gelungen, den richtigen Rahmen und das richtige Format dafür zu finden?
Solidarität mit Menschen, die einen brutalen Angriffskrieg in ihrem Heimatland miterleben müssen. Großer Respekt vor Menschen, die soviel Leid aushalten müssen und Interesse an den unglaublich spannenden und begabten Künstler:innen, die ich mittlerweile kennenlernen durfte. Ich finde aber das, was ich mache, nicht erwähnenswert, aber ich möchte wirklich betonen, dass ich die Arbeit von Office Ukraine ganz beeindruckend und wichtig finde. Gratuliere Euch!
Wie ist es Ihnen gelungen, die Klasse an der Akademie zur Unterstützung heranzuziehen? Wie war die Reaktion der Studierenden? Haben Sie in der Klasse Gespräche und Diskussionen über den Krieg geführt?
Grundsätzlich gab es sofort großes Engagement – es gibt wie immer manche, die sich mehr einsetzen und andere weniger, aber insgesamt muss ich sagen, dass wir als Klasse einig und tatkräftig waren. Es gab manchmal auch unangenehm verunsichernde Situationen zwischen russischen Studierenden und Gästen aus der Ukraine. Aus meiner Sicht konnten wir aber immer im Gespräch bleiben. Wir haben auch immer wieder über den Krieg gesprochen und die Frage nach Waffenlieferungen hat zu Diskussionen geführt.
Haben Sie Hilfe von der Verwaltung / Management und dem Lehrpersonal der Akademie erhalten?
Nicht direkt – aber die Benefiz-Bars wurden am Schillerplatz in der Akademie veranstaltet und somit wurden wir durch den Raum sehr unterstützt.
Die ukrainischen Künstlerinnen Alina und Karina Haieva vor einer ihrer im Rahmen der Zeichenklasse entstandenen Arbeiten. Foto: Veronika Dirnhofer
Der Krieg ist leider immer noch im Gange. Werden einige unterstützende Maßnahmen fortgesetzt und müssen sie fortgesetzt werden? Was kann die Akademie für die ukrainischen Künstler:innen / Studierenden tun? Glauben Sie, dass die Akademie im Allgemeinen auch Künstler:innen unterstützen könnte, die aus anderen Ländern geflohen sind, da es leider an verschiedenen Orten der Welt Kriege und Konflikte gibt?
Bei uns in der Klasse werde ich die Aktivitäten natürlich fortsetzen, was sonst an der Akademie stattfindet, weiß ich derzeit nicht. Es ist uns allen bewusst, dass es nie genug Unterstützung für geflüchtete Menschen geben kann, allerdings haben wir eine Aufnahmeprüfung an der Akademie, wo wir auch genau auf Gleichbehandlung aller Bewerber:innen achten müssen.
Wie würden Sie Ihre Kommunikation mit ukrainischen Künstler:innen zu Beginn des Krieges und jetzt beschreiben? Stehen Sie noch in Kontakt? Haben sich einige von ihnen entschieden, in Österreich zu bleiben, während der Krieg weiterging?
Ich war am Anfang eher verunsichert, wie und was man kommunizieren kann – mittlerweile bin ich mit einigen gut befreundet und es entstanden Freundschaften. Ja, ich kenne einige Frauen mit Kindern, die in die Ukraine zurückgekehrt sind.
Wie haben Sie ukrainische Künstler:innen und ihre Praxis in diesen Tagen entdeckt?
Ukrainische Künstler:innen sind genauso vielfältig in ihrem Schaffen wie überall sonst auch, aber ich bin grundsätzlich von der Substanz, Ernsthaftigkeit, der Kraft und Dringlichkeit beeindruckt.
Office Ukraine Graz
OFFENE RÄUME FÜR UKRAINISCHE KÜNSTLER:INNEN AN DER ORTWEINSCHULE GRAZ
Kommen Künstler:innen aus der Ukraine nach Graz, fehlt es anfangs manchmal an Kontakten und Zugang zu Materialien und Werkstätten. Die Kulturvermittlung Steiermark und das Office Ukraine Graz riefen eine Kooperation mit der Meisterschule für Kunst und Gestaltung an der Grazer Ortweinschule ins Leben. Dort können die Künstler:innen sporadisch teilnehmen und Equipment als außerordentliche Schüler:innen mitbenutzen. In den regulären Klassen sind sie ebenfalls angekommen.
In einem Atelier der HTBLVA Ortwein in Graz-Geidorf setzt Tetiana Rudenko, eine junge Künstlerin aus Odesa, die ersten Pinselstriche ihres neuesten Werkes. "Zuhause ist wenig Platz zum Arbeiten, hier kann ich die Werkstatt nutzen", erzählt sie. Vorbild für das Stillleben ist ein drei Jahre altes Foto, das einen verlassenen Raum in der Ukraine zeigt. Rudenko fügt einige Details hinzu, das Skelett sticht sofort ins Auge. Sie ist nun im zweiten Jahr der Meisterklasse für Malerei, nach dem Bewerbungsprozess erhielt sie einen regulären Platz.
Anders ist das bei Mariia Rohovets. Sie war hier nie Teil der offiziellen Klasse, konnte allerdings als bereits ausgebildete Künstlerin Materialien und Werkstätten der Ortweinschule verwenden und von der Expertise der Lehrenden profitieren. "Es war sehr wichtig für mich, denn ich kannte in Graz noch niemanden und wollte arbeiten", sagt sie. Oft nutzte sie die Druckpressen der Schule und experimentierte mit neuen Techniken.
Künstlerinnen wie Diana Fedoriaka, Margo Sarkisova oder Lera Elur nahmen diese Gelegenheit ebenso wahr. "Durch den Krieg und die Flucht hatte ich wenig Geld, in der Ortweinschule konnte ich teures Kamera-Equipment ausborgen und die Dunkelkammer verwenden", meint die Fotografin Fedoriaka. Sie war im vergangenen Jahr außerordentliche Schülerin im Fotografie-Zweig, seit September ist sie in der regulären Klasse für Schmuck und Metallgestaltung an der Ortweinschule.
Josef Fürpaß. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet
Die Kulturvermittlung Steiermark und das Office Ukraine Graz wandten sich zu Beginn an Josef Fürpaß. Der freischaffende Künstler unterrichtet Malerei und Druckgrafik an der Meisterschule. Er stellte die Künstler:innen zuerst dem Direktor und Abteilungsvorstand vor, auf ihre Zustimmung war er angewiesen. "Alle waren offen, ich habe da viel Freiheit gehabt", so Fürpaß. Bisher wurde jede Anfrage akzeptiert. "In unserer Schule sind die Weichen sehr gut gestellt. Seit ich im Herbst 2011 begonnen habe, gab es immer Offenheit." Schon lange habe sich die Schule für Geflüchtete eingesetzt, Fürpaß erinnert sich an ein Künstlerpaar aus dem Irak während seiner Anfangszeit.
In der Meisterklasse sind alle Schüler:innen erwachsen. Vor allem in einer vollkommen neuen Umgebung ist es wichtig, einen guten Austausch zu ermöglichen. Rohovets fühlte sich von Anfang an willkommen: "Meine Kolleg:innen haben mir bei allem geholfen und ich habe ein paar Studierende kennengelernt, wir sind immer noch in Kontakt". Fedoriaka unterstreicht das: "Die anderen in der Klasse sind großartig, sie unterstützen mich überall und übersetzen für mich." Der Unterricht findet auf Deutsch statt, aber alle seien bereit, wenn nötig ins Englische zu wechseln. Zudem besuchen die meisten Ukrainer:innen Sprachkurse zusätzlich zur Kunstausbildung.
Beim praktischen Arbeiten, beim Zeichnen, Formen, Entwerfen, sei es laut Fürpaß besonders einfach, Anschluss zu finden: "Man lernt durchs Zuschauen." Für ihn ist es eine große Chance, wenn Student:innen ihre individuellen Ideen mitbringen, zum Beispiel in der Handhabung der Maschinen und Materialien. Die Begeisterung für Kunst erleichtert die Vernetzung in der Klasse. "Es ist etwas, das alle schon gemeinsam haben, Schüler:innen, Lehrer:innen, dadurch ist man mit der Gesellschaft gleich näher verbunden", erzählt Rudenko.
Erfahrungen und Ängste des Krieges tauchen in Arbeiten regelmäßig auf, das merkte auch Fürpaß: "Der 24. Februar 2022 war natürlich ein Tag des Traumas." Lera Elur beispielsweise fertigte zum Thema eine ganze Reihe von Druckgrafiken an, die Teil der Wanderausstellung "Struggle & Contemplation" sind. Dabei handelt es sich um eine Ausstellung der Kulturvermittlung Steiermark. Diese ist laut Fürpaß bald in Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Rumänien zu zu sehen. "Wir werden diese Erfahrungen nie selbst nachempfinden können, aber wir können mit Respekt unterstützen", erklärt Fürpaß. Es habe bisher keine ukrainischen Schüler:innen gegeben, die das Motiv des Krieges ausgespart hätten.
Bei Bedarf wäre es weiterhin für Künstler:innen aus der Ukraine möglich, sich an die Ortweinschule zu wenden.
Mariia Rohovets. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet
"Das hat mir sehr gutgetan" – Mariia Rohovets
Im Frühjahr 2022 besuchte Mariia Rohovets die Meisterschule für Malerei als Gast. Ihren Neustart in Graz hat sie im Projekt "New Life" verarbeitet – Bilder von Babys mit gruseligem, verunsichertem Blick auf Schwarzpapier. "Es ist ein Symbol für neues Leben, wie neu geboren werden. Der neue Zustand ist am Anfang stressig und man fühlt sich allein", beschreibt Rohovets. Sie kommt aus Butscha, schloss in der Ukraine noch ihren Master in Kunst ab. Neben der Arbeit als Kunstlehrerin wirkte sie in der 39.9galerie mit, die sie mit dem < rotor > verband. In der Ortweinschule nahm sie an Kursen für Grafik und Ölmalerei teil. "Es war therapeutisch für mich, weil ich im März von der Ukraine hergekommen bin", Rohovets konnte ihre Gedanken über den Krieg verarbeiten. "In Ruhe zeichnen zu können, hat sehr gutgetan". Die Künstlerin arbeitet meistens mit Farbmarkern oder gestaltet Collagen. Sie ist als Kellnerin angestellt, Rohovets will in Graz bleiben.
Tetiana Rudenko. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet
"Kunstunterricht ist hier anders" – Tetiana Rudenko
Bereits in der Ukraine studierte Tetiana Rudenko Kunst, in Graz setzt sie das nun als reguläre Schülerin der Meisterklasse für Malerei fort. Die Ausbildung dauert zwei Jahre, sie begann im September 2022. "Ortwein war die beste Option für mich, du kannst anders sein und verschiedene Stile probieren", so die Künstlerin aus Odessa. Die Sprache sei eine große Herausforderung. "Besonders das Sprechen auf Deutsch ist noch schwierig. Aber alle Leute waren offen und bereit, mit mir auf Englisch zu reden", findet Rudenko. Die Art des Lernens über Kunst sei in den beiden Ländern unterschiedlich: "Hier gibt es quasi keine Regeln, kein Richtig oder Falsch. Alles, was du fühlst, was du machst, ist richtig". In der Ukraine sei das Studium eher theoretisch gewesen, mit strengeren Richtlinien. "Als nächstes möchte ich nach Wien ziehen und dort mein Bestes geben", sagt Rudenko.
Diana Fedoriaka. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet
"Ich spürte diese neue Leidenschaft in mir" – Diana Fedoriaka
Kunst-Allrounderin Diana Fedoriaka beschäftigt sich primär mit Fotografie, sie war auch als Filmemacherin und Schauspielerin aktiv. Sie wohnte bereits an vielen Orten, als Großstadtmensch ist Kiew am ehesten ihre Heimat. In Graz gab ihr das Office Ukraine Graz den Kontakt zu Florian Koller, er ist Lehrbeauftragter für Fotografie an der Ortweinschule. "Er ist ein unglaublich netter Mensch, ich durfte alles mitbenutzen, obwohl ich ja gar nicht offiziell in der Schule war", erinnert sich Fedoriaka. Vier prunkvolle Ringe an ihren Händen – meistens sind es noch mehr, sie stören jedoch beim Radfahren – zeigen, wofür sie noch brennt: "Ich spürte in mir diese neue Leidenschaft für Schmuck. Ich wollte es mit der Fotografie verbinden." Koller leitete sie weiter zu Elisabeth Gort, die Schmuck und Metallgestaltung an der Meisterschule lehrt. Fedoriaka bewarb sich erfolgreich. "Ich liebe den Kunstansatz der Schule – man ist frei und im Zentrum steht die Idee, meine kreativen Gedanken", sagt sie. Schmuck sei nicht nur einfach "schön", sondern ein Kunstwerk, ein Statement. Ist der Krieg vorbei, möchte sie zurück in die Ukraine.
Text: Felix Neumann
Office Ukraine Innsbruck
Im Hörsaal und auf der Bühne —
Ein ukrainischer Theaterstudent in Österreich
Im Zuge der groß angelegten russischen Invasion in der Ukraine waren zahlreiche Studierende an Kunsthochschulen gezwungen, die Ukraine zu verlassen und ihre akademischen und kreativen Vorhaben im Ausland fortzusetzen. Einer von ihnen ist der derzeit am Mozarteum Salzburg eingeschriebene Schauspielstudent Yaroslav Somkin, der uns von seinen Erfahrungen berichtete.
Foto: Yaroslav Somkin
Yaroslav begann seine Studienlaufbahn an der Universität Mozarteum Salzburg im Jahr 2022. Der Übergang wurde durch seine vorherige Ausbildung an der Kyiver Nationalen Universität für Theater, Film und Fernsehen, benannt nach I. K. Karpenko-Karyj, ermöglicht. Am Mozarteum nahm er sein Studium wieder auf, das er im Februar 2022 in Kyiv unterbrechen musste. Nachdem er zwei Semester lang als Gaststudent Lehrveranstaltungen besucht hatte, bewarb er sich erfolgreich und wurde in das vierte Jahr des Thomas-Bernhard-Instituts mit der Spezialisierung Theater- und Filmschauspiel aufgenommen. Damit knüpft er an sein früheres Studium in Kyiv an: "Derzeit sind alle Ukrainer:innen [ehemalige Gaststudierende] zu regulären Studierenden geworden und bereiten sich auf das neue Semester vor – einige im ersten Jahr, einige im zweiten und einige, wie ich, im vierten Jahr."
Yaroslav und seine Mitstudierenden aus der Ukraine erhielten vom Mozarteum eine umfassende Unterstützung, die von Deutsch- und Englischkursen über Hilfe bei der Wohnungssuche bis hin zu Gesprächen über den russisch-ukrainischen Krieg und ihr Wohlergehen im Ausland reichte.
Yaroslav erhielt ein Ernst-Mach-Stipendium des OeAD, das es ihm ermöglichte, sein Studium in Österreich fortzusetzen. "Ich nahm an vier Theaterproduktionen an der Universität teil und lernte die Unterschiede in der Mentalität, den Arbeitsmethoden und den Perspektiven der Theaterkunst im Allgemeinen sehr genau kennen", berichtet Yaroslav. Diese Erfahrung ermöglichte ihm eine kreative Freiheit, die seiner Meinung nach in der Ukraine oft durch die Mentalität der Lehrenden oder aus finanziellen Gründen eingeschränkt war. Doch Yaroslav ist überzeugt, dass "der deutschsprachige Theater-‘Markt‘ von der Spiritualität und dem Wesen der Kunst in der Ukraine absolut profitieren würde." "Ich glaube, dass ich mir in dieser Zeit viele neue Fähigkeiten angeeignet und meine Geschmackspalette erweitert habe", resümiert Yaroslav.
Nackte Wände: Konzert von ukrainischen Studierenden des Thomas Bernhard Instituts im Mai 2023. Foto: Natalia Kravets
Neben seinem Theaterstudium fand er auch Zeit, sich als Musiker weiterzuentwickeln und sich in der lokalen ukrainischen Community zu engagieren: "Zusammen mit meinen ukrainischen Mitstudierenden hatten wir die Möglichkeit, Konzerte zu organisieren, bei denen wir ukrainische Musik spielten, um die Kunst von Bands wie Skrjabin oder Vivienne Mort zu verbreiten. Ich versuche, viel gemeinnützige Arbeit zu leisten und mit der ukrainischen Community vor Ort zusammenzuarbeiten, sowohl im Hinblick auf humanitäre Hilfe zu Hause als auch auf die Unterstützung von Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die derzeit hier in Österreich leben."
Sonderförderung Ukraine: Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS) unterstützt ukrainische Künstler:innen und Kulturprozent:innen auf vielfältige Weise
Das BMKÖS hat auf den großflächigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine rasch reagiert und verschiedene Projekte zur solidarischen Unterstützung ukrainischer Künstler:innen und Kulturprozent:innen initiiert.
Bereits im März 2022 wurde die vom BMKÖS finanzierte Initiative "Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists" an drei Standorten in Zusammenarbeit mit tranzit.at (Wien), < rotor > (Graz) und Künstler:innenhaus Büchsenhausen (Innsbruck) gegründet, die auf vielen Ebenen Unterstützung für nach Österreich geflüchtete ukrainische Künstler:innen anbietet.
Mittels der Sonderförderung Ukraine unterstützt das BMKÖS zudem aufgrund des Krieges nach Österreich geflüchtete ukrainische Künstler:innen rasch und gezielt. Seit Beginn des Programms wurden rund 160 Projektförderungen und Arbeitsstipendien vergeben. Damit kann ukrainischen Künstler:innen ein sicheres Leben und Arbeiten in Österreich ermöglicht sowie ein Rahmen für Vernetzung und Austausch mit der Kunst- und Kulturszene in Österreich geschaffen werden.
Inzwischen gilt dieses Sonderprogramm der Ukrainehilfe als europäisches Best Practice Beispiel.
In Summe wurden vom BMKÖS bislang rund EUR 1,5 Millionen für die Offices Ukraine, Projekte, Stipendien, Hilfstransporte in die Ukraine sowie Benefizveranstaltungen zur Verfügung gestellt. Die Fördermaßnahmen werden laufend fortgesetzt.
Unterstützt wird vom BMKÖS auch die 5. Ausgabe der Kyiv Biennale, die im Oktober 2023 mit einer Hauptausstellung in Wien (17. Oktober 2023 – 14. Januar 2024) und kleineren Interventionen in Kyiv beginnt, und auch in Iwano-Frankiwsk, Uschhorod, Berlin und Warschau stattfinden wird. Die in den vier vorangegangenen Ausgaben entwickelte Strategie der Kyiv Biennale integriert künstlerische Produktion, kritisches Wissen und soziales Engagement. Daher soll diese in europäischer Solidarität veranstaltete Kyiv Biennale 2023 nicht nur ein zeitlich begrenztes Event sein, sondern vielmehr der Auftakt eines mehrjährigen internationalen Langzeitprojekts, einer "Kyiv-Perenniale".
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer: "Der 24. Februar 2022 hat sich in unser aller Gedächtnis eingebrannt. Für die Menschen in der Ukraine bedeutet dieser in ungeahnter Brutalität geführte Krieg Leid, Verluste und Zerstörung in unermesslichem Ausmaß. Unnachgiebig müssen wir daher unsere Unterstützung und Solidarität mit Leben erfüllen. Und dabei eines nie vergessen: Der Angriff ist auch ein Angriff auf unsere demokratische Kultur, die Freiheit der Kunst und die Meinungsfreiheit."
In der aktuellen Ausgabe des Office Ukraine-Newsletters werden einige Projekte von und mit ukrainischen Künstler:innen vorgestellt, die mithilfe der BMKÖS-Sonderförderung Ukraine realisiert werden konnten.
Informationen zur Sonderförderung Ukraine
Liebe ukrainische Künstler:innen, Vertreter:innen von heimischen Institutionen, Kulturinitiativen und Kulturschaffende,
wir möchten Sie daran erinnern, dass Sie zusätzliche Unterstützung vom österreichischen Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) erhalten können. Der Zuschuss wird für Projekte gewährt, die unter Beteiligung ukrainischer Künstler:innen realisiert werden:
- Arbeitsstipendien (€ 1.500 monatlich pro Künstler:in für maximal 3 Monate)
- Projektförderungen (maximal € 5.000 pro Projekt; dabei können keine Infrastruktur- oder Mietkosten gefördert werden)
Alle Informationen über den Zuschuss sowie das Antragsformular finden Sie auf der Website des BMKÖS.
Office Ukraine Wien
"Ich war etwas naiv über die Dauer des Krieges"
Die ukrainische Kuratorin Anastasiya Yarovenko über ihre vom BMKÖS unterstützte Ausstellung im Lentos Kunstmuseum Linz.
Anastasiya Yarovenko. Foto: Richard Zazworka
Das Solidaritätsprojekt "Can you see what I see" wurde von Anastasiya Yarovenko, einer in Wien lebenden ukrainischen Künstlerin und Kuratorin, organisiert und kuratiert, die fünf Künstler:innen aus der Ukraine zur Teilnahme einlud. Das Lentos Kunstmuseum Linz und das BMKÖS unterstützten das Vorhaben großzügig und ermöglichten die Präsentation der Arbeiten im öffentlichen Raum und im Foyer des Museums während der Sommermonate.
Anastasiya Yarovenko teilte mit uns ihre persönlichen Überlegungen zum Projekt und zur Kunst in Zeiten des Konflikts. Durch die Zusammenarbeit mit Künstler:innen aus der Ukraine sollte das Projekt die kreativen Ausdrucksformen einer von einer schweren Krise geprägten Region beleuchten. Die Unterstützung des Lentos-Museums und des BMKÖS hat entscheidend dazu beigetragen, die Vorstellung dieses Konzepts zu realisieren und die Kunstwerke einem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Projekt gekommen? Worum ging es, und welche Zielgruppe wollten Sie erreichen?
Am 24. Februar 2022 änderte sich schlagartig das Leben aller Ukrainer:innen innerhalb und außerhalb der Ukraine, als Russland in die Ukraine einmarschierte und damit den Krieg, der 2014 begonnen hatte, eskalierte, was schließlich zu Tausenden von Toten und der größten Flüchtlingskrise in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg führen sollte.
Die ersten Monate verbrachte ich rund um die Uhr mit Freiwilligenarbeit: Medikamente verschicken, bei der Evakuierung helfen, Wohnungen in Österreich finden, viele Texte und Dokumente übersetzen. Irgendwann wurde mir klar, dass es bereits viele Freiwillige gibt, die mit ähnlichen Aufgaben beschäftigt sind, aber in dem Bereich, mit dem ich vertraut bin, nicht viel passiert.
Es war wichtig, ein sichtbares Statement zu setzen. Die Nachrichten überschlugen sich weiterhin, und die meisten Menschen vor Ort gewöhnten sich an die Situation, und es war kein Schock mehr, obwohl der Krieg noch nicht vorbei ist.
Im April 2022 kontaktierte ich Hemma Schmutz, die Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz, und schlug vor, ein Solidaritätsprojekt zu machen. Zwei Monate später konnten wir mit finanzieller Unterstützung des BMKÖS und des fantastischen Lentos-Teams eine Ausstellung eröffnen, die über den Sommer 2022 für alle zugänglich war.
Als ich über die Intervention im April 2022 nachdachte, war ich naiv gewesen zu glauben, dass wir bis zur Eröffnung der Ausstellung im Juni nicht mehr über den Krieg, seine Folgen und den Wiederaufbauplan sprechen müssten. Aber selbst jetzt, 1,5 Jahre später, wissen wir nicht, wann diese Katastrophe zu Ende sein wird.
Installationsansicht des Solidaritätsprojekt "Can you see what I see", Lentos Museum. Foto: Reinhard Haider
Wie haben Sie die Künstler:innen ausgewählt, die Sie eingeladen haben? Haben Sie vorher mit ihnen zusammengearbeitet?
"Can you see what I see" war eine Reaktion auf die sich schnell verändernde Situation in der Ukraine und eine Unterstützung für die vom Krieg betroffenen ukrainischen Künstler:innen. Die ausgewählten Künstler:innen waren teilweise in Österreich und teilweise in der Ukraine, da männliche Künstler im wehrfähigen Alter das Land nicht verlassen dürfen. Das Programm bestand aus einer Installation im öffentlichen Raum außerhalb des Museums und einer Vorführung im Foyer mit Videos, Filmen und Zeichnungen, die sowohl mit der aktuellen Situation und derjenigen in der Ukraine seit dem ersten russischen Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2014 in Verbindung stehen.
Die meisten der beteiligten Künstler:innen kenne ich seit vielen Jahren. Alevtina Kakhidze, die für ihre Illustrationen über den Krieg in der Ostukraine bekannt ist, hat eine Diashow mit Zeichnungen über die Reaktion des Westens, die russische Kultur und ihre "aufmerksamkeitsheischenden" Gesten, über die Ukraine und ihre kulturelle Front während des Krieges vorbereitet.
Ich habe Kateryna Lysovenko in Wien getroffen, wo sie seit Beginn des Krieges lebt. Die gezeigten Werke stammen aus der neuesten Serie der Künstlerin, die sie während der offenen Aggression Russlands gegen die Ukraine entwickelt hat. Widerstand, Wille und die Erlangung von echter Stärke sind das Leitmotiv dieser Serie.
Ich habe bei Oleksiy Radynski in der Ukraine studiert und verfolge seine Arbeit schon seit geraumer Zeit. Sein Film "Circulation" von 2020 zeigt Radynskis dreijährige Beobachtung der Veränderung der Landschaft um Kyiv.
Mykola Ridnyi präsentierte zwei Kurzfilme. Das Hauptobjekt in "Shelter" ist ein unterirdischer Bunker, der zu einer Art Schule für die militärische Ausbildung umfunktioniert wurde. In der modernen Ukraine sind viele Atombunker aus der Vergangenheit inzwischen stillgelegt worden. Einige wurden umfunktioniert, um neue Funktionen zu erfüllen, die durch individuelle Kreativität an unterschiedliche Bedürfnisse angepasst wurden. Für den Kurzfilm "Father's Story" bat Ridnyi seinen Vater, eine Videotour durch den Keller unter dem Haus auf dem Land zu machen, in dem seine Familie früher lebte. Beide Filme wurden vor der großflächigen Invasion gedreht, aber sie handeln von einer neuen ukrainischen Realität.
Wie war die Reaktion des Publikums auf das Projekt?
Die Vorbereitung hat mir geholfen, bei Verstand zu bleiben und mich zu konzentrieren, da die Zeit für die Projektumsetzung, die Beantragung von Fördermitteln und die Organisation für den Eröffnungstag relativ kurz war. Nachdem ich am Abend vor der Eröffnung die Nachrichten über die zunehmende Zerstörung durch Russland in der Ukraine gelesen hatte, dachte ich, dass das Ausmaß der Intervention und alle künstlerischen / kuratorischen Bemühungen angesichts des Krieges und der Verluste lächerlich sind. Ich fühlte mich hilflos und verloren.
Am Tag nach der Eröffnung und der Pressekonferenz schrieben viele oberösterreichische und Salzburger Medien darüber. Es war ein kleiner Sieg. Es ist nicht einfach, für ein so schwieriges Thema überhaupt eine Berichterstattung zu bekommen.
Der Standort des Museums und die Art der Ausstellung ermöglichten es Tausenden von Passant:innen und Besucher:innen, die Werke der ukrainischen Künstler:innen gratis und niederschwellig zu betrachten. Das Linzer Donauufer ist im Sommer sehr beliebt, so dass die Intervention dadurch sehr sichtbar wurde.
Installationsansicht des Solidaritätsprojekt "Can you see what I see". Im Vordergrund eine Arbeit von Anastasiya Yarovenko, Lentos Museum. Foto: Reinhard Haider
Welche Erfahrungen haben Sie bei der Zusammenarbeit mit einer großen Kunstinstitution in einer Notsituation gemacht?
Bei diesem speziellen Projekt schätze ich die Flexibilität des Lentos am meisten. Für eine so große Institution mit einem intensiven Programm bedeutet ein außerplanmäßiges Projekt einen zusätzlichen Aufwand an Ressourcen und Zeit. Ich bin dankbar, dass Hemma Schmutz und das Museumsteam ukrainische Künstler:innen in einer so schwierigen Zeit unterstützt haben, indem sie der Kunst einen Raum gaben und die in Westeuropa unterrepräsentierte ukrainische zeitgenössische Kunstszene vorgestellt haben.
Bitte sagen Sie ein paar Worte zu Ihrer Person: Woher kommen Sie, und welche Art von künstlerischer Arbeit machen Sie?
Als Künstlerin interessiere ich mich für Objekte, für Oberflächen, die sich in Räume verwandeln, während Räume zu Rastern für die Realität werden. "Raum" wird in vielerlei Hinsicht verstanden. Ob es sich um physische oder imaginäre Räume handelt, um temporäre Situationen oder politische Umrisse, ob es sich um eine ortsspezifische Situation oder um eine Geisteshaltung handelt. Meine Arbeit beschäftigt sich mit dem Raum als Situation, als materielle Geste, als kollektives Bild. Zwischen Form und Funktion, zwischen Raum und Dimension, schafft sie spezifische Möglichkeiten und Assoziationen.
Normen, die den Raum definieren, den wir als Menschen beanspruchen, sind auch das, worauf ich mich konzentriere, indem ich mich der Idee und dem Konzept der Norm in der Gesellschaft nähere. Ich spreche von "normal sein" und von diesem Begriff, der ständig verwendet wird, um unsere Welt zu beschreiben, aber in gleichem Maße auch einschränkt und sortiert.
In Kunstkreisen gibt es viele Diskussionen über die Macht und Ohnmacht der Kunst angesichts des Krieges. Was ist Ihre Meinung dazu? Was können Kunst und Künstler:innen in diesen brutalen Zeiten tun?
Es gibt Zeiten, in denen wir uns alle machtlos fühlen, die ständigen Nachrichten über Tod und Zerstörung berühren uns auf jeder Ebene unseres Lebens. Manche finden Halt in der Produktion von Kunstwerken, so gut sie können, andere sind völlig sprachlos und schweigen. Es gibt kein Rezept, was Kunst in diesen Zeiten bewirken kann. Kunst gab es in vielen Formen während vieler Kriege in der Geschichte, aber die meisten von uns haben den Krieg noch nie wirklich miterlebt. Jede:r von uns befindet sich in seinem eigenen Kreislauf der Verarbeitung und Bewältigung.
"White Noise" von Anastasiya Yarovenko
Anastasiya Yarovenko, Künstlerin und Kuratorin, lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien (2015) und hat einen MA in Literaturtheorie und vergleichenden Studien (2006) von der Kyiv-Mohyla Academy. Anastasiya nahm an mehreren Biennalen teil, darunter School of Kyiv – Kyiv Biennale (UA) 2015. Sie wurde mit mehreren Kunstpreisen ausgezeichnet, darunter der Preis der Kunsthalle Wien, das START-Stipendium des Bundesministeriums für Kultur und das MAK Schindler Scholarship Program (USA). Ihre Arbeiten wurden in internationalen Ausstellungen wie dem Lentos Kunstmuseum Linz (AT), xhibit (AT), Köttinspektionen Uppsala (SE), Sculpture Park, MuseumsQuartier Wien (AT), Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (DE), Mackey Apartments, Los Angeles (USA), Kunsthalle Wien (AT), Odessa Museum of Western and Oriental Art (UA), Nest (NL) und anderen präsentiert.
Office Ukraine Graz
Tense Horizon – eine Ausstellung in der QL-Galerie Graz
Elmira Shemsedinova, BMKÖES-Stipendiatin über ihre Erfahrungen in Graz
Mein Name ist Elmira Shemsedinova, Künstlerin und Lehrerin. Nach meiner Flucht vor dem Krieg habe ich durch die Vermittlung von Office Ukraine in Graz eine temporäre Zuflucht gefunden, wofür ich sehr dankbar bin. Die Aktivitäten von Office Ukraine Graz haben mir auch die Möglichkeit gegeben, zahlreiche Vertreter:innen der Kunstszene kennenzulernen, sowohl aus Österreich als auch aus der Ukraine.
Elmira Shemsedinova und Alois Kölbl bei der Ausstellungseröffnung in der QL-Galerie. Photo: Sofia Pinaeva
Im September 2022 erhielt ich ein Stipendium des BMKÖS, das es mir ermöglichte, meine Arbeit fortzusetzen. Der Kurator Alois Kölbl, den ich durch Anton Lederer von Office Ukraine Graz kennengelernt habe, lud mich zu einem Interview für die KHG-Publikation "Denken+Glauben" ein. Bei dieser Gelegenheit konnte ich die Geschichte meiner Familie erzählen, sowohl die Vertreibung, die meine Verwandten, die Krimtataren, erlitten haben, die auf der von Russland besetzten Krim geblieben sind, als auch über die Bedeutung der Krim und wie sie meine künstlerische Praxis beeinflusst.
Installation mit Aquarellen von Elmira Shemsedinova, beschwert von einem Stein. Photo: Sofia Pinaeva
Drei Monate später wurde ich von Alois Kölbl eingeladen, dieses Projekt in der QL-Galerie im Rahmen von "aktuelle kunst in Graz – Galerientage 2023" zu zeigen. Sein kuratorischer Blick hat meine Erfahrung sehr bereichert. Meine Meerlandschaften, die den Blick durch ein Fenster auf das Wasser evozieren, wurden auf seinen Vorschlag paarweise präsentiert. Während des Openings am 13. Mai 2023 realisierte ich meine erste Performance "Remember the Sea", eine überwältigende Erfahrung. Die Aufzeichnung der Performance ergänzte die Show und verlieh ihr mehr Tiefe.
Wichtig war mir außerdem, die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft mit den Mitteln des künstlerischen Ausdrucks auf das Thema der Rückkehr der Krim zu lenken – auf die Krim, die das Herkunftsland meiner Vorfahren ist.
Ausstellungsansichten von Gemälden aus der Serie "Tense Horizon" von Elmira Shemsedinova. Photo: Sofia Pinaeva
Da meine Ausstellung, die zwei Monate zu sehen war, Teil des Programms der "Galerientage 2023" unter Beteiligung von 29 Galerien war, erreichte sie ein größeres Publikum von Grazer:innen und Besucher:innen der Stadt. Ich erhielt viele positive Rückmeldungen aus der Kunstszene und von Kolleg:innen. In der Ukraine wurde die Information über dieses Projekt durch Suspilne Kultura, VOGUE Ukraine sowie durch die NGO Crimean House verbreitet.
Ausstellungsansichten von Gemälden aus der Serie "Tense Horizon" von Elmira Shemsedinova. Photo: Sofia Pinaeva
Mein aufrichtiger Dank gilt dem gesamten Team von Office Ukraine Graz und dem BMKÖS. Der Aufenthalt in Österreich wurde für mich zu einer bereichernden Zeit, hat mich mit einer lebendigen Kunstlandschaft bekannt gemacht und mir die Möglichkeit gegeben, etwas von der Bedeutung des freien künstlerischen Schaffens in diesem Land zu spüren.
Office Ukraine Innsbruck
Begegnungen in der Galerie Nothburga
Gruppenausstellung mit ukrainischen Künstler:innen in Innsbruck
Neben zahlreichen Arbeitsstipendien, die im Rahmen der 2022 ins Leben gerufenen Sonderförderung Ukraine-Hilfe des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS) an ukrainische Künstler:innen vergeben wurden, wurden dank der zusätzlichen finanziellen Mittel auch zahlreiche Präsentationsmöglichkeiten für ukrainische Künstler:innen von lokalen Kunst- und Kulturinstitutionen geschaffen. Ein Beispiel für ein durch die Sonderförderung des BMKÖS ermöglichtes Projekt ist eine bereits seit 2022 geplante und im Juni/Juli 2023 umgesetzte Ausstellung in der Galerie Nothburga in Innsbruck. Die 1995 gegründete Galerie wird durch ein Team von Künstler:innen und Kunstenthusiast:innen geführt und leistet einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben in Innsbruck, indem sie junge Künstler:innen unterstützt, die Zusammenarbeit mit Kunstschaffenden aus dem gesamten Alpenraum stärkt, und Begegnung und Austausch auf internationaler Ebene fördert.
Künstlerinnen und Vertreterinnen von Galerie Nothburga und Office Ukraine im Rahmen der Eröffnung. Im Hintergrund: Arbeiten von Anastasiia Rudnieva. Foto: Andrei Siclodi.
Die Ausstellung "identity – coexistence" in der Galerie Nothburga präsentierte vom 28. Juni bis 8. Juli 2023 Werke von sechs zeitgenössischen ukrainischen Künstler:innen. Die von Elisabeth Melkonyan kuratierte Gruppenausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Office Ukraine realisiert. Die Künstler:innen Mark Chehodaiev, Igor Gaidai, Iryna Iskra, Oksana Radkevych, Anastasiia Rudnieva und Valentyna Samoilik kommen aus verschiedenen Teilen des Landes, arbeiten mit unterschiedlichen künstlerischen Medien und Techniken und greifen in ihren Arbeiten vielfältige Themen auf. Doch was sie verbindet, ist ihr Zuhause. Leider bedeutet Heimat in diesem Fall die traumatische Erfahrung von Krieg und Exil, Ungewissheit über ihre Zukunft sowie ständige Einschränkungen, Angst und Traurigkeit. Unter diesen Umständen stellt die Weiterführung ihrer künstlerischen Praxis für sie einen Weg dar, bei sich selbst zu bleiben. Der im Ausstellungstitel präsente Begriff der Identität wird so einerseits zum Anker in einer sich dramatisch verändernden Realität, verweist jedoch auch auf komplexe Identitätsfragen, die Vertreibung und Exil mit sich bringen. Ebenso tröstlich wie auch fragil ist die Koexistenz und Solidarität, die Neuankommende mit den in ihren neuen Wohnorten lebenden Menschen verbindet.
Eröffnung der Ausstellung identity – coexistence. Links im Hintergrund: Arbeiten von Iryna Iskra. Rechts: Fotografien von Igor Gaidai. Foto: Andrei Siclodi.
Die zu einem Großteil derzeit in Österreich lebenden Künstler:innen präsentierten im Rahmen der Ausstellung ihre Bilder, Zeichnungen und Fotografien, die manchmal energiegeladen und hoffnungsvoll, manchmal spirituell und meditativ, manchmal mit direkten oder metaphorischen Anspielungen auf die schmerzhaften Ereignisse in der Ukraine durchsetzt von der Lebensrealität der Künstler:innen seit dem Beginn des Krieges zeugen.
Finissage mit musikalischer Begleitung von ukrainischen Musiker:innen. Im Hintergrund: Arbeiten von Valentyna Samoilik. Foto: Andrei Siclodi.
Diese Ausstellung ukrainischen Künstler:innen zu widmen und unterschiedliche Positionen der ukrainischen Gegenwartskunst zusammenzubringen, bedeutet, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Geschichte zu erzählen und ihre Visionen sichtbar zu machen. Sehr zur Freude der Kuratorin Elisabeth Melkonyan war das rege Interesse der Besuchenden deutlich spürbar: "Die Ausstellung "identity — coexistence" war sehr erfolgreich. Besonders die Finissage – ein Fest mit den ukrainischen Künstler:innen und Freund:innen der Galerie war stimmungsvoll und harmonisch. Fünf ukrainische Musiker:innen verzauberten das Publikum. Nach einer Gesprächsrunde mit den ukrainischen Künstler:innen zeigten wir einen Film, den eine Galeriebesucherin vor der russischen Invasion in der Ukraine gedreht hatte. Als Kuratorin der Ausstellung bin ich über die positive Reaktion der Galeriebesucher:innen und teilnehmenden Künstler:innen sehr glücklich."
Ausstellungen wie "identity — coexistence" in der Galerie Nothburga leisten einen wertvollen Beitrag zur Unterstützung von Künstler:innen und Kulturschaffenden, die aufgrund des Krieges in der Ukraine nach Österreich gekommen sind, und verwandeln die Galerie in einen Ort der Begegnung verschiedener künstlerischer Visionen und Einflüsse, Themen und vor allem Menschen.
Office Ukraine Wien
"Es ist eine schöne Herausforderung, ukrainische Kunst in Österreich bekannter zu machen"
Foto: Yevgen Nikiforov
Lizaveta German ist Mitbegründerin der Galerie "The Naked Room" in Kiew und war Ko-Kuratorin des ukrainischen Pavillons bei der Biennale von Venedig 2022. In diesem Interview gibt die renommierte ukrainische Kuratorin Einblicke in ihre Arbeit, ihre Ausstellungsprojekte und ihre Erfahrungen in Wien, wo sie seit April letzten Jahres lebt.
Welche sind die wichtigsten Projekte, die Sie im Kunstbereich nach dem Beginn der russischen Invasion realisiert haben?
In erster Linie der nationale Pavillon der Ukraine auf der 59. Internationalen Ausstellung — La Biennale di Venezia, mit einem erstaunlichen Team, bestehend aus meinen Ko-Kuratoren Maria Lanko und Borys Filonenko sowie dem herausragenden Künstler Pavlo Makov und einem erweiterten Team. Der Pavillon wurde zwei Monate nach Beginn der groß angelegten Invasion Russlands auf die Ukraine eröffnet, und es war eine einmalige Erfahrung, unter solchen Umständen ein Kunstprojekt zu realisieren. Hoffentlich wird "The Fountain of Exhaustion", Makovs Arbeit für Venedig, schon bald in Wien zu sehen sein. Die Produktion ist bereits im Gange, eine Ankündigung wird also bald erfolgen. Ich bin auch sehr stolz auf die Ausstellung "Death and the Maiden" im Kunstforum Wien, die wir gemeinsam mit Bettina M. Busse kuratiert haben. Meine Galerie "The Naked Room" präsentierte auch eine Reihe von großartigen Gruppenausstellungen ukrainischer Künstler:innen in Paris, Vilnius, Wien, München und Bratislava. Aber die vielleicht größte Errungenschaft ist, dass wir es geschafft haben, während des letzten Jahres geöffnet zu bleiben, dank unserer Kolleg:innen vom Ukrainian Emergency Art Fund, die den Betrieb aufrechterhalten haben. Und jetzt sind wir endlich mit unserem eigenen Ausstellungsprogramm wieder eröffnet – ich muss sagen, dass es ein großer Schritt ist, jetzt wieder auf Kurs zu sein.
Warum haben Sie sich für Österreich als Standort entschieden?
Österreich hat mich gewählt! :-) Aber Spaß beiseite: Freunde von Freunden haben mir hier im April 2022 die dringend benötigte Unterstützung gegeben, mir geholfen, eine Unterkunft zu finden und alle notwendige Hilfe geleistet, die meine Familie zu diesem Zeitpunkt dringend brauchte.
Wie können Sie die österreichische Kunstszene im Vergleich zur Ukraine beschreiben?
Die ukrainische Kunstszene ist jünger, in mancher Hinsicht etwas frischer und lebendiger, und das hat natürlich historische Gründe. Aber natürlich gibt es einen enorm wichtigen kunsthistorischen Hintergrund hier in Österreich, aufgrund all der tollen Museumspräsentationen und internationalen Ausstellungen. Die Möglichkeiten der Künstlerförderung sind hier sehr gut entwickelt – das ist etwas, wovon wir in der Ukraine lernen können.
Haben Sie hier in Österreich Unterstützung für Ihre Ideen bekommen?
Ja, das habe ich! Eine Freundin, Petra Stelzer, hat mich mit Bettina M. Busse vom Kunstforum und dem Team des Museumsquartier Wien bekannt gemacht, und daraus ist eine Zusammenarbeit entstanden. Vienna Contemporary, die internationale Kunstmesse, war und ist sehr unterstützend gegenüber unserer Galerie. Ebenso die Kahan Art Foundation. Hedwig Saxenhuber, die mit der ukrainischen Kunst sehr vertraut ist, unterstützt uns sehr und ist eine großartige Botschafterin der ukrainischen Kunst im Allgemeinen. Ich fühle mich also keineswegs allein in meiner beruflichen Tätigkeit hier.
Was sind die Herausforderungen für Sie als Kuratorin, wenn Sie in einem anderen Land leben und arbeiten?
Es ist eine Herausforderung, weit weg von meiner Community zu sein, aber hier habe ich schnell mein eigenes lokales Netzwerk von neuen Bekannten und Kolleg:innen aufgebaut – und das sind nicht nur Leute, die ich beruflich "brauche", sondern einfach nette neue Freund:innen, mit denen man sich gut unterhalten und gemeinsam Kaffee trinken kann. Die ukrainische Kunst ist hier ziemlich unbekannt, und diese Lücke muss gefüllt werden, also ist es meine Aufgabe, eine Einführung in einer profunden, aber ansprechenden Weise zu geben – das ist eine schöne Herausforderung. Ich hoffe sehr, dass nach der ersten Welle von Initiativen zur unmittelbaren Unterstützung die Zeit kommen wird, um tiefer gehende, forschungsbasierte Ausstellungen und Bildungsprojekte zu organisieren und die Verbindungen zwischen unseren beiden Szenen zu stärken. Es wird dann also, so hoffe ich, echte Neugier an der ukrainischen Kunst sein, nicht nur der Wunsch zu helfen. Das ist der Antrieb für weitere Kooperationen.
Wie würden Sie die ukrainische Kunstszene in Österreich beschreiben, gibt es eine solche?
Viele Künstler:innen ziehen durch verschiedene Länder und nur wenige von denen, die ich kenne, haben sich für längere Zeit hier niedergelassen, also denke ich, dass "die Szene" noch im Entstehen begriffen ist. Aber je mehr qualitativ hochwertige Präsentationen stattfinden, desto elegantere Formen könnte sie annehmen.
Welche zukünftigen Projekte in Österreich haben Sie im Sinn?
Ich arbeite derzeit an drei Ausstellungen, die dieses Jahr in Wien eröffnet werden sollen, also bleiben Sie dran, bis die Ankündigungen erscheinen. Ich wäre daran interessiert, etwas in abgelegeneren Teilen Österreichs zu machen und tiefer in die lokale Geschichte einzutauchen, also bin ich sehr offen für Vorschläge!
Installationsansicht Krystyna Melnyk, "In Front of Pain", Gandy Gallery, Bratislava, courtesy Gandy Gallery
Installationsansicht "Death and the Maiden", tresor, Bank Austria Kunstforum Wien. Foto: Simon Veres
Info-Workshops, organisiert von Office Ukraine in Zusammenarbeit mit dem BMKOES
Photo: Karin Zimmer / BMKOES
Auch 2023 organisierte Office Ukraine in Wien wieder Info-Workshops für ukrainische Künstler:innen. Ziel der Workshops ist es, ukrainische Künstler:innen und Kulturschaffende bei ihrer Integration als berufstätige Fachkräfte in Österreich zu unterstützen, grundlegende Informationen sowie spezielle Details über Kulturförderung, Steuern, Versicherungen und das Wirtschaftssystem für Selbstständige, Freiberufler:innen und Angestellte zu vermitteln.
In diesem Jahr fanden die Veranstaltungen auf Einladung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, Öffentlicher Dienst und Sport (BMKOES) im Oscar-Saal am Concordia Platz statt. Beide Info-Workshops wurden von Ania Zorh von Office Ukraine initiiert, moderiert und übersetzt.
Am 15. Februar 2023 hielten Gerhard Kettler und Christina Sorgmann vom KulturInfoService der IG Kultur (https://igkulturwien.net/kis) einen Vortrag über den Einreichungsprozess für Förderungen an die Kulturabteilung der Stadt Wien. Während des Vortrags sprachen sie über die verschiedenen Arten der Kulturförderung in Österreich und der EU, erläuterten kurz die Besonderheiten der einzelnen Förderungen und stellten Schritt für Schritt vor, wie man die Förderung der Stadt Wien – Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7) beantragen kann.
Am 25. April 2023 hielt David Haller von der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) einen Vortrag über die Gründung eines Unternehmens in Österreich. Dabei wurden unter anderem folgende Themen angesprochen: Welche rechtlichen Voraussetzungen gibt es für eine Unternehmensgründung; welche Rechtsformen und Gewerbe gibt es in Österreich; wie meldet man ein Gewerbe an; allgemeine Informationen zu Steuern und Sozialversicherung. Gemeinsam mit seinen Kolleg:innen vom Gründerservice koordiniert David Haller die österreichweiten Projekte und Dienstleistungen für die neuen Unternehmer:innen.
David Haller (WKO) über den Workshop
Die Gründung eines eigenen Unternehmens kann eine Herausforderung sein. Umso mehr, wenn zu dieser Herausforderung noch dazu kommt, dass man gezwungen wurde, sein Land zu verlassen. In meinem Kurzvortrag wollte ich zeigen, dass es gar nicht so schwer ist, in Österreich Unternehmer:in zu sein. Es gibt viel Hilfe, wenn man weiß, wohin man sich wenden kann. Ich habe Menschen gesehen, die entschlossen sind, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. Basierend auf den konkreten Fragen der Teilnehmer:innen würde es mich nicht überraschen, wenn mehr erfolgreiche Unternehmen von Ukrainer:innen in Österreich gegründet werden.
Oksana Maslova, Schriftstellerin, Odessa / Ukraine, die den Info-Workshop von KulturInfoService besuchte
Ich möchte mich bei den Organisator:innen für die Veranstaltung bedanken. Zunächst einmal war es sehr ermutigend zu sehen, welch große Unterstützung ein kreatives oder kulturelles Projekt in Österreich erhalten kann. Für mich als Künstlerin gibt es mir Hoffnung, dass ich mit meinen kreativen Fähigkeiten und Ansichten für die Gesellschaft des Landes, in dem ich Aufnahme gefunden habe, nützlich sein kann. Besonderer Dank gilt den ausführlichen Erklärungen zu den einzelnen Programmpunkten und den Feinheiten bei der Einreichung der Unterlagen. Auf den ersten Blick schienen diese Formulare, insbesondere für mich, zu schwierig auszufüllen. Aber dank der Schritt-für-Schritt-Erklärungen wurde alles klarer.
Besonderer Dank gilt dem Networking — nach dem offiziellen Teil hatten wir bei den Erfrischungen die Möglichkeit, Künstler:innen aus der Ukraine, die in Österreich Zuflucht gefunden haben, zu treffen und mit ihnen zu sprechen. Ich möchte auch die Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und den aufrichtigen Wunsch, alle Fragen der Künstler:innen zu beantworten, hervorheben. Ich hoffe, dass solche Begegnungen zu einer guten Tradition werden und die Kulturlandschaft Österreichs durch die Zusammenarbeit mit ukrainischen Künstler:innen wesentlich bereichern wird.
Veronika Kaliberda, Grafikerin, Kyjiw /Ukraine
Ich möchte mich bei Office Ukraine und der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) für den Workshop "Wie gründet man ein Unternehmen in Österreich" bedanken. Die Veranstaltung wurde für Personen aus dem Kulturbereich organisiert. Nützliche, aussagekräftige Informationen wurden in einfacher, visueller Form vermittelt. Es war sehr cool, dass das Informations- und Bildungsprogramm von einer hochwertigen Übersetzung ins Ukrainische begleitet wurde. Und natürlich ist es sehr wertvoll, dass es, wie bei allen von Office Ukraine organisierten Veranstaltungen, nach dem Hauptteil eine informelle Kommunikation der Kunstcommunity in einer großartigen Location gab.
Ania Zorh von Office Ukraine
Wir wissen, wie schwer es ist, alle Arbeits- und Lebensstrukturen von Grund auf aufzubauen und sich in einem fremden Land zurechtzufinden. Daher versuchen wir unser Bestes, um ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden zu helfen, das System in Österreich kennen und verstehen zu lernen. Office Ukraine plant, in Zukunft weitere Info-Workshops zu organisieren und freut sich auf mögliche Kooperationen und Unterstützung durch österreichische Organisationen.
Photo: Karin Zimmer / BMKOES
Office Ukraine Graz
Ukrainische Künstler:innen verknüpft mit der lokalen Kunstszene
Nastia Khlestova
Im vergangenen Jahr hatte ich das Privileg, mit dem Office Ukraine in Graz zusammenzuarbeiten und hatte die Gelegenheit, an mehreren Projekten als Kuratorin mitzuwirken.
In Graz gibt es eine unglaubliche Gemeinschaft von Künstler:innen, die nach dem Beginn der Invasion hierher gezogen sind. Ich finde es ungemein befriedigend, eng mit dieser Szene zusammenzuarbeiten, Ausstellungen mit diesen Künstler:innen zu organisieren und dabei zu helfen, ukrainische Kunst hier in Österreich zu fördern. Für mich war es extrem wichtig, mit ihnen und mit lokalen Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen zusammenzuarbeiten, um eine starke Gemeinschaft aufzubauen.
Eines der wichtigsten Projekte, das ich hervorheben möchte, ist die Ausstellung "Додому - nachhause - home", die sich mit dem Konzept der Heimat und der Erfahrung, sie zu verlieren, beschäftigt. Die Ausstellung versammelte Arbeiten ukrainischer und österreichischer Künstler:innen, die vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 entstanden sind. Diese Werke erzählen von den verschiedenen Facetten des Lebens vor dem Krieg und den gemeinsamen Erfahrungen, sich in der neuen Realität zurechtzufinden. Ukrainische Künstler:innen beschäftigen sich mit Emotionen und Erinnerungen, die mit der Heimat verbunden sind, während sich österreichische Künstler:innen mit Prozessen auseinandersetzen, die einen Menschen seiner Heimat berauben oder zwingen können, sie zu verlassen. Indem wir diese Arbeiten in den Kontext der Kriegszeit stellten, wollten wir beleuchten, wie sich das Leben der Künstler:innen im Gefolge des Konflikts verändert hat. Der Vorschlag, an dieser Ausstellung mitzuarbeiten, kam von der Grazer Künstlerin Helene Thümmel als Versuch, die ukrainische Gemeinschaft zu unterstützen und zusammenzuarbeiten.
Ein weiteres Projekt von großer Bedeutung ist "KUNSTTASCHE | МИСТЕЦТВО У ТОРБІ | UMETNOST V TORBI", bei dem wir mit ukrainischen Künstler:innen und der österreichischen Kulturinitiative UNIKUM zusammengearbeitet haben. Mit diesem Projekt wollten wir unsere Solidarität mit den Menschen ausdrücken, die von Krieg, Gewalt und Vertreibung betroffen sind. Wir verteilten Kunst in speziell gestalteten Zeitungs-Entnahmetaschen, den so genannten "Stummen Verkäufern", an verschiedenen Orten wie der Universität Klagenfurt, dem Lendkanal und Kulturinitiativen in ganz Österreich. Die freiwilligen Spenden aus diesem Projekt flossen in den Ukrainian Emergency Art Fund, der unabhängige Künstler:innen, Kurator:innen und Kulturschaffende in der Ukraine unterstützt.
Neben Ausstellungen haben wir auch temporäre Installationen, Projekte im öffentlichen Raum und interdisziplinäre Kooperationen organisiert. Zum Beispiel die Installation "Witnesses" im Landeszeughaus Graz. Im Juli 2022 kuratierte ich dort die Arbeiten von Eduard Balula und Margo Sarkisova. Diese Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark bot ukrainischen Künstler:innen eine Plattform, um ihre Werke zu präsentieren und ihre Erfahrungen mit der Flucht aus ihrer Heimat aufgrund des anhaltenden Krieges an einem zentralen Ort von Graz mitzuteilen.
Die Zusammenarbeit mit ukrainischen Künstler:innen in Europa ist von immenser Bedeutung. Sie bietet ihnen nicht nur eine Plattform, um ihre Sichtweise und ihre einzigartigen Erfahrungen vermitteln, sondern dient auch als Mittel zur Verbindung von Kulturen, zur Förderung des Verständnisses und zur Bekämpfung von Stereotypen. Diese Projekte machen nicht nur die Schwierigkeiten ukrainischer Künstler:innen deutlich, sondern unterstreichen auch ihre Widerstandsfähigkeit, Kreativität und die Kraft der Kunst als universelle Sprache.
Durch die Zusammenarbeit mit ukrainischen Künstler:innen und die Einbindung ihrer Perspektiven in die europäische Kunstszene hoffen wir, vorgefasste Meinungen zu hinterfragen, Empathie zu fördern und sinnvolle Verbindungen zu schaffen. Kunst hat die Kraft, Grenzen zu überwinden und Menschen zusammenzubringen, und unsere Arbeit als Kurator:innen und Vermittler:innen besteht darin, Räume zu schaffen, in denen diese Verbindungen entstehen können.
Ich bin unglaublich dankbar für die Möglichkeit, mit diesen talentierten Künstler:innen zusammenzuarbeiten und sie auf ihrem Weg zu begleiten, während sie neue Landschaften erkunden, ihr Gefühl von Heimat neu definieren und ihre Geschichten mit der Welt teilen. Ich bin überzeugt, dass wir durch diese Zusammenarbeit nicht nur ukrainische Künstler:innen unterstützen, sondern auch eine integrativere und vielfältigere Kunstszene fördern können.
Nastia Khlestova, Mitarbeiterin des Office Ukraine Graz seit März 2022 (Foto: Christina Pashkina)
Wir haben verschiedene Persönlichkeiten der Grazer Kunstszene nach ihren Erfahrungen mit Projekten gefragt, bei denen sie ukrainische Künstler:innen eingebunden haben. Und warum es relevant ist, das Publikum in Graz, der Steiermark und Österreich mit ukrainischem Kunstschaffen in Kontakt zu bringen.
Elisabeth Fiedler
Wir haben im Jahr 2022 am und im Landeszeughaus Graz das viel beachtete Projekt WITNESSES der Künstler:innen Eduard Balula und Margo Sarkisova, kuratiert von Nastia Klestova in Rücksprache und Kooperation mit Office Ukraine in Reaktion auf den Angriffskrieg auf die Ukraine realisiert. Die Zusammenarbeit war von großer Achtung und gegenseitiger Wertschätzung geprägt.
Am 21. Mai 2023 performten die ukrainischen Musiker:innen Sofiia und Anton Baibakov mit ihrer einzigartigen Musik beim 20jährigen Jubiläumsfest im Österreichischen Skulpturenpark mit hunderten Gästen.
In der Präsentation ukrainischer Künstler:innen wird nicht nur unser geistiger und ästhetischer Horizont erweitert. Wir bereichern uns gegenseitig und es erschließen sich neue wertvolle Begegnungen. Gegenseitiges Kennenlernen, wertschätzende Auseinandersetzung mit diversen Lebens-, Arbeits- und Denkweisen ist wichtig und schafft neue, von Achtung getragene Verbindungen in und für eine hoffentlich friedfertige Zukunft.
Elisabeth Fiedler, Leiterin und Chefkuratorin der Abteilung Kunst im Außenraum am Universalmuseum Joanneum (Foto: UMJ, J.J.Kucek)
Heinz Wittenbrink
Im Sommer letzten Jahres haben wir die off_gallery Eva Fomitskih als Gastkuratorin überlassen. In der Ausstellung *Discontinuity* waren fünf Fotograf:innen vertreten, die – wie sie selbst – aus der Ukraine kommen. Eva Holts, Dmytro Zaiets, Olga Chekotovska, Victoria Likholiot und Anton Malynovskyi reagieren in ihren Arbeiten auf den Krieg, der nur wenige hundert Kilometer entfernt von uns stattfindet. Eva Fomitskih hat die Ausstellung selbständig konzipiert und kuratiert – lediglich der Vorschlag, im weitesten Sinne Architektur- und Landschaftsfotografie zu zeigen, kam von uns. Das Echo des Publikums war positiv, vor allem hat sich die ukrainische Community über die Ausstellung und auch die Gelegenheit, sich zu treffen und zu vernetzen, gefreut.
Es gibt einen unmittelbaren politisch bedingten Grund, die Ukraine besser kennenzulernen und zu verstehen – ein Land, das viele noch immer zu Unrecht als zu Russland gehörend wahrnehmen. Es ist wichtig, von den vielen Klischees wegzukommen, die unsere Wahrnehmung dieses Landes und seiner Geschichte behindern. Dadurch verstehen wir besser, worum es den Ukrainer:innen bei der Abwehr der russischen Aggression geht. Über die aktuelle politische Situation hinaus kann man die Ukraine und die ganze Schwarzmeerregion auch als ein Gegenstück zum Balkan und der westlichen Adria verstehen – als eine Region, die uns näher und die mit unserer Geschichte viel enger verbunden ist, als uns oft bewusst ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass die europäische Realität viel komplexer und vielfältiger ist als wir sie meist verstehen – und dass das östliche und südöstliche Europa viel mehr ist als nur nichtwestlich.
Heinz Wittenbrink, Co-Leiter der off_gallery graz (Foto: Günther Peroutka)
Edith Draxl
Wir haben bisher mit zwei Künstlerinnen zusammengearbeitet. Mit Nina Khyzhna und mit Vlada Chentsovska. Die Zusammenarbeit mit einer dritten Künstlerin, Nina Eba, hat gerade begonnen.
Mit Nina Khyzhna haben wir das Projekt "Unbeugsames Cherson" realisiert, eine szenische Lesung, die das Publikum sehr beeindruckt hat. Zudem hat sie ein weiteres Theaterprojekt "Nobody died today" bei uns gespielt. Mit Vlada Chentsovska haben wir das Theaterprojekt "Über das Licht, das die Dunkelheit besiegt" realisiert. Es wird demnächst wieder aufgenommen werden. Zudem betreuen wir Vlada nun als Stipendiatin des Landes Steiermark und arbeiten mit ihr an einem weiteren Projekt.
Nina Eba wird Teil des Internationalen Dramatiker:innenfestival Graz sein. Zudem arbeiten wir laufend mit der bildenden Künstlerin Yuliia Makarenko zusammen.
Edith Draxl, Künstlerische Leiterin von uniT (Foto: Wolfgang Rappel)
Josef Fürpaß
Im Januar 2023 organisierte ich eine Ausstellung mit dem Künstler Oleksandr Dmytrenko (in Kooperation mit der "Gruppe 77"), und dann im Mai 2023 die Ausstellung "Kampf & Kontemplation – zeitgenössische Druckgraphik" (in Zusammenarbeit mit der Kulturvermittlung Steiermark), mit sechs Künstler:innen geboren in der Ukraine, im Iran und in Österreich. Es kam zu einer produktiven Zusammenarbeit unter allen beteiligten Künstler:innen.
Österreich hat im Allgemeinen eine gute Tradition der Gastfreundschaft. Wie überall in Europa und in der westlichen Welt war unsere Gesellschaft in den letzten Jahren verwundbar und unser demokratisches System ist durch strukturelle Veränderungen, Globalisierung und Neoliberalismus gefährdet. Einige politische Bewegungen und Wirtschaftsmächte agitieren gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte. Jede Aktivität von Menschen, die sich für Humanität und Menschenrechte einsetzen, ist wichtig: für unser Land und die vielen anderen Nationen, die für bessere Bedingungen für ihre Menschen kämpfen. Seit Jahren habe ich keine großen Hoffnungen, bin aber dennoch zuversichtlich in Bezug auf Bewusstsein und Gerechtigkeit.
Josef Fürpaß, Künstler und Lehrer an der Meisterschule für Kunst und Gestaltung/Ortweinschule Graz (Foto: Pierre Pitzl)
Office Ukraine Innsbruck
"Laut bleiben und sichtbar machen"
Ein Interview mit Kooperationspartnerin Nadja Ayoub / Kunstraum Schwaz
Photo: Verena Nagl
Nadja Ayoub, Leiterin des Kunstraum Schwaz (vormals Galerie der Stadt Schwaz), steht bereits seit Beginn der Initiative Office Ukraine in engem Austausch mit dem Innsbrucker Büro. Die engagierte Kuratorin sprach mit uns über ihre Beweggründe, den Austausch mit ukrainischen Künstler:innen und wie der Krieg ihre kuratorische Praxis veränderte.
Im vergangenen Jahr hat Nadja Ayoub bereits zahlreiche Veranstaltungen und Projekte mit ukrainischen Künstler:innen organisiert und gestaltet, weitere Projekte sind in Planung. Ein wichtiger Moment war eine Veranstaltung im Kunstraum Schwaz, das aus Anlass des 24. Februars in Kooperation mit Office Ukraine Innsbruck organisiert wurde. "Wir zeigten den Film 'The Distant Barking of Dogs' von Simon Lereng Wilmont. Ich empfand es als sehr wichtig, Ende Februar gemeinsam mit anderen kulturellen Einrichtungen auf diesen Tag aufmerksam zu machen und Künstler:innen aus der Ukraine sprechen zu lassen, abseits der medialen Berichterstattung. Der Dokumentarfilm 'The Distant Barking of Dogs' zeigt uns einen anderen Einblick in den Krieg. Er zeigt uns den Alltag eines Kindes. Er zeigt uns das, was nicht in den Nachrichten zu sehen ist und vermittelt ein Gefühl, was es bedeutet, dort zu leben."
Außerdem ist Nadja Ayoub Jurymitglied des Artist in Residence Programms der Stadt Schwaz und des diesjährigen medienfrische-Festivals: "Bei beiden wurden Künstler:innen aus der Ukraine eingeladen. In Schwaz überzeugte Alina Panasenko, Filmemacherin aus Kiew mit ihrer feinfühligen Auseinandersetzung mit den Bergehalden Tirols und des Donbas, aus dem sie ursprünglich kam."
Durch das Office Ukraine Innsbruck lernte sie auch die Kulturwissenschaftlerin und Kuratorin Iryna Kurhanska im Mai 2022 in Innsbruck kennen. "Gemeinsam mit ihr kuratiere ich die Ausstellung 'gestures of archiving', die im Herbst 2023 im Kunstraum Schwaz gezeigt wird. Insgesamt nehmen sechs Künstler:innen daran teil, drei davon aus der Ukraine."
Die Kontakte zu ukrainischen Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen knüpfte sie großteils in dem kurzen Zeitraum seit Beginn des großflächigen Krieges im Februar 2022. Sie erinnert sich noch gut an die von Iryna Kurhanska kuratierte Office-Ukraine-Veranstaltung 'Where to go?' im Mai 2022 im Künstler:innenhaus Büchsenhausen, die sie näher in Berührung mit der ukrainischen Kunstszene brachte. "Zoya Laktionova zeigte ihren Dokumentarfilm Territory of Empty Windows (2020). Es war ein merkwürdiger Abend, so kurz nach Ausbruch des Krieges, dessen eigentliche Geschichte schon soviel früher begann."
Der Austausch mit ukrainischen Kulturakteur:innen und die Auseinandersetzung mit neu aufgeworfenen Fragen ist seitdem Bestandteil ihrer kuratorischen Arbeit geworden. "Grundsätzlich empfinde ich den Austausch mit Künstler:innen oder Kulturarbeiter:innen, egal woher sie kommen und unter welchen Umständen, als einen bereichernden Moment. Kunst ist schon immer als Vehikel der Zeit zu sehen, als Transporteurin, Vermittlerin, Beobachterin. Ihr Anspruch ist der des Sichtbarmachens, des sich Öffnenden und des ‚offen-bleibenden‘. Es wäre aber nun falsch zu sagen, all diese Veranstaltungen im Kunstraum Schwaz mit Künstler:innen aus der Ukraine, die inzwischen stattgefunden haben, oder die Ausstellung 'gestures of archiving', waren schon immer so geplant. Die Situation des Krieges hat auch in meiner kuratorischen Praxis vieles verändert. Die Vorstellung von Europa hat sich verändert und was dieses 'Europa' überhaupt bedeutet, innerhalb seiner eigenen Grenzen. Wer wird gesehen und wer nicht? Alle Menschen, die ich durch diese Veränderungen kennengelernt habe, alle Gespräche, die ich mit ihnen geführt habe, haben mich positiv beeinflusst. Aus einigen Begegnungen sind Freundschaften entstanden."
Die Beweggründe für Nadja Ayoubs Engagement sind vielfältig und schließen den globalen Kontext mit ein: "Die Frage: ‚Where to go?‘ bleibt. Nicht nur für Menschen aus der Ukraine, sondern für so viele aus allen Teilen der Erde, die aufgrund von Krieg, Ausbeutung, Diskriminierung, Klimawandel usw. gezwungen sind, ihr Zuhause zu verlassen. Ich halte es für unabdingbar, sich diesen Kontexten weiter zu widmen, im Austausch zu bleiben, laut zu bleiben und sichtbar zu machen. Diesbezüglich stellen Initiativen wie das Office Ukraine eine wichtige Anlaufstelle dar. Sie verknüpfen und vernetzen, bringen zusammen und machen aufmerksam. Sie bilden eine offene Gemeinschaft und sind wesentlich für die erste Frage: Wo sollen wir anfangen?"
Nadja Ayoub ist zuversichtlich, dass viele der neu entstandenen Beziehungen zwischen der österreichischen und ukrainischen Kunstzene langfristig bestehen bleiben. "Zumindest für den Kunstraum Schwaz kann ich sagen, dass noch einige Projekte in Zusammenarbeit mit ukrainischen Künstler:innen folgen werden."
Iryna Kurhanska im Gespräch mit Alina Panasenko in Kunstraum Schwaz. Photo: Verena Nagl
Durch ihre Arbeit trägt sie wesentlich dazu bei, dass der Krieg in der Ukraine und die Stimmen ukrainischer Kulturakteur:innen nicht in Vergessenheit geraten. Das rege Interesse und das Feedback der lokalen Öffentlichkeiten berührt und bestärkt die Leiterin des Kunstraums. "Die Resonanz der Besucher:innen in Schwaz war stets eine positive", bemerkt Nadja Ayoub. "Die Menschen reagierten emotionaler, betroffener und teilten ihre Sorgen und Ängste in Bezug auf den Krieg mit uns. Es ist greifbarer, einem Menschen gegenüber zu sitzen, der aus dem Kriegsgebiet kommt, als tägliche Nachrichten aus den Medien zu lesen, die so viel Wesentliches aussparen und oft nur einseitige Berichterstattung widerspiegeln. Ihr oder ihm zuzuhören, wie sie/er über ihre/seine Arbeiten spricht, bedeutet ein vollkommenes Einlassen, ein 'jetzt bin ich hier und kann nicht wegschauen'. Besonders beim Artist Talk 'Myth of the Landscape' mit Alina Panasenko am Ende ihres Aufenthaltes in Schwaz wurde das spürbar. Noch einige Tage danach kamen Menschen aus der Umgebung, um sich ihre Arbeiten anzusehen und um mit uns über den Krieg zu sprechen. Das war ein berührender Moment."
IN // BETWEEN: Workshopreihe für ukrainische Künstler:innen in Österreich
In der letzten Märzwoche fand in drei Städten Österreichs der für ukrainische Künstler:innen konzipierte und in Kooperation mit den Office Ukraine Büros umgesetzte Wanderworkshop IN // BETWEEN statt. IN // BETWEEN: London and Kharkiv [https://www.instagram.com/inbetweenlondonandkharkiv/] ist ein kollaboratives Forschungsprojekt, das von UK/Ukraine Season: Future Reimagined, vom British Council, dem Ukrainian Institute, dem Royal College of Art und dem YermilovCentre unterstützt wird. Die Workshopleitenden – Künstler:innen und Lehrende am Royal College of Art (London, UK) – veranstalteten in Graz (25. März), Wien (27. März) und Innsbruck (28. März) eintägige Workshops basierend auf dem Psychogeographie-Ansatz, an denen 21 ukrainische Künstler:innen verschiedener Disziplinen beteiligt waren.
IN // BETWEEN ist eine praxisgeleitete Forschungskooperation, die seit Februar 2022 neu konzipiert wurde und in Städten in ganz Europa sowie online stattfindet. Das Team besteht aus Kyung Hwa Shon und Aleya James, zwei mit dem Royal College of Art (London, UK) affiliierten Kulturakteur:innen, und der Kuratorin Olena Kasperovych (YermilovCentre, Ukraine). Kyung Hwa Shon ist eine interdisziplinäre Künstlerin, Forscherin und Pädagogin; sie arbeitet als Research Tutor am Royal College of Art in London. Die Forscherin, Pädagogin und Autorin Aleya James arbeitet als Academic Skills Tutor am Royal College of Art. Olena Kasperovych hat mehrere internationale Ausstellungen sowie ein Residenzprogramm im YermilovCentre in Charkiw kuratiert.
Die Workshops boten den ukrainischen Künstler:innen die Möglichkeit, sich zu treffen, auszutauschen und in kollaborative Kunst- und Schreibpraktiken einzutauchen. Während der Workshops in den genannten österreichischen Städten lernten die Teilnehmer:innen die Dérive-Methode kennen und wandten sie mit ihren künstlerischen Medien an. Die Künstler:innen beschäftigten sich mit Praktiken des Dokumentierens und Archivierens, des Schreibens und Zeichnens, des Fotografierens und Sammelns, des Lesens und Sprechens. Die Treffen wurden so zu einem fruchtbaren Boden für Vernetzungsmöglichkeiten unter den Künstler:innen. Als Ergebnis der anschließenden Arbeit in Kleingruppen entwickelten die Teilnehmenden künstlerische Projekte, die auf ihrer Erkundung von Raum und Umgebung basierten. Diese Arbeiten werden in der Abschlussphase des Projekts in eine Ausstellung und/oder Publikation einfließen. Die gesammelten Erfahrungen und neuen Fähigkeiten werden die Künstler:innen weiterhin in ihrer künstlerischen Praxis begleiten und inspirieren.
Die Plattform Office Ukraine dankt dem Projektteam von IN // BETWEEN: London and Kharkiv für die Zusammenarbeit und die gemeinsame kreative Zeit.
Workshop in Graz (25. März). Teilnehmende: Margo Sarkisova, Anastasiia Rudnieva, Elmira Shemsedinova, Eva Fomitskih. Ort: Rotor Zentrum für zeitgenössische Kunst. Foto: Olena Kasperovych
Workshop in Wien (27. März). Teilnehmende: Lizaveta German, Marta Ahafonova, Ivan Mochebrod, Marianna Kotsan, Oleksandra Horbatiuk, Eliza Pogorilska, Lyudmyla Zadorozhna, Mark Chehodaiev, Ania Zorh. Ort: IG Architektur Wien. Foto: Olena Kasperovych
Workshop in Innsbruck (28. März). Teilnehmende: Angelina Danko, Yana Grechukhina, Kristina Kapeliuh, Iryna Kurhanska, Tamara Maksymenko, Sofia Martseniuk, Oksana Radkevych, Angela Zavhorodniaia. Ort: Künstlerhaus Büchsenhausen. Foto: Veronika Riedl
Office Ukraine Wien
Inner Landscapes
Unter dem Titel "Inner Landscapes" versammelte die Ausstellung in der Fenstergalerie der ERSTE Stiftung sieben ukrainische Künstler:innen — Lilia Petrova, Maryna Shtanko, Yevgen Samborsky, Vladyslav Riaboshtan,Taras Kovach, Yana Franz und Marharyta Zhurunova —, die mit unterschiedlichen Medien und Formaten arbeiten und an verschiedenen Orten leben.
Viele ukrainische Künstler:innen sind aufgrund der russischen Invasion gezwungen, ein Nomadendasein zu führen. Die bis 27. April präsentierten Arbeiten sind das Ergebnis einer Auseinandersetzung der Künstler:innen mit ihrer ungewissen existenziellen Situation.
Die Arbeiten verbinden Zeiten und Orte, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: ukrainische Städte und Dörfer mit den Straßen Wiens, Smartphone-Screenshots mit Fantasiewelten, persönliche Befindlichkeiten mit Alltagsumgebungen.
Intention dieser Ausstellung war es, die Schwellenräume und Landschaften zu zeigen, die aufgrund ihrer Flüchtigkeit in die monumentale Logik schwer zu erfassen sind. Sie liegen zwischen dem Äußeren und dem Inneren, dem Urbanen und dem Privaten, dem Digitalen und dem Analogen.
Im Rahmen eines "Get Together" fand am 28. März in der ERSTE Bibliothek das Opening der Ausstellung statt: Nach einer Einführung über die ERSTE-Stiftung durch Heide Wihrheim gab Natalia Gurova von Office Ukraine Einblick in das Ausstellungskonzept. Im Anschluss führte Jutta Braidt, Leiterin der ERSTE Stiftung Bibliothek, interessierte Veranstaltungsbesucher:innen durch die Bibliothek.
Eine Kooperation von ERSTE Stiftung und Office Ukraine.
Fotos: Diana Fedoriaka
Ukrainische Künstler:innen im Projekt myt': Wo Vergangenheit und Gegenwart im LOT aufeinandertreffen
Office Ukraine unterstützt vor allem Initiativen, die ukrainische Künstler:innen in ihr Programm aufnehmen und ihnen Raum und Möglichkeiten bieten. Das LOT ist ein neuer Raum im 10. Bezirk in Wien, der sich in der Brotfabrik befindet und zu Beginn des Krieges seine Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck brachte. Vom 10. bis 12. März fand im LOT ein dreitägiges Festival statt, das der Symbolik der ukrainischen Kunst gewidmet war. Wir sprachen mit Lidiia Akryshora, einer der Kuratorinnen der performativen Ausstellung myt'.
Foto: Jana Mack
Die Kernausstellung "myt´: where past meets present" stellte die Werke von vier Künstler:innen vor - dem Duo SOC.I.A COLLECTIVE, Hélène Litorelle und Anastasiia Yevstratenko.
Die visuelle und performative Herangehensweise der Künstler:innen reflektierte die Identität und Geschichte der Ukraine, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den brutalen hunderte Jahre langen russischen Imperialismus. SOC.I.A COLLECTIVE zeigte in einer Performance, wie es sich anfühlt, wenn sich ein Raketenangriff der Stadt nähert. Hélène Litorelle stellte ihr in einem ukrainischen Bunker geschriebenes Kriegstagebuch vor. Anastasiia Yevstratenko versuchte, durch eine Reihe von Gemälden über ukrainische Mythologie und den Krieg die Lücke im Bereich Folklore zu schließen, die durch jahrelange aggressive russische Kolonialpolitik verloren gegangen ist.
Die performative Ausstellung "myt´: where past meets present" ist ein Resultat des im Oktober 2022 initiierten Formats OPENLOT. Die ukrainischen Künstler:innen konnten beim LOT auf Stipendienbasis arbeiten – ein halbes Jahr später zeigten die Künstler:innen nun, wie sich ihre Arbeitsprojekte entwickelt hatten. ECHOLOT, ein Kulturverein für transdisziplinäre Kunst und angewandte Forschung, hat dabei in Kooperation mit den Künstler:innen die Ausstellung konzipiert.
Lidiia Akryshora im Gespräch über das Konzept der Ausstellung:
"Als Kurator:innen wollten wir die Ukraine im Kontext zeigen. Der russische Angriff ist ein imperialer Krieg und ein Krieg um Kultur. Es ist sehr naiv zu behaupten, dass Kultur und Sport unpolitisch sind. Das erste, was Russland in den letzten 400 Jahren getan hat, war die Zerstörung der ukrainischen Kultur, Sprache und damit der Identität. Wir wollten die schönen und farbenfrohen ukrainischen Traditionen und die moderne Kultur zeigen und aufzeigen, wie die Ukrainer es geschafft haben, Alt und Neu miteinander zu verbinden – aber auch, dass die ukrainische Kultur eine europäische Kultur ist.
Und natürlich wollten wir nicht zuletzt darauf aufmerksam machen, dass wir niemals zulassen dürfen, dass sich diese Aggression und der neunjährige Krieg "normalisieren", sondern dass wir dafür kämpfen müssen, ihn sobald wie möglich beenden zu können. Denn je eher die Ukraine gewinnt, desto eher können wir unsere Demokratie weiterentwickeln.
Ich bin wirklich stolz darauf, dass wir es geschafft haben, das LOT in eine Ausstellungshalle mit einem neuen Konzept zu verwandeln – wo man sich ganz zwanglos aufhalten, aber auch etwas Neues lernen kann.
Da die Künstler:innen sehr unterschiedlich arbeiten, waren auch die Themen vielfältig – traditionelle Fotos von Ukrainer:innen aus dem Honchar-Museum, Dokumentarfotos, Kino, auch ein Bandura-Konzert. Wir als Kuratoren – Hans-Christian Hasselmann und ich – arbeiten in den Bereichen Journalismus und Theater/Regie. Wir haben versucht, viele Institutionen, aber etwa auch Vertreter:innen der Botschaft, einzubeziehen. Ich bin also froh, dass es uns gelungen ist, ein sehr heterogenes Publikum zusammenzubringen, Menschen, die sich vielleicht sonst nie begegnen würden."
Wir haben Lidiia auch über die Zusammenarbeit zwischen LOT und ukrainischen Künstler:innen befragt.
"Es war eine absolut produktive Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen ukrainischen und österreichischen Projektbeteiligten, bei der die Bühne/der Raum/der Ort sehr offen für ukrainische Stimmen war, damit diese gehört werden können. Ich persönlich habe mich sehr darüber gefreut, dass so viele Menschen unterschiedlicher Herkunft sich für die Ausstellung interessiert haben."
Foto: Jana Mack
Another Side
Einzelausstellung von Anzhelika Palyvoda bei META legal
Die erste Soloshow der jungen ukrainischen Künstlerin Anzhelika Palyvoda in Wien ist derzeit bei META legal unter dem Titel "Another Side" zu sehen.
Ihre Arbeiten aus den beiden stilistisch unterschiedlichen Serien "Another Side" und "Sticks & Stones", die parallel in Wien entstanden sind, wo die Absolventin der National Academy of Art and Architecture in Kyiv seit Oktober letzten Jahres lebt und an der Universität für angewandte Kunst studiert, versteht Anzhelika Palyvoda als reflektierten Dialog: zwischen ihr und der neuen Umgebung im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Fremdheit.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der Arbeiten (Acryl auf Leinwand) der 2000 in Kyiv geborenen Künstlerin thematisieren Aspekte der aktuellen dramatischen Situation von Ukrainer:innen sowie von Palyvoda selbst: etwa Flucht und der komplizierte Prozess, ein neues Leben in einem fremden Land zu beginnen. Gleichzeitig spürt die Künstlerin in ihren meist in gedämpften Naturfarben gehaltenen Arbeiten, denen mitunter korrespondierende Satzfragmente wie "Ein Dach über dem Kopf haben" eingeschrieben sind, auch den Ähnlichkeiten, etwa in Sprache und Landschaft, zwischen Österreich und der Ukraine nach.
Die Ausstellung ist bis 23. September, Mo - Fr 9.00 - 18.00 zu sehen.
Voranmeldung unter philip.raffling@meta-legal.at erbeten
META legal
Universitätsring 12/1/13,
A-1010 Wien
Foto: Anzhelika Palyvoda, Mother’s Portrait, 2022, acrylic_canvas, 80x90 cm, Vienna / Austria
Office Ukraine Graz
Großes Talent zur Selbstorganisation
Am 11. März 2023 wurde in der Wohnung der ukrainischen Künstler:innen Yevheniia Laptii und Svitlana Zhytnia in Graz die Ausstellung "Home Reflections" eröffnet. Ziel dieser Pop-up-Ausstellung war es, die Beziehungen zur lokalen Community auszubauen und auf die vielseitig talentierten Künstler:innen aus der Ukraine aufmerksam zu machen. Weitere Ausstellungen sind geplant.
Foto: Thomas Raggam
Mit Yevheniia Laptii, einer der beiden Initiatorinnen der Ausstellung, sprach Nastia Khlestova, Kuratorin und Mitarbeiterin des Office Ukraine Graz:
Warum und wie entstand die Idee einer Ausstellung in der eigenen Wohnung?
Als ausgebildete Kunsthistorikerin habe ich früher Ausstellungen organisiert, dann aber selbst angefangen zu fotografieren und mich aus dem kuratorischen Feld zurückgezogen. In letzter Zeit bin ich jedoch wieder daran interessiert, meine künstlerischen Aktivitäten zu erweitern. Ich habe schon immer gerne mit anderen Künstler:innen gearbeitet, sowohl als Managerin als auch als Künstlerin. Und da wir in unserer Wohnung ein großes Zimmer haben – ideal für kleine Ausstellungen –, kam schnell die Idee auf: "Machen wir doch eine Ausstellung!"
Bezieht sich eure Initiative auf die Tradition von Wohnungsausstellungen in der Ukraine, habt ihr euch daran ein Beispiel genommen?
Wohnungsausstellungen sind in der Ukraine weit verbreitet, und die Erfahrung damit war für mich eine Inspiration und auch die Bestätigung, dass eine Ausstellung nicht unbedingt mit einem großen Budget und in professionell ausgestatteten Räumen durchgeführt werden muss.
Erzähl’ uns von der Ausstellung selbst – wie war der Organisationsprozess und welche Künstler:innen haben teilgenommen?
Da die Ausstellung Arbeiten der Grazer ukrainischen Community zeigen sollte, gab es kein Auswahlverfahren für Künstler:innen und ihre Werke. Ich habe einfach eine Gruppe in Telegram erstellt, zu der ich alle Künstler:innen hinzugefügt habe, mit denen ich kommuniziere. Dann habe ich ja auch dich, Nastia, gebeten, alle anderen Künstler:innen, die in Graz sind und die ich nicht so gut kenne, in den Chat aufzunehmen. Im Austausch mit den Künstler:innen habe ich erfahren, woran sie arbeiten und was sie in der Ausstellung zeigen möchten. Als Ergebnis hatten wir elf Teilnehmer:innen: Oksana Solop, Valeriia Lysenko, Elmira Schemsedinova, Polina Makarova, Diana Fedoriaka, Eva Fomitskih, Mariia Rohovets, Yurii Golik, Olia Fedorova, und uns beide: Svitlana Zhytnia und Yevheniia Laptii. Es gab kein Thema für die Ausstellung, das habe ich bewusst so gehalten, weil wir weder Geld für kuratorische Arbeit noch für die Produktion von Werken hatten. Trotzdem verbindet die Werke der meisten Künstler:innen ein Leitmotiv: der Appell an das Intime, Körperliche, eine Suche nach den eigenen Wurzeln. Viele Künstler:innen beziehen sich auf die Landschaft als Erinnerung an die Heimat. Ein Landschaftstraum, ein Gedanke über einen verlorenen friedlichen Himmel, ein verlorenes Zuhause. Andere Künstler:innen brachten Arbeiten mit, in denen sie sich mit dem Körperbild auseinandersetzen. Präsentiert wurden auch Tagebücher, in denen die Künstler:innen durch Reflexion ihrer eigenen Kriegserfahrungen den Alltag vieler Ukrainer:innen widerspiegelten.
Wer war das Publikum der Ausstellung? Welches Feedback habt ihr von der ukrainischen Community erhalten? Welches aus Österreich?
Zuallererst bestand das Publikum der Ausstellung aus unseren Freund:innen und deren Bekannten – insgesamt etwa 50 Personen. Obwohl sich die ukrainische Community erst vor einem Jahr in Graz zu bilden begann, ist sie in dieser Zeit erheblich gewachsen und besteht mittlerweile aus Ukrainer:innen und Österreicher:innen. Viele der Beteiligten luden ihre österreichischen Bekannten, Kurator:innen, andere Künstler:innen und ganz allgemeines Publikum ein, die alle daran interessiert waren, zeitgenössische ukrainische Kunst zu sehen und mit den Künstler:innen in einem zwanglosen Rahmen zu reden. Meiner Meinung nach ist unser Publikum auch daran interessiert, Kunst außerhalb von Galerien zu betrachten. Es ist eine intimere Atmosphäre, die eine tiefere und freundlichere Wahrnehmung von Kunst fördert.
Wie sehen die Zukunftspläne aus? Wird es weitere Wohnungsausstellungen geben?
Derzeit planen wir zwei weitere Ausstellungen, aber diesmal mit einer Auswahl von Künstler:innen, die ihre eigenen Themen und Konzepte haben. Wir planen auch Lectures von ukrainischen Künstler:innen und Kunstkritiker:innen. Diese Vorträge werden auf Englisch und Ukrainisch gehalten werden, um ein breiteres Publikum anzusprechen.
Warum ist deiner Meinung nach Selbstorganisation in der Kunst wichtig – für die Ukrainer:innen und überhaupt für alle in der Kultur?
Meiner Meinung nach ist dies eine philosophische Frage. Die Ereignisse der letzten Jahre in der Ukraine zeigen, dass die ukrainische Gesellschaft großes Talent zur Selbstorganisation hat. Wir können das am Beispiel von Freiwilligenbewegungen sehen, die Geld und Ausrüstung für die Armee sammeln, und bei öffentlichen Organisationen, die Flüchtlingen und Kriegsgeschädigten helfen. Oder bei der Maidan-Revolution, die dann zu einer großen sozialen und politischen Kraft wurde. Selbstorganisation ist ein integraler Bestandteil der ukrainischen Gesellschaft. Wenn es also die Möglichkeit gibt, selbst etwas sozial Nützliches zu tun, warum nicht? Ein weiterer Grund ist meiner Meinung nach, dass die Ukrainer:innen bereits daran gewöhnt sind, dass der Staat weder in kulturellen noch in anderen Bereichen hilft, sodass die meisten Projekte in Eigenregie durchgeführt werden. Ich hoffe, dass der ukrainische Staat und die ukrainische Gesellschaft nach Kriegsende auf einem neuen, qualitativ höheren Niveau sind, und Kunst dadurch in allen Bevölkerungsschichten populär gemacht wird.
"Small flower", Lera Elur. Foto: Thomas Raggam
Yevheniia Laptii ist eine ukrainische Fotokünstlerin, wurde in Charkiw, Ukraine, geboren, ist Absolventin der Kharkiv State Academy of Design and Arts (Fachrichtung «Kunstgeschichte») und lebt momentan in Graz, Österreich.
Office Ukraine Innsbruck
Selbstorganisierte Kunst- und Kulturinitiativen im Westen Österreichs
In diesem Monat möchten wir einige selbstorganisierte Kunst- und Kulturinitiativen im Westen Österreichs vorstellen, die von und für Ukrainer:innen, die aufgrund des russischen Krieges in der Ukraine vorübergehend vertrieben wurden und in Österreich Zuflucht gefunden haben, entwickelt wurden. Wie sind die Initiator:innen auf die Ideen für ihre Projekte gekommen? Mit welchen Hindernissen, aber auch inspirierenden Momenten sind sie konfrontiert? Wie sehen sie ihre Zukunft?
Veranstaltung der Kulturplattform Ukraine-Tirol. Foto: Kulturplattform Ukraine-Tirol
Eine erst kürzlich entstandene, aber bereits sehr aktive Initiative, ist die Kulturplattform Ukraine-Tirol. Sie wurde Ende des Jahres 2022 von Polina Zavhorodniaia und Tatiana Ataiants in Innsbruck gegründet. Beide sind bereits vor einigen Jahren nach Österreich gezogen – Polina studiert Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck und Tatiana zog ein Jahr vor der großangelegten Invasion wegen der Arbeit ihres Mannes von Odesa nach Innsbruck. Die beiden konnten seitdem aufgrund der Kriegshandlungen in der Nähe ihrer Heimatstadt nicht in die Ukraine zurückkehren. Polinas und Tatianas Einschätzung nach erhielten Ukrainer:innen, die sich seit Februar 2022 kriegsbedingt in Tirol niederließen, zwar finanzielle, rechtliche und medizinische Unterstützung von der Regierung, aber es fehlte ihnen an grundlegenden Kenntnissen darüber, wie die Dinge in Österreich funktionieren, und an einem Gefühl von Gemeinschaft, weshalb viele an Heimweh leiden.
"Als Menschen, die bereits alle Herausforderungen des Ankommens in einem neuen Land erlebt haben, konnten wir uns gut vorstellen, mit welchen Problemen die Ukrainer:innen, die 2022 flüchteten, konfrontiert werden würden", erklärt Polina, eine der Mitbegründerinnen der Plattform. "Jede Person, die schon einmal den Entschluss gefasst hat, zu emigrieren, weiß, wie schwierig das ist. Aber stell dir vor, wie hart es ist, wenn alles von einer Sekunde auf die andere auf den Kopf gestellt wird und man keine andere Wahl hat, als sich an einem gänzlich anderen Ort ein neues Leben aufzubauen.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf haben wir beschlossen, die Kulturplattform Ukraine-Tirol zu gründen, um den Menschen zu helfen, sich hier ein erfülltes Leben aufzubauen. Wir wollten Brücken zwischen Ukrainer:innen und Österreicher:innen in verschiedenen Lebensbereichen bauen. Wenn die Menschen ihre Umgebung besser verstehen, die Sprache sprechen, wenn sie lernen, kreativ sein, einfach Spaß haben und andere Menschen treffen können, wird sich ihr Leben verbessern."
Tatiana und Polina. Foto: Sofia Martseniuk
Einmal pro Woche organisiert die Plattform Treffen im Kulturzentrum Die Bäckerei – Kulturbackstube in Innsbruck. Das Format der Treffen ist vielfältig: Konversationsclubs, Kunst-Workshops, Spieleabende, Treffen mit lokalen Organisationen, Diskussionsrunden, Filmvorführungen und vieles mehr. Ihre Idee war mehr als erfolgreich: Die Plätze sind oft Wochen im Voraus ausgebucht.
"Natürlich", fährt Polina fort, "besteht unser Hauptziel darin, den Menschen zu helfen, mit den Veränderungen umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen. Doch hinter dieser einfachen Idee stehen tiefergehende Überlegungen. Unsere Veranstaltungen sind auf verschiedene Lebensbereiche und Bedürfnisse ausgerichtet. Wir haben Sprachclubs, die Ukrainer:innen helfen, die Sprache zu lernen und Deutsch-Sprechende zu treffen, und wir organisieren verschiedene Kunst-Workshops und Meisterkurse. Unsere psychologischen Workshops und Kunsttherapie-Angebote helfen den Menschen, sich selbst zu verstehen und zu spüren. Wir veranstalten auch Diskussionsrunden und Fragerunden mit Einheimischen und Organisationen, um den Neuangekommenen ein Verständnis für die Gesellschaft zu vermitteln und ihnen zu zeigen, wie sie sich hier ein Leben aufbauen können, an wen sie sich wenden und wo sie Hilfe suchen können. Außerdem wollen wir gemeinsam Spaß haben und veranstalten Spieleabende und Gesprächsrunden. Die Plattform ist tatsächlich erfolgreich. Das bedeutet, dass die Menschen sie brauchen und als hilfreich empfinden, was uns unglaublich glücklich macht und uns motiviert, weiterzumachen und unser Projekt weiterzuentwickeln."
Bislang hat die Kulturplattform Ukraine-Tirol rund zwanzig Treffen mit über hundert Teilnehmer:innen organisiert.
Schon bald nach der Gründung ihrer Initiative setzte sich Polina mit Office Ukraine Innsbruck in Verbindung. Das Ergebnis: Einige ukrainische Künstler:innen, die in der Datenbank des Office Ukraine eingetragen sind und derzeit im Westen Österreichs wohnen, wurden von der Kulturplattform Ukraine-Tirol eingeladen, Kunst-Workshops für die ukrainische Community abzuhalten. Bei diesen Workshops haben die Ukrainer:innen die Möglichkeit, in entspannter Atmosphäre kreativ zu sein, neue Leute kennenzulernen und künstlerische Fähigkeiten zu erlernen. Die künstlerischen Workshops waren so erfolgreich, dass einige Künstler:innen nun überlegen, regelmäßig eigene Workshop-Reihen zu veranstalten und sich in Österreich selbstständig zu machen.
Aquarell-Workshop mit Angelina Danko im Künstlerhaus Büchsenhausen. Foto: Sofia Martseniuk
Eine von ihnen ist Angelina Danko, die Aquarellmalerei unterrichtet: "Mir wurde klar, dass wir Ukrainer:innen in diesen Tagen mehr Inspiration brauchen – etwas, das uns aufmuntern und uns Kraft geben kann. Das Zeichnen war für mich immer eine solche Kraftquelle. Durch einen glücklichen Zufall habe ich von Office Ukraine gehört und Polina und die Kulturplattform kennengelernt. Das Abhalten von kostenlosen Kursen ist für mich eine Gelegenheit, etwas in dieser Welt zu verändern. Als ich den ersten Aquarellkurs abhielt, wurde mir klar, dass die Menschen eine herzliche und aufgeschlossene Community brauchen, in der sie kreativ sein können. Ich beschloss, weiterzumachen und meine eigene kreative Initiative zu gründen, um mehr Treffen zu ermöglichen. So entstand "Creative Events Tirol". Ich habe bereits einen eigenen Kurs abgehalten und plane, noch mehr Veranstaltungen zu organisieren. Ich arbeite gerade daran, mich in Österreich selbstständig zu machen. Ich träume von einem eigenen Atelier hier in Innsbruck, wo wir regelmäßig Kurse abhalten können."
Auch in Vorarlberg haben drei ukrainische Künstler:innen eine Malworkshop-Reihe organisiert. Maryna Liapina, Svitlana Vardanian und Zugairat Novikova erhielten eine Projektförderung im Rahmen der BMKÖS-Sonderförderung Ukraine-Hilfe für die Durchführung einer Reihe von Malworkshops für ukrainische Frauen im vogelfreiRAUM in Rankweil.
"Wir malen alle auf eine andere Art und Weise", erzählen die Künstler:innen, "und haben unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliche Berufe. Das Gemeinsame, das uns verbindet, ist die Leidenschaft für die Kreativität. So beschlossen wir, gemeinsam Zeichen- und Malworkshops anzubieten. Jeden Montag von 17:00 bis 19:00 Uhr genießen wir mit einem Pinsel in der Hand die gemütliche Atmosphäre im vogelfreiRAUM."
Malworkshop im vogelfreiRAUM in Rankweil. Foto: Zugairat Novikova
Obwohl sich die drei Frauen erst letztes Jahr in Österreich kennengelernt haben, denken sie aktuell darüber nach, in Kyiv ein eigenes Gruppenatelier zu eröffnen, in dem sie Workshops durchführen wollen. Für die Zukunft ist auch eine Reihe von Ausstellungen geplant, von denen eine bereits in Arbeit ist. Zu den kommenden Workshops sind sowohl Ukrainer:innen als auch Österreicher:innen eingeladen, sodass Menschen aus verschiedenen Ländern, die aufgrund der Umstände zufällig am gleichen Ort leben, Freundschaften schließen können. Die Verständigung dürfte dabei kein Problem sein: "In den Kursen können wir auf Englisch kommunizieren und wenn dies nicht möglich ist, sprechen wir ganz einfach die Sprache der Kunst."
Office Ukraine Wien
Ruhepunkt im Herzen von Wien
Die Artist Residency im MuseumsQuartier Wien wurde aufgrund des Krieges auch für ukrainische Künstler:innen geöffnet
Ein Interview mit Larissa Agel, Geschäftsführerin und Projektmanagerin bei tranzit.at und Teil des Office Ukraine Teams
Larissa, du bist Teil des Office Ukraine, betreust aber auch das Artist-in-Residency Programm im Wiener MuseumsQuartier. Könntest du uns mehr über die Verbindung erzählen?
tranzit.at ist der in Wien ansässige Teil des tranzit-Netzwerks. Wir sind ein Verein für zeitgenössische Kunst, der hauptsächlich Projekte an den Rändern von Europa durchführt. Gemeinsam mit rotor in Graz und dem Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck und mit der Unterstützung des BMKÖS haben wir das Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists gegründet.
tranzit.at hat aber neben dem Office Ukraine auch andere Projekte. So betreuen wir unter anderem auch das Artist-in-Residence Programm im MQ, das auf Initiative der ERSTE Stiftung schon seit 2003 besteht.
Könntest du ein wenig über die Residency erzählen? Wann wurde sie gegründet, aus welchen Gründen und wie viele Künstler:innen haben sie absolviert? Was ist der Schwerpunkt der Residency?
Das Artist-in-Residence Programm im Q21/MuseumsQuartier in Wien ist Teil der langjährigen Partnerschaft von tranzit mit der ERSTE Stiftung. Es unterstützt das konsequente Bestreben der Stiftung, zeitgenössische Kunst zu fördern und die fragilen Situationen der Kunstschaffenden, insbesondere in den Regionen Mittel-, Ost- und Südosteuropa, zu stärken. Die Residency besteht seit 2003 und gilt damit als unmittelbare Reaktion auf die Gründung des tranzit Netzwerks in 2002. Seit damals haben sicher über 150 Künstler:innen teilgenommen. Das Programm richtet sich an Künstler:innen und Kurator:innen aus den Ländern, in denen tranzit aktiv ist – also Slowakei, Tschechien, Rumänien und Ungarn. Seit 2019 kamen auch noch Slowenien und Kroatien dazu, um auch noch die anderen zentralen Langzeitpartner der Stiftung miteinzubeziehen. Die Igor Zabel Association hat ihren Sitz in Ljubljana und die Kontakt Sammlung arbeitet mit der in Zagreb ansässigen WHW Akademija zusammen.
Gibt es einen speziellen Fokus? Müssen die Künstler:innen bestimmte Aufgaben erfüllen?
Den eingeladenen Künstler:innen wird ganz bewusst die Möglichkeit gegeben, in ihrem jeweiligen Bereich gezielten Research zu betreiben. Der dezidierte Forschungscharakter dieses Residence Programms soll es ermöglichen, vom aufreibenden Produktionsdruck des Künstler:innen-Alltags Abstand zu nehmen und die notwendige Zeit zu finden, sich auf ein bestimmtes Interesse zu konzentrieren. Den Teilnehmer:innen wird es ermöglicht, für die Dauer von zwei Monaten in einem der MuseumsQuartier-Studios mitten im Herzen Wiens zu leben und zu arbeiten. Gemeinsam mit unseren Kolleginnen vom MQ unterstützen wir sie auch dabei, die für sie wichtigen Kontakte herzustellen und sich mit der lokalen Kunstszene zu vernetzen.
Eugen Arlov
Wie viele Ukrainer:innen gab es vor und nach dem Krieg?
Die Residency war bisher nur auf die soeben genannten Länder ausgerichtet. Angesichts der Dringlichkeit haben wir jedoch 2022 beschlossen, unsere Solidarität mit der Ukraine und den Menschen, die den anhaltenden Krieg dort ertragen, oder davor fliehen müssen, zum Ausdruck zu bringen. Daher haben wir das Artist-in-Residence Programm für ukrainische Künstler:innen und Kurator:innen geöffnet und ihnen die erste Hälfte des Jahres 2023 gewidmet. Drei Residency Plätze konnten somit für jeweils zwei Monate zur Verfügung gestellt werden. Doch auch im Jahr 2022 konnten wir durch einen spontanen Ausfall eines Künstlers den ukrainischen Künstler Anatoly Belov in unser Programm aufnehmen und ihm zwei Monate im Museumsquartier ermöglichen.
Welche ukrainischen Künstler:innen nehmen in diesem Jahr teil, und welche Art von Kunst machen sie?
Eugen Arlov, Serge Klymko und Anna Sorokovaya sind die drei Künstler:innen und Kurator:innen aus der Ukraine. Eugen Arlov ist ein new media artist, performer und sound artist aus Kyiv. Er verarbeitet historische, soziale und politische Kontexte. In seiner Praxis wendet er sich oft dem Raum und der menschlichen Interaktion mit ihm zu und schafft so immersive Räume.
Serge Klymko
Serge Klymko arbeitet als Kurator, Kulturmanager, Researcher und Autor an der Schnittstelle von visueller und performativer Kunst und Musik. Er ist Geschäftsführer und Kurator der Kyiv Biennale – einem internationalen Forum für Kunst, Wissen und Politik, das Ausstellungen und Diskussionsplattformen zusammenbringt. Seit 2015 ist Serge Klymko Gründer und Kurator des interdisziplinären Raums Khashi für performative Kunst und urbane Ökosystemforschung in der Ukraine. Im März 2022 gründete er ESI _ Emergency Support Initiative für ukrainische Kulturschaffende, die durch den Krieg in Not geraten sind. Das Ziel der Initiative ist es, die im Land verbliebenen Menschen zu unterstützen und ihnen unter den Bedingungen der Besatzung und/oder Umsiedlung sofortige finanzielle Hilfe zu gewähren.
Anna Sorokovaya
Anna Sorokovaya ist eine bildende Künstlerin, die mit Objekten, Installationen und Fotografie arbeitet. Sie verwendet in ihrer künstlerischen und kuratorischen Praxis einen interdisziplinären Ansatz. Sie ist interessiert an sozialen und politischen Phänomenen – an der Art und Weise, wie Narrative und Erinnerungspolitik konstruiert werden.
Wie erfährt man etwas über den Bewerbungsprozess? Wer kann sich bewerben? Und wie funktioniert das Auswahlverfahren?
Der Residency Call wird jedes Jahr im Spätsommer online gestellt. Nähere Informationen dazu werden auf der tranzit-Website veröffentlicht und auch über die Kanäle der anderen Kooperationspartner. Die Einreichenden werden gebeten, ein Formular auszufüllen, in dem nach generellen Eckdaten gefragt wird, einem kurzen Motivationsschreiben, warum sie sich bewerben, sowie nach ihrem CV. Diese Informationen werden gemeinsam mit einem Portfolio eingereicht und schließlich von der Jury begutachtet. Die Jury setzt sich zusammen aus den Vertreter:innen des tranzit Netzwerks, Igor Zabel Association und Kontakt Sammlung, gemeinsam mit WHW Akademija, sowie der ERSTE Stiftung. Es freut mich sehr, dass ich bei der Auswahl der ukrainischen Bewerbungen die langjährige Expertise von tranzit.at einbringen kann.
"365 Days of full-scale War in Ukraine – Visual Diary" im MuseumsQuartier Wien
Seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des großflächigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, hat sich das Leben aller Ukrainer:innen drastisch geändert: Viele haben die russische Besetzung ihrer Städte erlebt, viele haben Familienmitglieder und Freund:innen verloren, viele sind geflüchtet.
In der Veranstaltung am 24. Februar 2023 in der Arena21 im MuseumsQuartier haben wir anhand unterschiedlicher künstlerischer Medien beleuchtet, was Krieg für die Betroffenen bedeutet: Was erleben Menschen auf der Flucht? Wie erfahren sie ihre erste Zeit in einem fremden Land? Und wie kann das Zusammenleben zwischen Neuankommenden und Österreicher:innen vor dem Hintergrund so unterschiedlicher Lebenssituationen gelingen?
Nach einer Begrüßung durch das Office Ukraine und dem MuseumsQuartier Wien wurde das Video "15.02.22- 24.02.22 KYIV" der jungen Künstlerin Alisa Sizykh präsentiert. Der Film zeigt Videoaufnahmen von Studierenden der Kyiver Stadtakademie für Zirkus- und Varietékünste, die ihre Gedanken über den bevorstehenden Krieg äußern. Es folgte "Guide Map" von Alina Maksimenko, der zwei Wochen nach Kriegsbeginn die Flucht aus Irpin gelang und diese sorgfältig in Form eines Videotagebuchs dokumentierte.
Das Projekt "365 Tage" des Burgtheaterstudios (Leitung: Anna Manzano, Mitarbeit: Anastasiia Yakovenko) im Rahmen der Jungen Akademie 22/23 brachte elf verschiedene Menschen zusammen, die alle derzeit in Wien leben und teilweise aus der Ukraine stammen. Die kollektive Annäherung an dramatische Ereignisse wurde in den letzten 365 Tagen als gemeinsame künstlerische Reflexion erarbeitet. Das Theaterprojekt untersuchte das Unaussprechliche und all die erfolgreichen und gescheiterten Versuche, sich gegenseitig zu verstehen. Nach der Aufführung fand ein Gespräch mit den Teilnehmer:innen des Stücks statt.
Einen zusätzlichen Programmpunkt bildete eine Videoprojektion von Arbeiten ukrainischer Künstler:innen (Yehor Antsyhin, Eugen Arlov, Anatoly Belov, Mark Chehodaiev, Lucy Ivanova, Zoya Laktionova, Kateryna Lysovenko), die drei Tage lang an der Außenfassade des MQ zu sehen war.
Foto: Mariia Yeroshkina
Office Ukraine Graz
Aktionen rund um den 24. Februar 2023
Um an den andauernden Krieg in der Ukraine zu erinnern, konnte das Office Ukraine Graz in Kooperation mit ukrainischen Künstler:innen einige Aktionen rund um den 24. Februar realisieren. Gemeinsam mit den ukrainischen Musikern Nick Acorne und Stas Kononov wurde ein Jingle vorbereitet, der am Jahrestag des 24. Februar ganztägig auf Radio Helsinki ausgestrahlt wurde. Eine Illustration der ukrainischen Künstlerin Valeria Lysenko wurde für das Titelbild der Ausgabe "Ein Jahr Krieg in der Ukraine" der Kleinen Zeitung ausgewählt. Unter dem Titel "Ein Stück Heimat" wurden vier ukrainische Künstler:innen rund um den 24. Februar in den Salzburger Nachrichten vorgestellt: Valeria Lysenko, Anton Malynovskyi, Polina Makarova, Elmira Shemsedinova.
Hier drei Aktionen näher erläutert:
- "Plakatkampagne "WE ARE THE FREEDOM" by Grafprom studio"
- "Wandmalerei "The long-lasting February 24" by Anastasiia Rudnieva"
- "Brief aus der Ukraine "Meine Stimme erreichte die Welt" by Olia Fedorova, eine Kooperation mit der Kleinen Zeitung"
Plakatkampagne "WE ARE THE FREEDOM" by Grafprom studio, ist seit dem 24. Februar an verschiedenen Orten in Graz zu sehen, u.a. an der Murpromenade, am Forum Stadtpark. Die Plakatkampagne WE ARE THE FREEDOM basiert auf Texten des in Charkiw lebenden, ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan, der seit Kriegsbeginn ein offenes Tagebuch führt. Die Zitate aus Zhadan’s Tagebuch haben drei Designer:innen des Grafprom studios mit Slogans ergänzt, die für den ukrainischen Widerstandsgeist stehen. Die aus 24 Plakaten bestehende Kampagne richtet sich an alle Menschen in Österreich, insbesondere an die nach Österreich geflohenen Ukrainier:innen.
Wandmalerei "The long-lasting February 24" by Anastasiia Rudnieva, ist seit dem 24. Februar 2023 im Volksgarten Graz zu sehen. Das von der ukrainischen Künstlerin Anastasiia Rudnieva entworfene Wandbild "The long-lasting February 24" erinnert an den Einmarsch Russlands in der Ukraine vor einem Jahr und steht darüber hinaus für die vielen Ukrainer:innen, die die Last des Krieges tragen, von Verlusten umgeben sind und nach wie vor beharrlichen Widerstand leisten.
Brief aus der Ukraine "Meine Stimme erreichte die Welt" by Olia Fedorova, eine Kooperation mit der Kleinen Zeitung, wurde am 24. Februar 2023 im Zuge der Kundgebung "Year of Russian Aggression. Stop Russian Terror in Ukraine" am Grazer Hauptplatz vorgetragen. Per Brief erzählt die ukrainische Künstlerin Olia Fedorova seit Kriegsbeginn von der Lage in der Ukraine, in regelmäßigen Abständen erscheinen diese Briefe aus der Ukraine in der Kleinen Zeitung. Dabei handelt es sich um Tagebucheinträge, in denen die Künstlerin von ihren subjektiven Wahrnehmungen und Erfahrungen während des Krieges berichtet. Der am 24. Februar 2023 erschienene 20. Brief handelt von den Ereignissen vor einem Jahr, der Invasion Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022.
WE ARE THE FREEDOM, Foto: Maria Narazyan
The long-lasting February 24,
Foto: Anastasiia Rudnieva
Kundgebung am Hauptplatz in Graz,
Foto: Olia Fedorova
Office Ukraine Innsbruck
Kunst, die Krieg sichtbar macht
Der 24. Februar in Innsbruck und Umgebung
Nicht zu vergessen und Krieg nicht als Normalzustand hinzunehmen – unter diesem Motto initiierte und (ko)organisierte das Innsbrucker Büro von Office Ukraine eine Reihe von Projekten und Veranstaltungen anlässlich des 24. Februars. Auch ein Jahr nach Beginn der groß angelegten Invasion zählen Luftschutzwarnungen und Beschuss, Angst und Vertreibung nach wie vor zum Alltag der Ukrainer:innen.
Um den Alltag des Krieges auch im in vermeintlich sicherer Entfernung gelegenen Innsbruck sichtbar zu machen, hat die ukrainische Künstlerin und Grafikdesignerin Kristina Kapeljuh in Zusammenarbeit mit Office Ukraine die Plakatserie "365 Tage Krieg" entworfen. Kapeljuh, derzeit als Artist in Residence in der Architektur- und Kunstschule bilding tätig, bereitete statistische Daten über den Krieg und seine Auswirkungen grafisch auf, druckte diese im Risodruckverfahren und fügte sie zu vier unterschiedlichen Plakaten zusammen. Die Plakate waren ab dem 20. Februar 2023 zwei Wochen lang in den Straßen Innsbrucks zu sehen. Die aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragenen Zahlen und Fakten geben ein Bild über die humanitären, sozio-ökonomischen und politischen Auswirkungen und Hintergründe des russisch-ukrainischen Krieges. Wie viele Menschen sind geflüchtet? Wie weit ist der Krieg von uns entfernt? Wie oft wird der Alltag in der Ukraine von Luftschutzwarnungen unterbrochen? Die Zahlen helfen, sich das Ausmaß und die Realität des Krieges vor Augen zu führen. Denn hinter jeder Zahl stehen persönliche Schicksale, Verluste, zerstörte Zukunftsperspektiven und verlorene Menschenleben. Auf der Website des Projekts können die Quellen sowie weitere Hintergrundinformationen nachgelesen werden.
Kristina Kapeljuh: 365 Tage Krieg, Plakatserie, 2023.
Foto: Daniel Jarosch
Kristina Kapeljuh: Grafik im Risodruckverfahren, aus der Plakatserie 365 Tage Krieg, 2023.
Wie schwierig es ist, Worte für das Erlebte zu finden und es bildlich darzustellen, davon erzählt auch das kurz vor dem Jahrestag fertiggestellte Mural "Ohne Titel, ohne Plan" des in Saporischschja aufgewachsenen Künstlers Miki-Mike 665. An der Wand der Unterführung der Universitätsbrücke Süd schafft er ein intensives Storytelling, das sich auf einem schwarzen Hintergrund entfaltet – eine Anspielung auf die Unklarheit und Unmöglichkeit, gegenwärtig die Zukunft darzustellen. Die figurativen Motive zeigen uns die Realität, mit der die Menschen in der Ukraine seit Beginn des Krieges konfrontiert sind – ein Mann, der ein Fahrrad mit einer Box mit Starlink-Aufschrift schiebt, eine Frau aus der ländlichen Ukraine, bereit, sich zu verteidigen, ein Kind aus der vom Krieg verwüsteten Stadt Isjum, das sich über eine Schachtel Süßigkeiten freut. Aber Miki-Mike 665 zitiert auch den lokalen historischen und zeitgenössischen Kontext: Neben den ukrainischen Protagonist:innen entdecken die Betrachtenden Vater und Sohn, ein Denkmal, das den Tiroler Freiheitskämpfen von 1809 gewidmet ist, und einen Touristen, der durch ein Fernrohr schaut.
Miki-Mike 665: Ohne Titel, ohne Plan.
Foto: Daniel Jarosch
Miki-Mike 665: Ohne Titel, ohne Plan.
Foto: Daniel Jarosch
Durch den Krieg in der Ukraine scheint die geografische Entfernung zu Österreich kleiner geworden zu sein. Doch trotz der vor allem in den ersten Kriegsmonaten ausführlichen Berichterstattung in lokalen Medien bleiben einige Fragen unbeantwortet. Wie sah der Alltag der Menschen in der Ukraine während dieser 365 Tage aus und wie schaffen sie es, weiterzumachen? Wie kann man die völlige Zerstörung des eigenen bisherigen Lebens überstehen, ohne verrückt zu werden? Kann man sich an regelmäßig über den eigenen Kopf fliegende Raketen gewöhnen (was in der gegenwärtigen Situation permanent wiederkehrender Blackouts tatsächlich einfacher ist)? Die derzeit in Innsbruck lebende ukrainische Vertriebene und Mitarbeiterin von Office Ukraine Ira Kurhanska führte in der Radiosendung "Russlands Krieg gegen mich" durch die Lebensrealität der Menschen in und aus der Ukraine. Die im Austrian Cultural Broadcasting Archive nachzuhörende Sendung lässt uns eintauchen in das, was das ganze Jahr unter der Oberfläche der lokalen Nachrichten zu diesem Thema geschah – Musik und DJ-Tracks über den Krieg, Tagebücher und Gedichte, Stand-Up-Comedy-Auszüge und TikTok-Shorts, Memes und Fakten.
Auch die Kinoleinwände wurden in der Woche des 24. Februars mit Bildern aus der Ukraine bespielt. In Kooperation mit dem Leokino Innsbruck wurde eine Videoarbeit der ukrainischen Filmemacherin Zoya Laktionova gezeigt – und das mehrmals. Am 24. Februar war vor jeder Filmvorführung im Leokino und Cinematograph der Kurzfilm "Remember the Smell of Mariupol" als Vorfilm zu sehen. Am Abend, vor der Premiere von Signs of War, sprach die Filmemacherin via Zoom über die Entstehung und die Hintergründe des Films. Ebenfalls freuen wir uns, dass Kunstraum Schwaz unserem Aufruf gefolgt ist, und in Zusammenarbeit mit Office Ukraine ein Screening am 23. Februar organisierte. Der 2017 erschienene Film "The Distant Barking of Dogs" zeigt das Leben einer alten Frau und ihrer Enkel in einem an der Frontlinie gelegenen Dorf im Donbass. Simon Lereng Wilmont begleitete die Protagonist:innen über einen Zeitraum von einem Jahr und zeigt auf, was es bedeutet, in einem Kriegsgebiet aufzuwachsen.
Ira Kurhanska im Gespräch mit der Filmemacherin Zoya Laktionova.
Foto: Andrei Siclodi.
Wichtig war uns an diesem Tag zu betonen, dass wir auch in den kommenden Monaten als Anlaufstelle für ukrainische Kulturakteur:innen in Westösterreich zur Verfügung stehen werden – und dass nach wie vor Bedarf an Unterstützungs- und Kooperationsangeboten vonseiten der österreichischen Kulturinstitutionen und -akteur:innen besteht. Wir hoffen, dass die Kriegsgeschehnisse auch über den 24. Februar hinaus im Blickfeld der Öffentlichkeit bleiben und wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartner:innen zur Stärkung und Sichtbarmachung der ukrainischen Kulturszene beitragen können.
Office Ukraine Wien
In unserer Februar-Ausgabe widmet sich Office Ukraine Wien der Ausstellung "While I float", in der vier ukrainische Künstler:innen präsentiert wurden, sowie zwei von uns unterstützten Artist Residencies in Wien.
Prolet.air.studio residency
Ein Interview mit der Initiatorin Ania Zorh
Wann und zu welchem Zweck wurde die prolet.air.studio residency gegründet? Was sind die Schwerpunkte?
Prolet.air.studio residency wurde im Oktober 2022 initiiert und befindet sich in dem alternativen Bauprojekt Que[e]rbeet, Wildgarten in Wien. Das Artist-in-Residency-Programm "Mothering the (M)other" unterstützt ukrainische Flinta-Künstler*nnen - Alleinerziehende in prekären Lebenssituationen. Die erste Runde der Artists Residency wurde vom BMKÖS unterstützt, die zweite von der ERSTE Stiftung und tranzit.at. Offene Ausschreibungen für beide Runden wurden in sozialen Medien und mit Info-Unterstützung durch Office Ukraine veröffentlicht.
Welche Künstlerinnen haben bisher an dem Residency-Programm teilgenommen?
Zwei Artist-in Residency-Runden wurden bisher realisiert: Von Oktober 2022 – Januar 2023 lebten und arbeiteten die Schwestern Karina und Alina Haieva, ein Künstlerinnen-Tandem und die Gründerinnen von GA.EVA.UA BRAND., die in den Bereichen Grafik- und Modedesign arbeiten, in der Residency. Seit Januar (und bis April) wird die Residency von der bildenden Künstlerin Lucy Ivanova, sowie der Schriftstellerin Oksana Maslova, genutzt.
Wie funktioniert die prolet.air studio residency? Welches Programm ist für die Künstlerinnen während ihres Aufenthalts vorgesehen?
Zu Beginn der Residency wird von den Initiator:innen jeweils ein Künstler:innengespräch organisiert, in dessen Rahmen die Künstler:innen die Gelegenheit haben, die lokale Kunstszene kennenzulernen. Am Ende steht eine Ausstellung, in der jede Künstlerin ihre Arbeiten präsentieren kann. Die Produktion und Präsentation von Kunst ist allerdings kein Muss: Es handelt sich in erster Linie um eine Emergency Residency, bei der der Schwerpunkt nicht auf der Produktion, sondern auf der Betreuung und Unterstützung liegt.
Interview mit Alina und Karina Haieva in der prolet.air.studio residency
Photo: Karina und Alina Haieva, Ania Zorh
Wir sprachen mit den ersten Nutzerinnen der prolet.air.studio residency, Karina und Alina Haieva, und fragten sie nach ihrem Leben in Wien und der Kunstproduktion in Kriegszeiten.
Warum sind Sie nach Wien gekommen? Was sind Ihre Erfahrungen in Österreich?
Wir sind nach Wien gekommen, weil die Russische Föderation auf dem Territorium der Ukraine einmarschiert ist. Wir haben insgesamt drei Kinder, also hatte ihre Sicherheit für uns oberste Priorität. Außerdem lebt unsere Mutter seit 2018 in Österreich, nicht weit von Wien entfernt, so dass sich unser Aufenthalt hier mit dem "Frühurlaub" der Kinder bei der Großmutter verbinden ließ. Wir waren 2010 zum ersten Mal in Wien. Im Frühjahr 2022 wurden meine Schwester und ich in die Wiener Akademie der bildenden Künste eingeladen, um die Klasse von Veronika Dirnhofer zu besuchen. Das Ergebnis war eine gemeinsame Ausstellung an der Akademie, wo wir zum ersten Mal einen weiteren Teil des Projekts "... and flowers will sprout up on the ashes" präsentierten, das Alina Anfang 2022 in Kyiv begonnen hatte. Wir haben im Barbareum und in der ukrainischen Schule in Wien zahlreiche Workshops zum Thema Holzdruck in Textildruck abgehalten und nicht nur der jüngeren Generation von den Ursprüngen der ukrainischen Kultur erzählt. Wir waren auch an den Veranstaltungen von Office Ukraine und wurden von dieser Initiative zur Billboard-Ausstellung "razom" am Praterstern eingeladen. Jetzt ist eine Modenschau "im Rahmen des Projekts ... and flowers will sprout up on the ashes" in Vorbereitung.
Was haben Sie während der Artists Residency gemacht? An welchen Aktivitäten haben Sie teilgenommen?
Während des dreimonatigen Aufenthalts haben wir eine ganze Menge geschafft: Wir haben weiterhin Schmuck und Accessoires mit einem 3D-Drucker hergestellt und eine neue Bekleidungslinie mit Aufdrucken entwickelt - Westen mit stilisierten Bildern der Stickereien der Kosakenvorarbeitergewänder, die in der Sammlung des historischen Museums von Tschernihiw ausgestellt sind - und Reproduktionen von Ornamenten geschaffen. Karina hat neue Kleidungsstücke entworfen und sie mit Schmuck aus Ornamenten ergänzt, die im Februar auf einer Ausstellung in Wien präsentiert werden sollen; Alina hat neue Bilder gemalt. Außerdem haben wir an einem Weihnachtsmarkt und einem Wohltätigkeitsmarkt teilgenommen. Eine Ausstellung von Grafiken aus dem Projekt "..and flowers will sprout up on the ashes" fand in Lviv statt. Jeden Monat gab es in der Residency Veranstaltungen und die letzte war eine Ausstellung von Grafiken und Kleidern aus dem Projekt, an dem wir weiterhin arbeiten.
Welche Art von Ausstellungen oder Kunstaktivitäten haben Sie in Wien inspiriert?
Das Niveau und die Menge der Kunst in Wien ist beeindruckend. Wir waren sehr inspiriert von der Retrospektive von Ai Wei Wei in der Albertina Modern. Die Möglichkeit, Museen zu besuchen, ist im Allgemeinen sehr animierend, allein das Leopold Museum haben wir im letzten Jahr viermal besucht.
Worum geht es in Ihrer Kunst und für wen? Wie hat sie sich nach und während des Krieges verändert?
In unserer Kunst geht es um Selbsterkenntnis und Selbstidentität. "In der Kleidung dreht sich alles um eine Person, die die zentrale Figur dieser Art von Kunst ist", sagt Karina. In der Malerei und Grafik stellt Alina die Frage und beantwortet sie sofort: "Was ist wichtiger, du oder ich? – Was zwischen uns ist!". Nach dem Krieg wurde unsere Kreativität bewusster, umfassender, vollständiger.
Photo: Karina und Alina Haieva, Ania Zorh
While I float
Im Rahmen einer Kooperation von Vitalnya Vienna, Office Ukraine und Format (*.strk) wurde vom 13. bis 20. Januar in einem temporären Ausstellungsraum in Wien Währing die Ausstellung "While I float" mit Beiträgen von sechs in Wien lebenden Künstler.innen präsentiert.
Foto: Kevin Daryl Ferdinandus
Der Ausstellungstext reflektiert das melancholisch-beunruhigende Ambiente des Showrooms, einer verlassenen Wohnung, und der gezeigten Arbeiten: "Looking in the mirror, I can’t seem to make out the shape of my own face, but there’s something moving behind me. (...) I turn around and I realize: This space is not actually empty, it is filled with absence."
Mark Chehodaiev aus Kyiv, einer der vier aus der Ukraine stammenden Künstler:innen und derzeit Student an der Universität für angewandte Kunst Wien, verwendete in seiner Installation "Disputed territory"ein dreidimensionales Modellierungsprogramm, das sowohl erinnerungsbasierte als auch künstliche Umgebungen kombiniert. Das gerenderte Bild zeigt eine Szene aus der Draufsicht - eine Überschwemmung in seinem früheren Zimmer. Die Arbeit erforscht die Spannung, die aus den Erinnerungen an das frühere Leben und dem gegenwärtigen Gefühl von Abwesenheit und Katastrophen entsteht.
Foto: Kevin Daryl Ferdinandus
Foto: Kevin Daryl Ferdinandus
Olha Horiunova, ebenfalls aus Kyiv, hat für die Ausstellung mehrere Objekte und eine Wandinstallation geschaffen. Ihr Werk ist eine Hommage, eine Parodie auf das verlorene Gefühl des Schutzes, das die Wände ihrer gemütlichen Mietwohnung in sich aufgenommen haben, eine Kopie ohne das Original. Eine Serie von grafischen Arbeiten mit dem Titel "Psychedelic Forest", eine Geschichte über die Anpassung und das Überleben des Künstlers in dieser schrecklichen Welt um ihn herum, zeigte Anatoly Belov (Kyiv). Allein gelassen, begegnet er einem apokalyptischen Wald mit Ästen wie menschliche mutierende Gliedmaßen.. In müden Pastelltönen dokumentiert Lucy Ivanova aus Dnipro in ihren Selbstporträts das Leben und reflektiert die alltägliche Realität.
Die italienische Künstlerin Gloria Pagliani, Studentin an der Akademie der Bildenden Künste Wien, nutzt die sich aus ihrer Praxis ergebenden Konsequenzen und Widersprüche, wie Unpersönlichkeit, Künstlichkeit, die Verwendung von Illusionen und die Auseinandersetzung mit dem Unterschied zwischen Dekoration und Ornament. Das spielerische Element ist dabei ein grundlegender Bestandteil ihrer Arbeit.
Ivana Lazic aus Serbien und Studentin an der Universität für angewandte Kunst, zeigte in Japan entstandene Arbeiten, wo sie die traditionellen Techniken der Papier- und Wollherstellung erlernte. Sie arbeitet hauptsächlich mit Skulpturen und Installationen und versucht, die Verbindungen zwischen verschiedenen Aspekten des Verständnisses, der Bedeutung und der Aktivierung von Materie zu katalysieren und zu verkörpern.
Kuratiert und mitorganisiert von Sasha Horbatiuk,
Natalia Gurova und Claudia Strate
Gefördert durch BMKOES, Sektion IV: Kunst und Kultur
Office Ukraine Graz:
Projekte November 2022 – Jänner 2023
Auch in den Wintermonaten hat das Office Ukraine Graz ukrainische Künstler:innen mit der lokalen und internationalen Kunstszene verknüpft. Sehr erfreulich kann davon berichtet werden, dass im Zeitraum von November 2022 bis Ende Jänner 2023 insgesamt acht Projekte in Form von performativen Lesungen, Theaterperformances, Ausstellungen und Workshops umgesetzt wurden, mit kunstGarten Graz, PLÜ 77/ Kunstraum der Gruppe 77, Kulturvermittlung Steiermark, Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz, Theater im Bahnhof, Theater am Lend/uniT, ZOTL und The New Farm in San Francisco. Folgende Projekte sind Teil dieses Vernetzungserfolgs:
Kunstprojekt "Wiederbelebung - Ein work in progress für den Frieden - Teil I" by Jane Laptii
In Kooperation mit dem kunstGarten Graz, das Projekt startete am 15. Dezember 2022.
Die junge ukrainische Künstlerin Jane Laptii fand im heimatlichen Garten eine "Bombe" und setzt nun in Kooperation mit dem kunstGarten Graz das Projekt "Wiederbelebung - Ein Work in Progress für den Frieden, Teil 1" um, das in einem Hochbeet eine oder mehrere "Bomben-Geschosse" in schwarzer Erde zeigt, aus der langsam Lilien wachsen, die dann ihre weißen duftenden Blüten öffnen werden. Das Kunstprojekt ist insgesamt in fünf Teile gegliedert.
Wiederbelebung, Foto: kunstGarten Graz
Theaterperformance "Nobody Died Today" by Nina Khyzhna
In Kooperation mit Theater im Bahnhof, die Aufführungen fanden von 20. - 22. Dezember 2022 statt.
Die Theaterperformance "Nobody Died Today" ist eine dokumentarische Performance auf der Grundlage von Interviews mit ukrainischen Freiwilligen, Militärangehörigen, Kulturschaffenden sowie persönlichen Geschichten der Schauspieler:innen. Neben der ukrainischen Regisseurin Nina Khyzhna sind folgende ukrainische Künstler:innen beteiligt: Artem Vusyk, Dmytro Tretyak, Vladyslava Chentsova. Die Theaterperformance fand im Theater im Bahnhof statt. Nina Khyzhna und Vladyslava Chentsova wirkten im November ebenfalls an der performativen Lesung "Unbeugsames Cherson" im Theater am Lend mit. Die ukrainische Künstlerin Svitlana Zhitnia (Zhi Zhi Visuals) ließ ihre Visuals in die Produktion mit einfließen. Die Lesung fand in Kooperation mit uniT Graz statt.
NOBODY DIED TODAY, Theater im Bahnhof, Fotos: Maria Donska
Ausstellung "Діалоги/Gespräche" by Anton Tkachenko, Olha Babak und Anton Malynovskyi
In Kooperation mit dem Kunstverein Roter Keil und 127 garage (Kharkiv), die Eröffnung fand am 27. Jänner 2023 statt.
Im Jahr 2022 haben viele Menschen etwas über die Ukraine und die Ukrainer:innen gelernt. Ebenso haben viele Ukrainer:innen versucht, in europäischen Ländern zu leben. Wir alle wissen, dass es schwierig ist, mit jemandem zusammenzuleben, der eine völlig andere Lebensgeschichte hat. Wir wissen aber auch, dass die Fähigkeit, eine gemeinsame Sprache mit anderen zu finden, ein Zeichen des menschlichen Miteinanders ist.Die Ausstellung zeigt Werke von Künstler:inenn aus der Ukraine und Österreich, die sich in Bezug auf ihre Arbeitsweise ähneln, aus zwei selbstorganisierten Kollektiven: Roter Keil in Graz und 127 garage in Kharkiw. Beteiligte Künstler:innen: Anton Tkachenko, Belinda Winkler, Leon Podesser, Eero Teuschl, Olha Babak, Anton Malynovskyi. Kuratiert von Nastia Khlestova. Die Ausstellung kann noch bis 25. Februar 2023 in der KEIL Gallery in Graz besucht werden.
Beim nächsten Open House des Office Ukraine Graz gibt es zudem die Möglichkeit mehr über 127 garage aus Kharkiv zu erfahren. Die Gründer:innen Nastia Khlestova und Anton Tkachenko werden Einblicke in zukünftige Projekte geben sowie über Selbstorganisation in der Kunst, 127 garage und ihre Umsiedelung innerhalb der Ukraine sprechen. Das nächste Open House findet am 08. Februar um 18:00 im < rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst statt.
Діалоги/Gespräche, KEIL Gallery, Foto: Maria Schneider
Office Ukraine Innsbruck: Videokunst aus der Ukraine in Kooperation mit DOCK 20
In Solidarität mit ukrainischen Künstler:innen vergab das DOCK 20 – Kunstraum und Sammlung Hollenstein in Lustenau, Vorarlberg, in Zusammenarbeit mit Office Ukraine für das Jahr 2023 Arbeitsstipendien an die Videokünstlerinnen Nataliya Ilchuk und Maria Proshkowska. DOCK 20 widmet sich der Präsentation und Vermittlung zeitgenössischer Kunst und ihrer Diskurse mit einem Schwerpunkt auf jüngere Kunst. Mithilfe der Stipendien soll es den beiden Künstlerinnen ermöglicht werden, auch weiterhin im Bereich bildender Kunst tätig zu sein.
Arbeiten der beiden Künstlerinnen sind im Februar 2023 online und im Schaufenster des DOCK 20 nach Einbruch der Dunkelheit zu sehen.
Nataliya Ilchuk (Foto: Khrystyna Savchuk)
Video- und Medienkünstlerin Nataliya Ilchuk wurde 1985 in Lviv geboren. Nach ihrem Filmstudium in Kyiv und Warschau machte sie 2020 ihren Abschluss am Le Fresnoy – Studio National des Arts Contemporains in Frankreich. Nataliya arbeitet zu Veränderungen der menschlichen Wahrnehmung durch die Massenmedien und der Darstellung von Identität auf dem Bildschirm. Hierfür untersucht sie digitale Bilder, vor allem aus den Neunziger- und Nullerjahren aus der Ukraine. Sie arbeitet mit privatem Archivmaterial und Videocollagen.
Ab dem 1. Februar wird für zwei Wochen ihre Videoarbeit Livemusic (2021) im Fenster des DOCK 20 in Lustenau zu sehen sein. In dem Video beschäftigt sich die Künstlerin mit dem "Recycling" bestehender Bild- und Tonaufnahmen aus ihrem Archiv. 2007 besuchte Nataliya die Stadt Kamianske, eine der am stärksten verschmutzten Städte der Ukraine, die auch bekannt für ihre Drum’n’Bass Szene ist. In der Videoarbeit scheinen sich der über der Industriestadt hängende Smog der Metallurgie- und Chemiefabriken und der Nebel, der die Feiernden in der Veranstaltungshalle umhüllt, zu verbinden und das Ökosystem dieser Stadt bei Tag und bei Nacht zu durchdringen.
Maria Proshkowska (Foto: Lera Manzovitova)
Maria Proshkowska wurde 1986 in Kyiv geboren. Sie studierte zeitgenössische Kunst an der School of Contemporary Art in Kyiv. Ihre Arbeiten wurden international gezeigt, unter anderem in Bologna, Prag, Lissabon, Tiflis und New York. Sie arbeitet primär mit Fotografie und Video, experimentiert jedoch auch immer wieder mit dem Medium Performance. In ihren Arbeiten beschäftigt sich Maria Proshkowska mit der Rolle der Frau in der postsovjetischen Ukraine. Sie stellt hierbei ihren eigenen Körper in den Mittelpunkt, stellt ihn stellvertretend für die Frau als solche aus und dokumentiert die Reaktionen der Umwelt. Daneben widmet sie sich immer wieder als weiblich verstandenen Tätigkeiten, Ritualen und Wissen.
In der zweiten Februarhälfte wird eine ihrer Arbeiten im Schaufenster des DOCK 20 gezeigt.
Liebe Leser:innen,
das Ende eines Jahres ist immer ein Moment, um Rückschau zu halten und zu analysieren, was gelungen ist und was nicht, was erreicht wurde und welche Aufgaben noch zu bewältigen sind.
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat das Leben der ukrainischen Bevölkerung von einem Tag auf den anderen völlig verändert und viel Leid verursacht – und leider dauert diese Situation auch zehn Monate nach Kriegsbeginn an.
Im letzten Newsletter dieses Jahres möchten wir Ihnen einen kleinen statistischen Einblick in unsere bisherige Arbeit geben. Leider konnten wir nicht allen ukrainischen Künstler:innen, die uns kontaktiert haben, helfen. Aber wir hoffen trotzdem, dass sich für einige von ihnen ihre Lebenssituation aufgrund unserer Arbeit ein wenig zum Besseren gewendet hat.
Wir von Office Ukraine wünschen Ihnen allen schöne Feiertage und hoffen auf ein baldiges Ende des Krieges.
Ihr Office Ukraine Team
Office Ukraine Wien: Interviews mit den ukrainischen Künstlerinnen Mila Bereziuk, Danyilo Kovach, Olga Musina
Wir haben ukrainische Künstler:innen, die in Kontakt mit unseren Büros in Wien, Graz und Innsbruck stehen, nach ihren Erfahrungen in Österreich und ihren Strategien gefragt, die ihnen geholfen haben, ihre schwierige Lebenssituation zu bewältigen.
Mila Bereziuk
Mein Eindruck von Österreich seit meiner Ankunft ist überwiegend positiv. Manchmal ist es natürlich schwierig, aber die Schönheit des Landes, die gute medizinische Versorgung und die Einstellung der meisten Menschen hier ermöglichen es mir, auch mit dem einen oder anderen auftretenden Problem fertig zu werden.
Bei der Bewältigung von Schwierigkeiten helfen klare Vereinbarungen, Kreativität und die Einsicht, dass man zwar vieles, aber nicht alles selbst beeinflussen kann.
Ich wünsche allen Künstler:innen, die sich in der gleichen Situation wie ich befinden, dass sie an sich selbst glauben, nicht verzweifeln, ihr Leben selbst gestalten und aktiv auf neue Menschen zugehen. Es ist großartig, neue Fähigkeiten in sich zu entdecken und etwas Neues auszuprobieren.
Mila Bereziuk, Photo: Office Ukraine
Danyilo Kovach
Für ukrainische Kulturschaffende gibt es in Österreich viele Möglichkeiten: Stipendien, Artist Residencies sowie Galerien und Museen, die bereit sind, mit ukrainischen Künstler:innen zusammenzuarbeiten.
Ich bin sehr dankbar, ein dreimonatiges Stipendium des BMKÖS erhalten zu haben. Außerdem konnte ich schon an mehreren Ausstellungen teilnehmen – unter anderem an einer Einzelausstellung im Schauraum der Jan Arnold Gallery im Q21 / MuseumsQuartier Wien. Im Rahmen von mehreren Kunstauktionen der Notgalerie wurde auch meine Frau, die Künstlerin Dzvinya Podlyashetska, eingeladen und gemeinsam mit ihr und unserem fünf Monate alten Sohn, der in Österreich geboren wurde, können wir derzeit in der Artist Residency Montleart wohnen. Ich bin positiv überrascht von der Unterstützung durch die Menschen in Wien – auch für eine vorübergehende Unterkunft für unsere Familie. Manche von ihnen sind mittlerweile Freunde geworden.
Aber wir spüren bei manchen Österreicher:innen mittlerweile auch ein schwindendes Interesse an der Situation der Ukraine. Manche sind leider auch der Ansicht, dass die Wirtschaftskrise in Österreich auf die Ukraine zurückzuführen ist und nicht auf den Angriffskrieg Russlands. Wir glauben aber an den Sieg der Vernunft und hoffen, dass der Krieg bald zu Ende ist und wir in ein freies, starkes Land zurückkehren können.
Die Möglichkeit für ukrainische Künstler:innen, neue Arbeiten zu produzieren, ist auch eine Chance, uns besser zu verstehen. Die visuelle Kunst ist ein sehr mächtiges Instrument, das seit jeher die Geschichte der menschlichen Entwicklung dokumentiert und es ermöglicht, aus der Beschäftigung mit der Vergangenheit über eine bessere Zukunft nachzudenken.
Ich danke dem Office Ukraine für die Gelegenheit, gehört zu werden.
Danyilo Kovach, Photo: Office Ukraine
Olga Musina
Ich danke Österreich für ein neues Leben, eine Chance, etwas zu schaffen und mein Talent zu verwirklichen. Österreich ist ein wunderschönes Land, das uns willkommen geheißen hat und uns unterstützt. Meine Kinder und ich sind in Sicherheit, und wir haben die Möglichkeit zu leben, zu lernen und unsere kreative Arbeit fortzusetzen.
Österreich bietet uns neue Möglichkeiten, und ich bin sehr froh, meine Arbeiten im Stil der ukrainischen Petrikovsky-Volksmalerei fortführen und weiterentwickeln zu können. Die positive Ausstrahlung meiner Arbeiten überträgt sich nicht nur auf mich, sondern vermittelt sich auch den Betrachter:innen.
In schwierigen Situationen helfen mir der Glaube, die Familie und die Kreativität.
Wie viele meiner Landsleute hatte ich nicht vor, die Ukraine zu verlassen. Aber der Krieg war für uns alle ein Wendepunkt. Das Wichtigste ist aber: Das Leben geht weiter! Jedem von uns ist ein besonderes Talent gegeben, eine Fähigkeit, die wir vervollkommnen müssen. Jeder von uns hat sein eigenes Werkzeug, seine eigene Farbpalette. Und es hängt von uns ab, welche Farben wir nehmen und welches Bild wir von unserem Leben malen.
Olga Musina, Photo: Office Ukraine
Office Ukraine / Statistik
Gesamtstatistik /alle drei Offices
- Bereits im März 2022 - wenige Tage nach Kriegsbeginn - gegründet
- In den ca. 10 Monaten seit Bestehen: ca. 900 Anfragen von Künstler:innen. Gesamtzahl involvierter Personen (inkl. Familienmitgliedern): ca 1500
- An den drei Standorten derzeit: ca. 10 Anfragen von Künstler:innen wöchentlich (sowohl aus Österreich, aber auch aus der Ukraine).
- Zusammenarbeit mit über 170 österreichischen und internationalen Kulturinitiativen und Institutionen
- In den Büros sind bisher über 300 Hilfsangebote unterschiedlicher Art aus der österreichischen Zivilgesellschaft / Kulturszene eingegangen, darunter auch solche, die sich an eine größere Personengruppe richten.
- Gesamtzahl bisher vermittelter Unterkünfte an den drei Standorten: ca. 150 Unterkünfte für ca. 360 Personen
Statistik Office Ukraine Wien
- Anfragen von ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden: ca. 500 Personen; (inkl. Familienmitgliedern) ca. 900 Personen
- Beteiligungen an Ausstellungen, Konzerten, Panels, Lesungen, u.ä. (Von Office Ukraine Wien selbst organisierte Veranstaltungen und Veranstaltungsbeteiligungen): ca. 50
- Zu Veranstaltungen eingeladene ukrainische Künstler:innen und Kulturschaffende: über 120
- Für Interviews in Medien / Zeitungen / Zeitschriften vermittelte ukrainische Künstler:innen: ca. 30
- Besucher:innen bei Veranstaltungen, an denen Office Ukraine beteiligt war: ca. 2600
- Vernetzungstreffen Get Together: Bisher 11 Veranstaltungen mit insgesamt ca. 650 Besucher:innen und 22 Vortragenden
- Arts and Craft Market im MuseumsQuartier vom 2. - 5. Juni 2022, initiiert von Hedwig Saxenhuber / Freiraum Ukraine
Teilnehmer:innen: ca. 35 ukrainische Künstler:innen - Ukrainischer Kunstmarkt am Karmelitermarkt am 5. /6. / 7. Dezember, 12./ 13./ 14. Dezember, 19./ 20.21. Dezember 2022
Teilnehmer:innen: 20 ukrainische Künstler:innen - Art Supply Verteilaktionen: Juni / September / Oktober 2022:
Seitens des Office Ukraine Wien wurden bisher drei durch Spenden von
Zivilgesellschaft, Kulturinitiativen und Institutionen ermöglichte Verteilaktionen von Künstler:innenbedarf veranstaltet
Bisher konnten insgesamt über 100 Künstler:innen Gratismaterialien erhalten - Vermittlung von Unterkünften / Wohnungen: Das Office Ukraine Wien konnte bisher ca. 100 Unterkünfte – Wohnungen, Zimmer und Artists Residencies – für insgesamt ca. 220 Menschen vermitteln.
- Office Ukraine Wien hat bisher mit ca. 100 österreichischen und internationalen Institutionen zusammengearbeitet.
- Vermittlung von Bildungsangeboten: ca. 50
- Versendete Emails: ca. 9.000
- Posts Instagram: 888 Followers und 70 Posts
- Posts Facebook: 563 Teilnehmer:innen und 70 Posts
- Telegram Chats: 920 Teilnehmer:innen und mehr als 400 Posts
- Followers insgesamt: 2511 Follower
- Outreach insgesamt: ca. 60.000 Personen
Office Ukraine Graz: Conclusio und Statements der ukrainischen Künstlerinnen Yuliia Makarenko, Kateryna Lysovenko, Polina Makarova
Conclusio 2022
Die Arbeit des Office Ukraine Graz konzentrierte sich in den zehn Monaten seit der Gründung im März zunächst auf grundlegende Unterstützungsleistungen für ukrainische Künstler:innen und Kulturschaffende, die vor dem Krieg nach Österreich geflohen sind. In dieser Zeit wurde aber schnell deutlich, dass die Einbindung der hierzulande Schutz Suchenden in das österreichische Kunstsystem ein wesentlicher Faktor ist. Aus diesem Geist heraus wurden zahlreiche Tandems gebildet - Verbindungen von Ukrainer:innen und Österreicher:innen (Organisationen wie Künstler:innen), die gemeinsam neue Projekte entwickelten bzw. noch weiter betreiben. Dies wäre ohne die Unterstützung unserer Freund:innen und Partner - lokale Institutionen und Organisationen - nicht möglich gewesen. Der Ansatz des Office Ukraine Graz geht weiters auch davon aus, dass eine Präsenz ukrainischer Kunst und Kultur nicht nur für Ukrainer:innen, sondern auch für andere in Österreich lebende Menschen eine Bereicherung darstellt.
Künstler:innen-Statements
Office Ukraine Graz
Wir haben ukrainische Künstler:innen, die mit Office Ukraine in Kontakt stehen, nach ihren Erfahrungen in Österreich und ihren Strategien gefragt, die ihnen geholfen haben, mit ihrer schwierigen Lebenssituation fertig zu werden.
Antwort von Julia Makarenko
Ich bin sehr dankbar, hier in Graz sein zu können, an einem sicheren Ort weit weg vom Krieg und für all die Unterstützung, die ich von der österreichischen Regierung, von Institutionen, insbesondere von Office Ukraine / < rotor > und von meinen Freund:innen erhalten habe.
Von verständnisvollen und liebevollen Menschen umgeben zu sein und die Möglichkeit, an Kunstprojekten teilzunehmen, hilft mir, mit der Situation umzugehen.
Ich hoffe also, dass es weitere Möglichkeiten geben wird, auch in der Zukunft künstlerisch arbeiten und so all den Menschen, die mich unterstützen, etwas zurückgeben zu können.
Außerdem hoffe ich sehr, dass es mir möglich sein wird, in meinem Studium der deutschen Sprache voranzukommen, weil es mir sehr gefällt.
Yuliia Makarenko, Foto: KotoUtka
Antwort von Kateryna Lysovenko
IIch war im März 2022 in Polen sehr orientierungslos, wusste nicht, was ich später machen sollte. Ich war dort für einen Monat. Und als ich mit Margarethe von Office Ukraine telefonierte, war mir klar, dass ich nach Graz gehen muss, da es der ideale Ort sein wird, um mich und meine Kinder zu retten. Unsere Zeit in Graz war wie ein Traum: der unglaublich schöne Ort, Menschen, die sich um uns gekümmert und unterstützt haben, neue Freund:innen und sehr gute Möglichkeiten zur Verwirklichung meiner künstlerischen Tätigkeit. Ich bin sehr dankbar.
Jetzt habe ich eine Wohnung in Wien gemietet und arbeite hier. Außerdem bin ich Gaststudentin an der Akademie der bildenden Künste Wien. Ich mag diesen Ort und die Wiener Kunstszene, und ich habe vor, hier zu bleiben, zu studieren und zu arbeiten, weil ich auch meine große Liebe in Wien gefunden habe.
Kateryna Lysovenko
Antwort von Polina Makarowa
Meine Erfahrung in Österreich war außergewöhnlich und mutmachend. Ich hatte nicht erwartet, so viele Menschen zu treffen, die bereit sind, bei den verschiedenen Problemstellungen, mit denen geflüchtete Menschen konfrontiert sind, zu helfen.
Die Hilfe der Regierung, von Hilfsorganisationen und Privatpersonen ermöglichte es mir, mich nicht nur sicher, gesehen und geborgen zu fühlen, sondern mehr noch - Würde zu bewahren und als Person zu wachsen. All diese Gelegenheiten, weiterhin künstlerisch tätig sein zu können und mit heimischen Künstler:innen zu kommunizieren, sowie die Tatsache, dass es eine ukrainische Künstler:innen-Community im Umfeld von Office Ukraine gibt, waren therapeutisch und dringend notwendig für mich.
All das führte für mich persönlich - nach den ganzen traumatischen Erfahrungen - zu einem enormen Wachstum, für das ich unendlich dankbar bin.
Polina Makarova, Foto: Elmira Shemsedinova
Statistik Office Ukraine Graz
- Anfragen von ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden: bisher ca. 500 Personen
- Beteiligung an Veranstaltungen, wie Ausstellungen, Projekte im öffentlichen Raum, Performances, Theaterproduktionen, Lesungen, Festivals, Vorträgen u.a.: ca. 50
- Zu Veranstaltungen eingeladene ukrainische Künstler:innen und Kulturschaffende: über 80
- Besucher:innen bei Veranstaltungen, an denen Office Ukraine beteiligt war: ca.1.600 Besucher:innen
- Vernetzungstreffen Open House: Bisher 14 Veranstaltungen mit ca. 350 Teilnehmer:innen und 23 Vortragenden (Ukrainer:innen und Österreicher:innen).
- Solidarity Art Event für ukrainische Künstler:innen im ZOTL Graz (15. - 17.12.2022), Teilnehmer:innen: ca. 15 ukrainische Künstler:innen
- Vermittlung von Unterkünften / Wohnungen: Das Office Ukraine Graz konnte Wohnraum (Zimmer, Wohnungen und Artists Residencies) für mehr als 35 Menschen vermitteln.
- Vermittlung von Stipendien: Office Ukraine Graz hat Stipendien an 12 ukrainische Künstler:innen vermittelt.
- Vermittlung von Bildungsangeboten: Office Ukraine Graz konnte Bildungsangebote in Form von Meisterklassen an Schulen/Universitäten sowie PhD Programme an ca: 10 ukrainische Künstler:innen vermitteln.
- Zusammenarbeit mit Kulturinitiativen und Institutionen: Office Ukraine Graz hat bisher mit mehr als 50 österreichischen und internationalen Institutionen zusammengearbeitet.
- Newsletter Graz: Office Ukraine Graz hat insgesamt 7 Newsletter an ukrainische Künstler:innen sowie an Mentor:innen, Unterstützer:innen und Interessierte versandt.
- Postkarten-Edition: Office Ukraine Graz hat bereits zwei Postkarten Editionen aufgelegt: 20 ukrainische Künstler:innen unterstützt.
- Versendete Emails: ca. 3.000 inklusive die privaten ca. 3.000, macht insgesamt mehr als 6.000 Emails
Office Ukraine Innsbruck: Conclusio und Statements der ukrainischen Künstlerinnen Kristina Kapeljuh, Veronika Kutseva, Oksana Radkevych
Seit Beginn der Initiative ist das Künstlerhaus Büchsenhausen die Office Ukraine Zweigstelle im Westen Österreichs, mit Fokus auf die Bundesländer Tirol, Salzburg und Vorarlberg. Das Büro in Innsbruck konnte bis dato zahlreiche Kooperationspartner:innen gewinnen und über 50 vertriebene Künstler:innen konkret in den Bereichen Vernetzung, Projekt- und Auftragsvermittlung, Unterkunftsvermittlung, Vermittlung von Arbeitsräumlichkeiten, Verteilung von Künstler:innenbedarf, Behördenkommunikation, Jobsuche, etc. unterstützen. Mit vielen weiteren Künstler:innen sind wir in Kontakt. Durch das Knüpfen von Kontakten zu lokalen Institutionen und Einzelpersonen sowie durch die Verteilung von Künstler:innenbedarf wird versucht, den Ankommenden die Möglichkeit zu geben, weiterhin künstlerisch tätig zu sein. Diese Vernetzungs- und Unterstützungsarbeit wird vom dreiköpfigen Team des Office Ukraine Innsbruck geleistet. In den vergangenen Monaten konnten wir auf die Unterstützung von über 30 institutionellen Partner:innen und zahlreichen Einzelpersonen zählen. Die Begegnungen und der Austausch mit ukrainischen Kunst- und Kulturschaffenden – zahlreiche persönliche Treffen, über 500 versendete E-Mails, unzählige Telefonate und Chat-Nachrichten – sowie mit neuen und alten lokalen Kooperationspartner:innen waren eine bereichernde Erfahrung.
Neben den zahlreichen Projekten unserer Kooperationspartner:innen initiierte und (ko-)organisierte das Innsbrucker Office Ukraine Büro auch selbst einige Veranstaltungen im Westen Österreichs. Im Künstlerhaus Büchsenhausen fand zu Beginn der Initiative eine Informationsveranstaltung für die lokale Kunst- und Kulturszene in Tirol statt. Zwei weitere von Office Ukraine im Künstlerhaus organisierte Veranstaltungen mit Filmscreenings und Artist Talks mit ukrainischen Künstler:innen ermöglichten das Kennenlernen der ukrainischen Kunstlandschaft und die Vernetzung ukrainischer und lokaler Kunstakteur:innen. Gäst:innen vor Ort waren unter anderem die Dokumentarfilmemacherin Zoya Laktionova sowie der Künstler Mykola Ridnyi. Besonders freuen wir uns, dass wir in Kooperation mit der Tiroler Künstler:innenschaft und dem Ukraine Office Austria (BMEIA) eine Ready-to-Print-Ausstellung der Artists Support Ukraine Foundation in der Neuen Galerie Innsbruck zeigen konnten. Im Rahmen der Ausstellung konnten mehrere Veranstaltungen realisiert werden, darunter Artist Talks mit Kristina Kapeljuh und Maria Kulikovska. Insgesamt beläuft sich die Besucher:innenzahl bei vom Innsbrucker Office Ukraine initiierten und organisierten Veranstaltungen auf rund 150 Personen. Die Besucher:innenzahl bei Veranstaltungen, an denen Office Ukraine als Kooperationspartner beteiligt war, ist dementsprechend weit höher. Das Innsbrucker Büro ist außerdem mit verschiedenen Kunst- und Kulturzentren in Salzburg und Vorarlberg vernetzt und berichtet auch dort vor Ort über die Arbeit der Plattform.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Kooperationspartner:innen für die Unterstützung bedanken! Ihre Ideen, Motivation und Hilfsbereitschaft sind zentral für die Arbeit von Office Ukraine. Wir hoffen auch im neuen Jahr auf Ihre Unterstützung zählen zu können!
Abschließend wollen wir drei ukrainische Künstlerinnen zu Wort kommen lassen, mit denen wir in den vergangenen Wochen und Monaten in regem Austausch standen.
Kristina Kapeljuh | Grafikerin
"Ich fühle mich sehr privilegiert, hier in Innsbruck zu sein. Hier habe ich das Gefühl, dass sich meine Ideen in Projekte verwandeln können, da sie auf Unterstützung, Begeisterung und Veränderungsbereitschaft stoßen. Deshalb hoffe ich, dass ich meine Ausbildung und meine künstlerische Laufbahn in diesem Land fortsetzen kann. Der Humor und die Anpassungsfähigkeit meiner Familienmitglieder, die in der Ukraine geblieben sind, beeindruckt und bestärkt mich. Wenn man im Ausland ist, kann man sich nicht vorstellen, wie viel Mühe es kostet, diesen Lebensmut zu bewahren. Auch im Alltag ist die größte Unterstützung mein soziales Umfeld: meine Kolleg:innen an der bilding Kunst und Architekturschule und das Office Ukraine. Bei bilding habe ich die Möglichkeit, mich mit Arbeit zu beschäftigen, mit Kindern zu sprechen (und dabei Deutsch zu lernen) und kreative Ideen auszutauschen. Was das Office Ukraine betrifft, so bin ich dankbar für die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und an kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen ich neue Wege in meiner Praxis erkunden kann, die mit der zeitgenössischen und historischen Perspektive der ukrainischen Kultur verbunden sind. (Ein spezielles Dankeschön an Iryna, Andrei und Veronika.)
Liebe ukrainische Künstler:innen, ich habe hier in Österreich verstanden, dass wir nicht allein sind, egal wie schwer es ist. Sprecht mit Menschen, die euch nahe stehen und glaubt an die Kraft eurer Stimme. Wir müssen in dieser schweren Zeit zusammen halten."
Kristina Kapeljuh
Veronika Kutseva | Musikerin, Dirigentin, Flötistin
"Ich lebe nun seit fast acht Monaten im Exil. Während dieser Zeit habe ich viel Unterstützung von Office Ukraine erfahren. Durch die Vermittlung einer Residenz für Künstler:innen konnte ich mich mental erholen und ich erhielt die Möglichkeit, an kreativen Projekten zu arbeiten, zu lernen und kreativ zu wachsen. Das Office Ukraine half auch bei grundlegenden Fragen zu Unterkunft, Dokumenten usw.
Ich wünsche anderen Künstler:innen, dass sie ihr Schaffen fortsetzen können, egal was passiert, und dass sie so bald wie möglich die Chance bekommen, ihre kreativen Aktivitäten in unserem Heimatland fortzusetzen!"
Veronika Kutseva
Oksana Radkevych | Bühnenbildnerin, Malerin
"Wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass meine Kinder hier in Österreich sicher sind, wird es ein wenig leichter für mich, von meinem Zuhause fernzubleiben. Außerdem habe ich hier die Möglichkeit, meine künstlerische Arbeit fortzusetzen und an verschiedenen Projekten zu arbeiten. In Österreich kann ich Künstlerin bleiben. Als ich in Österreich ankam, war es die Organisation Office Ukraine, die mir zunächst bei der Suche nach einer Unterkunft half. Sie brachten mich auch in Kontakt mit lokalen Künstler:innen, die mir bei der Umsetzung vieler meiner Projekte und Ideen halfen. Sie stellten mir auch einen Arbeitsraum zur Verfügung, was mir bei der Ausarbeitung meines Projekts "Psalms" sehr geholfen hat.
Was ich anderen ukrainischen Künstler:innen mit auf den Weg geben möchte, ist, dass sich jede noch so schwierige Situation zugunsten eines großen Traums wandeln kann, da bin ich mir sicher!"
Oksana Radkevych
Office Ukraine-Taschen
Um dringend benötigte Spenden für Office Ukraine zu sammeln, die ukrainischen Künstler.innen und Kulturschaffenden in Notfällen unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden können, hat Office Ukraine Baumwolltaschen produziert.
Die Stofftaschen mit insgesamt sechs von ukrainischen Künstler:innen entworfenen Sujets — jeweils zwei aus den Offices in Wien, Graz und Innsbruck — sind in den Offices erhältlich.
Left: Kateryna Lysovenko, Good Shepherd, from the series Substitution, 2020
Right: Molly Route, Sunflower, 2022
Left: Grafprom, With Ukraine In The Heart, 2022
Right: Kristina Kapeljuh, So Good You’re Back, 2022
Left: Lera Elur, Burned House, 2022
Right: Maria Ruban, I’m Fine, 2022
"Meine einzige Waffe ist die Kunst"
Interview mit der ukrainischen Künstlerin Nina Khyzhna, derzeit Artist-in-Residence in Graz
von Andreas Stangl
Foto: Thomas Raggam
Nina Khyzhna ist Theaterregisseurin, Choreografin und Performerin. Sie stammt aus der ostukrainischen Stadt Kharkiv und ist seit Oktober Stipendiatin des "Styrian Artists-in-Residence"-Programms des Landes Steiermark. Anfang November kehrte sie von einer Recherchereise für ihr Theaterprojekt mit dem Titel "Nobody died today" (etwa: Heute ist niemand gestorben) aus der Ukraine zurück. Die Theaterperformance soll vor Weihnachten drei Mal im Grazer Theater im Bahnhof (TiB) aufgeführt werden.
"Der erste Teil des Projekts sind Workshops für die ukrainische Gemeinschaft in Graz und für hiesige Leute, die Interesse an Theater, Körperarbeit und Integration haben", skizziert Nina Khyzhna die Arbeit, die sie unter der Ägide des Grazer Performance-Kollektivs "Das Planetenparty Prinzip" in Zusammenarbeit mit dem TiB entwickelt. "Dann werden wir Menschen über ihre Erlebnisse interviewen und danach, so arbeite ich für gewöhnlich, forme ich das in Theatermonologe. Es werden auch ein paar Performer:innen aus der Ukraine kommen und gemeinsam kreieren wir eine post-dokumentarische Performance, in der wir auch Körpersprache, Körpertext, Bewegung und Musik einsetzen werden." Insgesamt plant sie derzeit, vier Personen auf der Bühne auftreten zu lassen. Eventuell wird noch jemand aus Österreich dazu kommen: "Wir entscheiden das in den kommenden Wochen".
Offiziell hat Nina Khyzhnas Künstlerresidenz im Oktober begonnen. Nach Graz kam sie mit Hilfe von Freunden allerdings schon im März, ungeplant, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Seither pendelt sie immer wieder zurück nach Lviv, wo sie zuletzt mit Theaterarbeit beschäftigt war, und in ihre Heimatstadt Kharkiv, wo sich ihr Lebenspartner, der ebenfalls Theatermacher ist, derzeit aufhält.
"Die Situation ist verrückt, vollkommen verrückt. Gerade war ich noch in der Ukraine und habe Geschichten gesammelt von einigen meiner Freunde, die als militärische Freiwillige arbeiten, und jetzt bin ich hier, wo alles so anders ist. Es sind zwei verschiedene Welten, und das fühlt man auf verschiedenen Ebenen. Man braucht nur aus dem Bahnhof zu kommen und schon spürt man, dass die Leute eine andere Körperpräsenz haben - weicher, ruhiger. Weil ich mit Körpern arbeite, fallen mir solche Dinge auf. Auch wie sich die Leute bewegen, wie sie in Lokalen sitzen. In Lviv sitzen die Leute zwar auch in Lokalen, aber sie haben eine andere Rhythmik, sie sind wie elektrische Menschen. Auch ich selbst bewege mich hier in Graz in einem anderen Rhythmus."
"Dieses Niveau an Ungerechtigkeit zu akzeptieren, wie diese Welt so ambivalent sein kann, das ist für mich immer noch seltsam. Langsam gewöhne ich mich an diese Dinge, aber es ist immer noch seltsam. Als ich im März nach Graz kam, bekam ich eine kognitive Dissonanz. Ich ging mehrere Wochen nicht aus dem Haus. Wenn ich hinausging und Menschen auf der Straße weißen Spritzer trinken und Zeitung lesen sah, und in diesen Zeitungen sah ich unsere zerbombten Städte. Das war vollkommen surreal."
Foto: Thomas Raggam
In so einem Fall habe sie einerseits das Gefühl, einfach weitergehen zu wollen. "Andrerseits habe ich das Gefühl, es ist meine Verantwortung die Menschen daran zu erinnern, dass der Krieg nicht vorbei ist. Es ist das einzige, was ich gut kann. Ich bin nicht in den Krieg gegangen, ich war nicht stark genug um zu bleiben und als Freiwillige zu arbeiten. Meine einzige Waffe ist die Kunst. Sie hilft mir auch, mit der Situation fertig zu werden. Wenn ich arbeite, fühle ich, dass ich lebe, dass ich immer noch ich selbst sein kann. Als der Krieg ausbrach, hatte ich das Gefühl, mich selbst zu verlieren, weil ich dachte, mit Theater kann man keinen Krieg beenden."
"In den ersten Wochen des Krieges waren wir ratlos. Was sollen wir mit unseren Performances, mit unseren Installationen, unseren Bildern machen? Wir können sie ja nicht einfach gegen russische Panzer werfen. Wenn man dann wieder anfängt, Kunst zu machen, dann verleiht es einem das Gefühl, dass sie unsere Kultur nicht zerstören können. Ein großer Teil der russischen Ressourcen geht ja in diese psychologische und kulturelle Kriegsführung, in der sie uns eine eigene Kultur und Identität absprechen und behaupten, wir seien einfach nur Kleinrussland. Seit hunderten von Jahren versuchen sie, die Seiten aus unserer Geschichtsbüchern zu reißen oder die Wahrheit zu verdrehen. In dem Augenblick aber, wo wir unsere Geschichte schreiben, schreiben wir sie fest. Wir dokumentieren die Wirklichkeit und fügen unsere Sichtweise dazu."
Der Gedanke an eine mögliche Versöhnung mit Russland, wenn der Krieg einst vorbei sein wird, fällt Nina Khyzhna schwer. Darüber könne man erst reden, wenn die verfassungsmäßigen Grenzen der Ukraine wiederhergestellt seien. "Dafür wenden wir all unsere Kräfte auf, da müssen wir durch. Danach kann man reden. Zuerst werden wir über Reparationen reden müssen. Alles andere kommt später."
Sie selbst bleibt jetzt einmal in Graz. Am 21. November wirkt sie in Graz an einer performativen Lesung des Dokumentarstücks "Unbeugsames Cherson" im Theater am Lend mit, im Dezember folgt die Aufführung der Theaterperformance im Rahmen ihrer Künstlerresidenz. Diese wurde mittlerweile um zwei Monate verlängert. Auch für diese Zeit, Februar-März, hat sie schon Pläne: ein Projekt mit dem sie zu ihren ursprünglichen Ideen für ihren Graz-Aufenthalt zurückkehren will, bevor der Krieg ausbrach und das jetzige Thema bestimmte. Es soll sich mit Flüchtlingen und Immigranten aus den verschiedensten Ländern befassen, "ein Dialog über Gemeinsamkeiten und Unterschiede". Aber, wer weiß, seufzt sie: "Für mich verändert sich alles so rasch. Ich hatte für dieses Jahr schon ganz genaue Vorstellungen, alles war perfekt geplant und jetzt liegt alles in Trümmern. Jetzt verstehe ich: Alles kann sich ändern. Ich versuche mein Leben flexibel zu halten."
Public Program im Belvedere 21: Öffentliches Gespräch mit dem Team von Office Ukraine
Foto: eSeLSCHWARM Yak (Anastasiia Yakovenko)
Im Rahmen des Public Program "Geschichten wiedererzählen: Kriege im ehemaligen Jugoslawien und Krieg in der Ukraine" war das Office Ukraine-Team am 15. Oktober zu einem Public Talk im Blickle Kino des Belvedere 21 eingeladen.
Die Teammitglieder Larissa Agel, Natalia Gurova, Susanne Jäger und Ania Zorh von Office Ukraine Wien erörterten im Gespräch mit Claudia Slanar / Belvedere 21 Entstehung, Struktur und Arbeit der Initiative und sprachen über Herangehensweise, Erfolge sowie die speziellen Herausforderungen des Projekts.
Im Anschluss diskutierten die Autorin und Übersetzerin Ksenyia Kharchenko und die Publizistin und Literaturkuratorin Oksana Shchur (beide aus Kyiv) ihre Erfahrungen über Flucht und das Leben im Exil.
Das von Nikita Kadan kuratierte und in Anwesenheit des Künstlers präsentierte Filmprogramm ukrainischer Künstler:innen und Filmemacher:innen – unter anderem mit Beiträgen von Antigonna, Yarema Malashchuk & Roman Himey und Yuri Leiderman – gestaltete sich zu einer eindringlichen, mitunter bedrückenden Tour de Force über das Leben in der Ukraine vor und während des Krieges, das bei den Zuseher:innen einen intensiven Eindruck hinterließ.
Musik für eine ukrainische Zukunft
von Irene Suchy
Ausgehend von der Idee, ein musikalisches und poetisches Schlaglicht auf die bedrängte Ukraine zu werfen, entstand in Kooperation von Office Ukraine / Simon Mraz und Oe1 / Irene Suchy die Konzertreihe "Musik für eine ukrainische Zukunft" im Radiokulturhaus in Wien. Das Programm wurde als musikalische Verbindung von nach Österreich geflüchteten ukrainischen Musiker:innen und Verfolgten in Belarus, Moldawien und den baltischen Ländern entwickelt.
Im ersten Konzert "In den Kriegen – Musik für eine ukrainische Zukunft" am 18. Oktober im Großen Sendesaal gab ein exzellentes Ensemble aus ukrainischen Musiker:innen mit dem Geiger und Sänger Viktor Andriichenko, der Pianistin Aliya Akbergenova und dem Cellisten Michael Duknych in brillanter Interpretation das Klaviertrio von Wassyl Barwinskyj, Elegie op 41.Nr 3 von Mykola Lysenko, Burlesque von Myroslaw Skoryk und Walzer op.3 Nr.1 von Valentin Silvestrov.
Neben Auszügen aus dem aktuellen Roman "In den Kriegen"von Evelyn Schlag, vorgetragen von der Autorin, las Susanne Scholl einen berührenden Gefängnisbrief von Maria Kolesnikova, einer der Anführerinnen der niedergeschlagenen Protestbewegung in Belarus: "Die Musik ist ganz in mir, sie agiert und beeinflusst mich in den verschiedenen Lebensabschnitten auf unterschiedliche Art. Und sie ist eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration, der Gedanken, der Kreativität – kurzum: Sie ist ein Lebensquell!"
Im zweiten Konzert "Da Pacem – Musik für eine ukrainische Zukunft" am 24. Oktober im Studio 3 findet sich der Beginn der Begegnung mit der Ukraine und deren Musik: Anlässlich der Invasion Russlands hat das BMKÖS ein Sonderbudget für Aufträge an Kunstschaffende aus der Ukraine eröffnet. Das Ensemble REIHE Zykan + www.reihezykanplus.org unter der künstlerischen Leitung von Michael Mautner hat aus diesem Budget der ukrainischen Komponistin Karmella Tsepkolenko einen Auftrag für ein Vokal-Ensemblestück erteilt. Sie wählte Texte des ukrainischen Autors Serhij Zadan, dem diesjährigen Preisträger des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
Foto: Karin Gruber
Foto: Karin Gruber
Karmella Tsepkolenko hat ihr im Rahmen des Konzerts uraufgeführtes Werk "Woher, schwarzer Tross..." während des Bombardements von Odessa komponiert. Die hohen technischen Anforderungen an das Vokalquartett, das vor allem für die teils sehr hohe Sopranstimme an die Grenzen des Machbaren stieß, folgen einer inneren Logik und werden kongenial durch den Text unterstützt.
Es folgte eine Lesung durch die Schauspielerin Maria Hofstätter mit Gedichten von Rose Ausländer und dem neuen Band "Sehnsucht und Heimat" von Lesja Ukraijnka in der Übersetzung von Alois Woldan, einem Gedicht von Irina Schuwalowa – angeregt von der Kiewer Pianistin und Professorin Anna Seredenko – sowie weiteren Texten von Serhij Zhadan aus seinem Buch "Warum ich nicht im Netz bin".
"Flügeln Wund" für Vokalquartett
Die zweite Uraufführung des Abends war Patricia Kopatchinskajsas Werk "Flügeln Wund" nach einem eigenen Text, und – so Dirigent Michael Mautner – ein spannendes Klangtheater, bei dem durch die zarte Interaktion von Geige und Vokalensemble ein Traumzustand evoziert und durch zusätzliche Geräuscheffekte der Stimmen eine irreale Klangkulisse erzeugt wird.
Neben Arvo Pärts titelgebendem Werk "Da pacem" überzeugte Viktor Andriichenko in Pärts "Es sang vor langen Jahren" für Alt, Viola und Violine in der Doppelrolle des Sängers und Instrumentalisten.
Die beiden Konzerte werden am 9. Dezember um 19.30 Uhr auf Oe1 zu hören sein.
Die Konzerte wurden in Kooperation mit Oe1 ermöglicht und im Rahmen des Programms "Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists" organisiert. Das Projekt wurde finanziert aus den Mitteln vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport, mit weiterer Unterstützung vom Verlag Hollitzer, dem Zukunftsfonds der Republik Österreich und dem oead – Kooperationsbüro Lemberg sowie dem Verein maezenatentum.at – Forschungstransfer in Wissenschaft und Kunst.
Kunst und Menschenrechte
Foto: Hannah Pichler / Österreichische Liga für Menschenrechte
Im Anschluss an die Generalversammlung der Österreichischen Liga für Menschenrechte am 11. November wurde eine nur an diesem Abend zu sehende Ausstellung zum Thema Kunst und Menschenrechte in der Brunnenpassage präsentiert.
In der Show mit Arbeiten von neun Künstler:innen und einer Tanz- und Musikperformance wurde der Art Space am Brunnenmarkt zum Ausstellungsort von Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Skulptur und Fotografie mit feministischem bzw. antirassistischem Bezug. Vier teilnehmende Künstler:innen aus der Ukraine – Elena Rabkina, Yana Hryniv, Olha Pylnyk und Gorsad Kyiv – waren auf Vorschlag von Office Ukraine eingeladen worden.
Foto: Hannah Pichler / Österreichische Liga für Menschenrechte
Office Ukraine-Taschen
Um dringend benötigte Spenden für Office Ukraine zu sammeln, die ukrainischen Künstler.innen und Kulturschaffenden in Notfällen unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden können, produziert Office Ukraine Baumwolltaschen.
Die Stofftaschen mit insgesamt sechs von ukrainischen Künstler:innen entworfenen Sujets — jeweils zwei aus den Offices in Wien, Graz und Innsbruck — werden ab Mitte Dezember in den Offices erhältlich sein.
Office Ukraine Innsbruck goes …
Auch aus dem Westen gibt es Einiges zu berichten: Nach einer Screening- und Vernetzungsveranstaltung Ende September dehnte Office Ukraine Innsbruck im Oktober seinen Tätigkeitsradius mit einem Besuch in Salzburg auf der Suche nach neuen Kooperationsmöglichkeiten und Projektideen weiter aus. Darüber hinaus nützte das Büro auch Radiowellen, um ukrainische Musik und Kunstdiskurse bekannt zu machen. Ebenfalls im Oktober fand das Residency-Programm 2022 der Landeshauptstadt Bregenz, in dessen Rahmen auf Vermittlung von Office Ukraine eine ukrainische Künstlerin nach Vorarlberg eingeladen wurde, mit einer Ausstellung seinen Abschluss. Für November dürfen wir bereits einen kleinen Ausblick auf eine Ausstellungseröffnung in der Neuen Galerie Innsbruck geben.
… into the core of artistic production in times of war.
Im Rahmen der Veranstaltung On the Continuity of War wurden am 27. September im Künstlerhaus Büchsenhausen Filme der ukrainischen Künstler Yarema Malashchuk und Roman Himey, Daniil Revkovskiy and Andriy Rachynskiy sowie von Mykola Ridnyi gezeigt. Das Videoprogramm kuratiert vom ehemaligen Büchsenhausen-Fellow Mykola Ridnyi, zeigte unterschiedliche Perspektiven auf den Krieg, das Wesen des Bewegtbildes und die Idee einer neuen Kunstproduktion im gegenwärtigen Kontext. Im Anschluss an das Screening fand ein Künstlergespräch statt. Die Veranstaltung informierte einerseits die unterstützende Öffentlichkeit vor Ort über den Stand der Dinge in der Ukraine, andererseits ermöglichte sie die Unterstützung männlicher Künstler, die momentan das Land nur in Ausnahmefällen verlassen können.
Artist Talk mit Mykola Ridnyi. © Maryna Shtanko
… Salzburg!
Am 18. Oktober reisten zwei Mitglieder des Office Ukraine Innsbruck nach Salzburg, um über die Aktivitäten und Projekte der Plattform zu berichten und die verschiedenen Möglichkeiten zur Unterstützung ukrainischer Künstler:innen vorzustellen. Wie entstand die Initiative? Was sind die Schwerpunkte unserer Arbeit als Vermittlungs- und Unterstützungsplattform? Was sind die Schritte von der Idee bis zur Umsetzung und wie kann Office Ukraine diesen Prozess begleiten? Diese und weitere Fragen wurden im Laufe des Nachmittags angesprochen. Wir möchten uns beim Dachverband Kultur Salzburg für die Organisation der Veranstaltung, bei periscope für das Hosten und bei allen Teilnehmenden herzlich bedanken! Wir freuen uns darauf, bei der Ausarbeitung und Umsetzung der zahlreichen Projektideen behilflich zu sein.
Team Office Ukraine Innsbruck im periscope, Salzburg. © Susanne Lipinski
… on air!
Bereits zum zweiten Mal gab Büchs'n'Radio, eine Sendung von Andrei Siclodi auf Radio Freirad, ukrainischen Kunst- und Kulturakteur innen eine Stimme und Raum im Äther.
Nach der September-Sendung mit einem Musikprogramm, das vom ehemaligen Büchsenhausen-Fellow Mykola Ridnyi zusammengestellt wurde und den Hörer*innen ukrainische Underground- und Mainstream-Dance-Musik von den frühen Neunzigern bis heute näher brachte, widmete sich die Büchs'n'Radio-Sendung im Oktober den Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks während des Krieges sowie den Herausforderungen, denen sich die Kunstwelt im Jahr 2022 stellen musste. Auf Initiative unserer Kollegin Iryna Kurhanska war ein Ausschnitt aus der aufgezeichneten Diskussion des interdisziplinären Programms Decolonising Art. Beyond the Obvious des ukrainischen Pavillons im Rahmen der 59. Biennale von Venedig zu hören.
… Bregenz!
Wir freuen uns außerdem zu berichten, dass die Ausstellung The Shape of Light mit Werken der ukrainischen Künstlerin Olena Dombrovska am 18. Oktober im Magazin 4 in Bregenz eröffnet wurde. Olena Dombrovska wurde für das Artist in Residence Fellowship 2022 der Landeshauptstadt Bregenz ausgewählt. Dieses Jahr vergab die Stadt das dreimonatige Stipendium in Zusammenarbeit mit Office Ukraine. Von Mitte Juli bis Ende Oktober 2022 lebte und arbeitete die in Odesa geborene ukrainische Künstlerin in Bregenz. Olena Dombrovska beschäftigt sich mit den vielfältigen Formatierungen, die sich aus der speziellen Kombination von Oberfläche und Licht ergeben. "Die Form des Lichts" ist Thema einer Reihe von Arbeiten der Künstlerin, die mit minimalen künstlerischen Mitteln – Linien und geometrischen Konturen – große Formen und optische Effekte zum Ausdruck bringen.
Olena Dombrovska vor ihrem Atelier in Bregenz. © Stadt Bregenz
… Neue Galerie Innsbruck!
Am 18. November eröffnet auf Initiative von Office Ukraine eine Ausstellung mit Werken ukrainischer Künstler:innen in der Neuen Galerie Innsbruck. Die Artists Support Ukraine Foundation hat eine Ready-To-Print-Ausstellung mit Werken zeitgenössischer ukrainischer Künstler: innen, die über den Krieg erzählen, vorbereitet und lenkt somit an verschiedenen Standorten weltweit Aufmerksamkeit auf die Arbeit ukrainischer Künstler: innen über das Leben in den Kriegsgebieten. Zu den beteiligten Künstler:innen zählen Daniil Galkin, Igor Gusev, Alevtina Kakhidze, Kinder Album, Olexandra Kovaleva, Maria Kulikovska, Oksana Levchenya, Anton Logov, Anna Naduda, Vlada Ralko, Oleksiy Sai, Valerii Veduta und Oleksii Zolotariov. Die Ausstellung wird auch von diskursiven Veranstaltungen mit derzeit in Österreich/Tirol lebenden ukrainischen Künstler:innen begleitet werden. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
WIR STELLEN VOR: Office Ukraine Wien
Foto (von links nach rechts): Sasha Horbatiuk, Ania Zorh, Larissa Agel, Natalia Gurova, Michaela Geboltsberger, Susanne Jäger. (Foto von Mariia Yeroshkina)
Seit dem Projektstart im März 2022 haben sich über 250 ukrainische Künstler:innen und Kulturschaffende (mit Familienmitgliedern insgesamt ca. 700 Personen) mit verschiedensten Anliegen an Office Ukraine Wien gewendet.
Im Fokus von Office Ukraine Wien steht die Vernetzung der geflüchteten ukrainischen Kulturschaffenden und Künstler:innen mit den vielfältigen Angeboten und Einladungen von solidarischen heimischen Kunstinstitutionen, Initiativen und der Zivilgesellschaft. So konnten schon vielen Künstler:innen Residencies und Ausstellungsbeteiligungen angeboten, Auftrittsmöglichkeiten und Locations für Musiker:innen sowie Schreibaufträge für Autor:innen in diversen Publikationen vermittelt werden. Das Angebot umfasste bisher aber auch Tätigkeiten bei (Musik) Festivals, Kulturveranstaltungen, sowie DJ- und VJ- Gigs.
Darüber hinaus wurden von der heimischen Kunstszene angebotene Mentoring-, Psychotherapie-, Übersetzungsdienste sowie Ateliers, Arbeitsplätze und (Probe)Räume für temporäre Nutzung vermittelt. In manchen Fällen geht die Arbeit von Office Ukraine über die reine Vernetzungsarbeit hinaus, wie etwa Support bei der Rechtsberatung oder individuelle Hilfeleistung für unbegleitete Minderjährige.
Office Ukraine Wien wendet sich auch aktiv an Kunstinstitutionen und Initiativen und lanciert Vorschläge für Projekte und Veranstaltungen. So etwa im Bereich der klassischen Musik:
In Kooperation mit Ö1 (Dramaturgie und Moderation: Irene Suchy) finden zwei Konzertabende ukrainischer Musiker:innen sowie Lesungen statt: "In den Kriegen – Musik für eine ukrainische Zukunft" (18. Oktober um 19.30 im Großen Sendesaal) sowie "Da Pacem – Musik für eine ukrainische Zukunft" (24. Oktober um 19.30 im Studio 3). Tickets und Details finden Sie unter: www.radiokulturhaus.orf.at
Zudem ist für den 12. Januar 2023 der musikalische Abend "Muttersprache Musik" unter Beteiligung ukrainischer Musiker:innen und Sänger:innen an der Volksoper Wien geplant.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Arbeit von Office Ukraine war die Hilfestellung bei der Einreichung für die vom BMKÖS für 2022 im Rahmen eines Sonderbudgets für ukrainische Kunstschaffende zur Verfügung gestellten Arbeitsstipendien und Projektförderungen im Gesamtwert von 500.000 Euro, die Bereitstellung von Informationen über weitere Stipendien- und Studienmöglichkeiten sowie die Vernetzung mit anderen vergleichbaren europäischen Hilfsprogrammen.
Zu einem beliebten und effizienten Format entwickelten sich die regelmäßig stattfindenden "Get Togethers", die sich zu einem fixen Treffpunkt für ukrainische Kulturschaffende und die Wiener Kunstcommunity entwickelten.
Bis Anfang des Sommers fanden die Treffen im von Hedwig Saxenhuber / springerin initiierten "Freiraum Ukraine" im Museumsquartier Wien statt und seither im sogenannten "Raum D", ebenfalls im Museumsquartier. Die Aktivitäten reichten von Vorträgen ukrainischer Künstler:innen wie Pavlo Makov über Filmscreenings, z. B. von Alina Maksimenko, Diskussionsveranstaltungen sowie der Ausstellung "Scents of the Earth", einer Präsentation der Arbeiten von Ada Rybachuk and Volodymyr Melnychenko (ARVM). Der Freiraum Ukraine stand ukrainischen Kulturschaffenden zudem unbürokratisch für Workshops sowie als Probe- und Arbeitsraum und informeller Treffpunkt zur Verfügung.
Eine Eigeninitiative von Office Ukraine ist auch die in unregelmäßigen Abständen stattfindende Verteilung von Künstlerbedarf an ukrainische Künstler:innen. Bisher erhielten über 100 Künstler:innen von ihnen dringend benötigtes Arbeitsmaterial, großteils gespendet von Einzelpersonen und Kunstinstitutionen. Außerdem war auch ein dreitägiger, Anfang Juni unter Beteiligung von 35 Künstler:innen stattfindender Kunst- und Kunsthandwerksmarkt im MuseumsQuartier Wien, initiiert von Hedwig Saxenhuber / Freiraum Ukraine, äußerst erfolgreich. Ein weiterer ist geplant.
Darüber hinaus werden mittels Aussendungen und Social Media-Beiträgen die vielfältigen, für die ukrainische Kunstszene relevanten kulturellen Aktivitäten anderer Veranstalter:innen beworben sowie Informationen zu rechtlichen Fragen und der Grundversorgung verschickt.
Das Team von Office Ukraine Wien besteht aus: Georg Schöllhammer (Initiator), Larissa Agel, Michaela Geboltsberger, Natalia Gurova, Oleksandra Horbatiuk, Susanne Jäger, Simon Mraz, Ania Zorh.
"Get Together" / Foto von ESEL
Ein leider derzeit besonders aktuelles Thema ist auch die Suche nach Wohnraum und Ateliers, die Situation ist äußerst angespannt.
Damit die Aufmerksamkeit für die Situation der ukrainischen Kulturschaffenden nicht abreißt, nützt Office Ukraine Wien auch die Gelegenheit, im Rahmen von Einladungen anderer Kunstinstitutionen über seine Arbeit zu sprechen: z. B. am 15. Oktober im Belvedere 21.
Office Ukraine Wien hat bisher mit folgenden Institutionen und Initiativen zusammengearbeitet
tranzit.at, ERSTE Stiftung, Museumsquartier Wien, Freiraum Ukraine, Künstlerhaus Wien, Belvedere 21, Vienna Design Week, Kunsthalle Wien, Kunsthalle Exnergasse, Secession, springerin, Vereinigte Bühnen Wien, IG Bildende Kunst, IG Architektur, Echolot Kulturverein, Akademie der bildenden Künste Wien, Universität für angewandte Kunst Wien, mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Volksoper Wien, PfarrCaritas, Notgalerie, Artist at Risk, Produzentengalerie, Art Phalanx, Österreichische Filmakademie, Ö1, ditiramb, , Size Matters – Raum für Film und Kunst, FLUC, PCs für Alle, PEN Austria / MICA – Music Austria, das weisse haus, Verein s’Hufnagl – Begegnung und Alltagskultur im Grätzl, Theaterflucht Österreich, Depot. Kunst und Diskussion, gift - Zeitschrift für freies Theater, ÖIF – Österreichischer Integrationsfonds, Symposium Kunst in der Natur (Gars), Kunstverein Eisenstadt, Johannes Kepler Universität Linz, Zirkus des Wissens / Airan Berg (Linz), Salzamt (Linz), KUPFzeitung (OÖ), Ars Electronia (Linz), u.a.
Wohnraum dringend gesucht
Die Suche nach Wohnraum für geflüchtete Ukrainer:innen gestaltet sich immer schwieriger.
"Good afternoon, we (my son 7 year old and my mother) are located near Klagenfurt. For two months I have been looking for housing all day long. I was in some relief organizations and it doesn’t work. In September the child needs to go to school."
(Name ist Office Ukraine bekannt)
Seit Mitte August erreichen uns immer häufiger verzweifelte Nachrichten von geflüchteten Ukrainer:innen, die bereits eine lange erfolglose Wohnungssuche hinter sich haben und die dringend – und nun sehr kurzfristig – eine neue Bleibe benötigen.
Wir appellieren daher an alle Privatpersonen, Institutionen und Initiativen, die österreichweit Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen können. Gebraucht werden WG-Zimmer und Appartements, derzeit nicht benötigte Zweitwohnungen / -häuser und Artists Residencies. Wie die Erfahrung gezeigt hat, sollte die Nutzungsdauer mindestens drei Monate betragen, im besten Fall längerfristig.
Ideal sind Gratisangebote, da sich viele mit uns in Kontakt stehende Geflüchtete in einer prekären finanziellen Lage befinden. Aufgrund des Mietzuschusses für ukrainische Geflüchtete, die sich in der Grundversorgung befinden, ist eine finanzielle Beteiligung für Wohnraum in den meisten Fällen möglich. Für Einzelpersonen sind derzeit maximal 160 Euro pro Monat, für Familien maximal 330 Euro pro Monat (genaue Höhe in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich) als Mietzuschuss vorgesehen.
Ebenfalls benötigt werden auch Wohnungen mit regulärer Miete für ukrainische Kulturschaffende, die über finanzielle Reserven verfügen.
Falls Sie Wohnmöglichkeiten für Office Ukraine anbieten möchten, bitten wir Sie, Ihr Angebot in das Webformular der Office Ukraine-Webpage einzutragen oder uns per Email zu schreiben.
Sommerveranstaltungen von Office Ukraine Wien
Tuesday@Secession Veranstaltungsreihe: Gemeinsamer Abend von Office Ukraine mit den ukrainischen Künstlerinnen Olia Fedorova und Svitlana Zhytnia am 19. Juli im Garten der Secession
Zur dritten Veranstaltung der Sommerreihe Tuesday@Secession am 19. Juli war Office Ukraine von der Secession eingeladen, den Abend im Garten der Secession zu gestalten.
Zum Auftakt des Abends gaben Teammitglieder von Office Ukraine Wien im Rahmen eines Talks einen Einblick in Entstehung, Struktur und Arbeitsweise des Hilfsprojekts.
Den Hauptteil der Veranstaltung gestalteten die beiden ukrainischen Künstlerinnen Olia Fedorova und Svitlana Zhytnia (beide aus Charkiv, derzeit in Graz) mit Einzelwerken, die aber miteinander verflochten präsentiert wurden: Olia Fedorova mit ihrer eindringlichen, erstmals öffentlich präsentieren Arbeit "Ukrainian Prayer", einem performativen Poetry-Reading mit der Intention, dass die Menschen "auch hören, fühlen, was wir fühlen, verstehen, was wir verstehen – was der Krieg eigentlich ist." Svitlana Zhytnia, Künstlerin mit Schwerpunkt digitale Medien, arbeitet im Bereich der generativen Kunst, entwickelt Videoanimationen durch visuelle Codierung und experimentiert mit Filmmaterial in Echtzeit. Sie präsentierte die vielschichtige Video- und Soundinstallation "To the Living", in der der Kreislauf von Leben und Tod unter dem Eindruck des Kriegs in der Ukraine im Mittelpunkt steht.
Bei hochsommerlichen Temperaturen erlebten die etwa hundert Besucher:innen im Garten der Secession einen entspannten Abend, der auch zum Informationsaustausch genutzt wurde.
Talk zur Arbeit von Office Ukraine: Svitlana Zhytnia (Künstlerin); Susanne Jäger (Office Ukraine), Christian Lübbert
(Secession), Natalia Gurova, Larissa Agel, Oleksandra Horbatiuk (alle Office Ukraine), Olia Fedorova (Künstlerin).
Olia Fedorova während der Performance
Svitlana Zhytnia (im Zentrum)
Copyright: Mariia Yeroshkina
IG: @masha_mellifluous
разом – razom – together in FLUC
Im Rahmen einer Kooperation von Office Ukraine mit dem Musik- und Kunstspace FLUC am Praterstern wurde das Projekt разом – razom – together im September 2022 unter Beteiligung ukrainischer Künstler:innen und Musiker:innen realisiert.
Von Anfang bis Mitte September präsentierten vier ukrainische Künstler:innen und Künstler:innenkollektive, die derzeit in Österreich, Deutschland und den Niederlanden leben und mit dem Office Ukraine in Kontakt stehen, Arbeiten auf Billboards im öffentlichen Raum außerhalb des FLUC. Die unterschiedlichen Ansätze, Arbeitsweisen, Techniken und thematischen Schwerpunkte von Alina Haieva & Karina Haieva, Alexandra Kadzevich, Maryna Shtanko und Socia Collective repräsentierten einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen zeitgenössischen Kunstszene in der Ukraine.
Die Veranstaltung am 8. September im FLUC konzentrierte sich auf Musik- und Videoarbeiten. Den Beginn machte Igor Spassky, ein Mitglied des Socia Collective, mit einer Live-Musikperformance. Zum Pinguin-Tanz von Skrjabin kreierte er mit Sprühfarbe eine großformatige, abstrakte Arbeit, entstanden im Rhythmus der Musik.
Den Auftakt in der FLUC-Wanne im Anschluss bildete die Präsentation des Videos "Feast of Life" (2015) von Anatoly Belov in Zusammenarbeit mit Oksana Kazmina – ein eindrücklicher Einblick in die Clubszene von Kiew.
Sound Artist Heinali performte experimentelle elektronische Musik. Mit einer immersiven Klanglandschaft von Svitlana Zhytnia, Künstlerin und VJin in Zusammenarbeit mit DJ shelvy wurde der Dancefloor eröffnet.
Office Ukraine billboard
Socia Collective nach Performance
Heinali
Copyright: Mariia Yeroshkina
IG: @masha_mellifluous
Neues aus Innsbruck
"Alles, was hier passiert, ist eine neue Erfahrung für mich."
Ukrainische Künstler:innen in Feldkirch
Künstler:innen verschiedener Genres aus der Ukraine nahmen im Sommer 2022 in der VILLA MÜLLER in Feldkirch, Vorarlberg, an der für sie konzipierten pARTner Residency teil. Durch die Vermittlung von Office Ukraine wurde hier geflüchteten Künstler:innen mit dem Schwerpunkt zeitgenössische und konzeptuelle Kunst Raum zum Wohnen, Arbeiten sowie für die Präsentation ihrer neu entstandenen Werke zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus erhielten sie Anschluss an die lokale Kunst- und Kulturszene und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit.
Insgesamt fanden drei Runden der einmonatigen Residency in der VILLA MÜLLER statt. Im April/Mai 2022 nahmen die Künstlerinnen Zoya Laktionova, Natalia Revoniuk, Zhenia Stepanenko, Vera Zemlyanikina und Hanna Trofimiva teil. Die Künstlerinnen präsentierten ihre Projekte zum Thema "Future Is Soon" im Rahmen einer Ausstellung, kuratiert von Garry Krayevets, am 19. Mai. Die zweite Runde im Juli – die Interviews mit den Teilnehmerinnen sind hier nachzulesen – wurde von Iryna Kurhanska kuratiert. Die Künstlerinnen arbeiteten einen Monat lang an ihren Kunstwerken zu dem übergreifenden Thema "Verbindungen" und präsentierten diese am 4. August in der VILLA MÜLLER. Es folgte die Augustausgabe mit den Künstler:innen Mark Chehodaiev, Alexandra Kadzevich, Miki-Mike 665, Maryna Shtanko und Marharyta Zhurunova, ebenfalls kuratiert von Iryna Kurhanska. Die Werke, die sich um die Erfahrungen und Erwartungen im Zusammenhang mit Krieg und Gender drehten, wurden am 1. September vorgestellt.
Wir freuen uns, Ihnen nun die Juli-Stipendiat:innen Olesia Papushnikova, Nataliia Khananova, Veronika Kutseva, Svitlana Honcharova (Molly Route), Viktoriia Dovhan (Viktoriia Dovhadze), Nadya Sobko und Nadiia Velychko (Vila) näher vorzustellen! Die Interviews wurden im Juli 2022 während ihres Aufenthalts in Feldkirch geführt.
1. Teilnehmerinnen der 2. Runde des pARTner Residency-Programms und ihre Organisator:innen.
Foto: Oleksandra Sauliak
2. Stipendiat:innen der 3. Runde der pARTner Residency bei ihrem Besuch in Innsbruck, um die lokale Kunstszene und Kultureinrichtungen kennen zu lernen.
Foto: Veronika Riedl
3. "Sie haben keine Namen, aber wir gehen oft zusammen" von Alexandra Kadzevich, Ausstellungsansicht, Villa Müller.
Foto: Sofiia Martseniuk
4. Plakat der Abschlussausstellung der pARTner Residency.
Foto: Sofiia Martseniuk
Olesia Papushnikova, Dnipro
Theater, Performance, Bühnenbild
Mein Traum war es, ein experimentelles, kritisches Theater in meiner Heimatstadt zu gründen. Aus diesem Grund plante ich, für eine Weile nach Kharkiv zu ziehen, da diese Stadt die stärkste Avantgarde-Theatertradition in der Ukraine hat, deren Wurzeln in den 1920er Jahren liegen. Aber seit Kriegsbeginn war ich es, die meinen Freund:innen aus Kharkiv und Umgebung Unterschlupf gewährte. Die Situation in Dnipro war vergleichsweise ruhig. Das dortige Opern- und Balletttheater, für das ich arbeite, hat seine Tätigkeit bereits im April wieder aufgenommen.
Die Residency ist für mich eine Gelegenheit, ein großes Projekt weiterzuentwickeln und an etwas Neuem zu arbeiten. Ich habe mich für mehr als 50 Residencies beworben und bin froh, dass ich dank Office Ukraine nun hier in Feldkirch sein kann. Ich bin beeindruckt von dieser kleinen und gemütlichen Stadt. Die Infrastruktur ist gut und die Kulturszene lebendig.
Alles, was hier passiert, ist eine neue Erfahrung für mich. Ich möchte an den Theaterprojekten hier teilnehmen, aber ich möchte auch nicht für immer als Geflüchtete außerhalb der Ukraine leben. So hoffe ich, in Zukunft an grenzüberschreitenden Projekten arbeiten zu können.
Nataliia Khananova, Kyiv
Künstlerische Keramik, Skulptur, Installation
@lia_khan_ceramics
Für mich ist die Keramik nicht nur ein sehr altes, sondern zugleich auch ein zeitgenössisches Medium. Deshalb interessiere ich mich vor allem für interaktive Keramik und modulares Design.
Ich verließ Kyiv, nachdem ein Flugzeug in der Nähe meines Hauses abgeschossen worden war. Ich verbrachte einige Monate in Lviv: Die dortige Akademie gab mir und meinen Kolleg:innen die Möglichkeit, in ihren Ateliers zu arbeiten, so dass wir kürzlich sogar eine Ausstellung machen konnten.
Die "pARTner Residency" ist meine erste Residency seit Kriegsbeginn. Was mich daran am meisten reizt, ist die Möglichkeit, Künstler:innen aus verschiedenen Bereichen zu treffen und mit ihnen zu arbeiten. Ich denke, dass an solchen disziplinären Schnittstellen viele interessante Ideen entstehen können.
Neben Feldkirch, das an sich sehr schön ist, habe ich auch Bregenz besucht – hier war ich vom Vorarlberg Museum beeindruckt. Im Moment kann ich meine persönliche Zukunft nicht klar sehen, wie wahrscheinlich die meisten Ukrainer:innen. Der Kulturbetrieb in der Ukraine ist unter den gegenwärtigen Kriegsbedingungen sehr zerbrechlich. Ich hoffe, dass ich Möglichkeiten für weitere Projekte in Österreich finden werde.
Veronika Kutseva, Kyiv
Flötistin, Dirigentin
Vor dem Krieg war ich Studentin an einem Konservatorium in Kyiv. Am ersten Tag des Krieges hatten mein Partner und ich das Coronavirus. Das wurde für uns zu einer zweifachen Herausforderung. Noch am selben Abend flohen wir mit einem Auto in die Westukraine, zwei Wochen später reiste ich aus nach Polen, während mein Partner in der Ukraine blieb.
Mir war klar, dass ich mein Studium trotz allem fortsetzen musste, und ich begann, Anfragen an Universitäten und Residencies in vielen Ländern zu schicken. Eines (glücklichen) Tages stieß ich auf die Website des Office Ukraine, die mich mit der Künstler:innen-Community in Feldkirch in Kontakt brachte. Ich bin nun schon seit 3 Monaten in dieser Stadt und habe mich bereits am Vorarlberger Landeskonservatorium eingeschrieben und widme meine gesamte Freizeit dem "Deutschlernen in Lichtgeschwindigkeit". Außerdem hatte ich einige künstlerische Projekte, die mit Musik und Videokunst zu tun haben, in Planung. Ich freue mich, nun eines davon im Rahmen der "pARTner Residency" umzusetzen.
Mein größtes Glück ist natürlich die Aussicht auf eine hochwertige Ausbildung in Österreich. Da ich nun diese Möglichkeit habe, werde ich hier Zeit verbringen, um nach weiteren interessanten beruflichen Möglichkeiten zu suchen und mich weiterzuentwickeln.
Svitlana Honcharova (Molly Route), Kyiv
Grafik
Am Vorabend des Krieges arbeitete ich wie üblich in meinem Atelier. Als die ersten Angriffe erfolgten, blieb ich noch ein paar Tage in Kyiv, zog dann aber nach Lviv um.
Es war schwierig für mich, mich auf den kreativen Prozess zu konzentrieren, ich konnte nicht zeichnen. So verbrachte ich einige Wochen mit dem Weben von Tarnnetzen in einem der zahlreichen Freiwilligenzentren. Am 18. Tag der militärischen Invasion entstand mein erstes Werk aus dem Krieg. Da ich keine Möglichkeit hatte, in meinem Kyiver Atelier zu arbeiten, begann ich, nach Residencies im Ausland zu suchen. Im Zuge dessen fand ich Informationen über Office Ukraine, füllte das Formular aus und so kam es nun zur ersten Residency in meinem Leben!
Das ist eine völlig neue Erfahrung für mich: an einem Ort in einem fremden Land mit einer Gruppe von Künstler:innen zu leben und zu arbeiten. Wir sind alle so unterschiedlich, aber wir kommen zusammen wie ein Puzzle.
Ich habe 34 Jahre lang in einer flachen Gegend gelebt. Die österreichischen Berge erscheinen mir daher wie ein neues Universum. Ich hoffe, dass ich noch einmal die Gelegenheit haben werde, meinen Dialog mit Österreich fortzusetzen und andere Teile des Landes zu sehen. Ich werde auf jeden Fall in die Alpen zurückkehren.
Viktoriia Dovhan (Viktoriia Dovhadze), Lviv
Fotografie, Video, Mixed Media
@dovhadze
Kurz vor Kriegsbeginn gelang es mir, meine alte psychische Störung in den Griff zu bekommen, und ich begann langsam wieder zu arbeiten: Ich war kurz davor, eine Einzelausstellung zu machen. Doch am 24. Februar packte ich meine Katze und andere Dinge in meinen Rucksack und rannte in die Wohnung meines Freundes. Später gründeten wir eine gemeinnützige Freiwilligenorganisation namens KUKHNIA, in der Künstler:innen und Aktivist:innen Kriegsvertriebenen helfen.
Später merkte ich, dass ich dort an meine Grenzen kam, also suchte ich nach Möglichkeiten im Ausland, um meine kreative Tätigkeit fortzusetzen. Einer der interessantesten Aspekte dieser Residency in Feldkirch ist für mich die Zusammensetzung der Künstler:innen, denn jede:r von uns arbeitet in einem anderen Bereich. Dies bietet die Möglichkeit eines breiteren Dialogs und die Chance, andere Praktiken kennenzulernen und auszuprobieren.
Ich war schon zuvor in Österreich, aber noch nie außerhalb Wiens. Ich bin überrascht über die Dichte des kulturellen Angebots außerhalb der Hauptstadt. Ich dachte, ich komme in eine kleine Stadt, aber es stellte sich heraus, dass ich in Feldkirch mit all den interessanten Veranstaltungen, die hier stattfinden, kaum Schritt halten kann! Feldkirch ist für mich aber auch ein perfekter Ort, um mit meinen Gedanken allein zu sein. Hier kann ich eine gewisse Ruhe finden – dies ist bei uns in der Ukraine nicht mehr möglich.
Nadya Sobko, Lviv
Autor:innenkeramik, Environmental Art
Als professionelle Keramikerin wollte ich meinen Online-Shop mit Autor:innenkeramik eröffnen, aber jetzt habe ich meinen Job verloren und befinde mich in einer ziemlich schwierigen finanziellen und emotionalen Lage.
In den ersten zwei Monaten dachte ich gar nicht daran, an Residencies teilzunehmen, sondern half aktiv als Volontärin, weil ich glaubte, dass der Krieg bald vorbei wäre. Aber schon im Juni spürte ich, dass ich weitermachen musste. Der Wunsch, als Künstlerin zu arbeiten, erwachte schließlich wieder. Irgendwann erfuhr ich von Office Ukraine und hatte das Glück, ein Teil der "pARTner Residency" zu werden.
Ich schätze die Kulturszene in Österreich, es gibt so viele Veranstaltungen und man kann viele gut finanzierte Möglichkeiten für Künstler*innen finden. In Feldkirch ist zwar alles ein bisschen ruhiger, aber trotzdem finden hier richtig viele Kulturveranstaltungen statt! Ich habe den Wunsch, noch ein bisschen länger hier zu bleiben, aber ich vermisse Lviv auch sehr, deshalb werde ich nach der Residency auf jeden Fall wieder nach Hause zurückkehren. Auf jeden Fall ist Österreich unerwarteterweise zu einer der besten Auslandserfahrungen geworden, die ich bisher gemacht habe!
Nadiia Velychko (Vila), Kharkiv
Grafik, Buchgestaltung, Kuratieren
Ich arbeite seit mehr als 15 Jahren als Grafikdesignerin und interessiere mich unter anderem für experimentelle Veröffentlichungsverfahren und Kunstbücher. Außerdem habe ich an der Staatlichen Akademie für Design und Bildende Kunst in Kharkiv unterrichtet. Die Arbeit mit Studierenden ist meine wahre Leidenschaft, denn sie bringen eine unglaubliche Energie mit.
Eine Woche nach Kriegsbeginn wagte ich es, meine Stadt zu verlassen – selbst die Fahrt mit dem Evakuierungszug wurde von ständigem Beschuss begleitet. So landete ich in Lviv, aber schon bald erhielt ich eine Residency in Polen, dann eine weitere. Ich kann nicht nach Kharkiv zurückkehren, deshalb wandere ich von einem Wohnsitz zum anderen, und hier bin ich nun — in Österreich. Die Villa und die Residency selbst bieten komfortable Unterkünfte; ich genieße die hiesige Gesellschaft anderer ukrainischer Künstler:innen.
Ich spüre hier ein großes Potenzial für meine künstlerische Arbeit. Ich mag es, schöne Bücher zu machen, und ich sehe, dass dieser Bereich in Europa sehr gut entwickelt ist. Aber ich vermisse meine Heimat und hoffe, dass ich bald zurückkehren und wieder von dort aus Projekte realisieren kann.
Zahlreiche Vernetzungserfolge von Office Ukraine Graz
In den Sommermonaten von Juli und August gab es von Office Ukraine Graz insgesamt zehn Projekte mit ukrainischer Beteiligung, die in Kooperation mit Kunstinstitutionen und Initiativen aus der Steiermark und dem Burgenland umgesetzt wurden. Folgende vier Projekte sind Teil dieses Vernetzungserfolgs.
Ausstellung "War Views" by Anzhelika Palyvoda und Vladyslav Riaboshtan
Graz Museum, 7. Juli – 28. August 2022
Anzhelika Palyvoda (Kyiv/Graz) und Vladyslav Riabosthan (Dnipro), zwei ukrainische Künstler:innen, die durch die Folgen des Krieges in der Ukraine ihren Heimatort verlassen mussten, dokumentieren künstlerisch ihre Erfahrungen und reflektieren ihre Realität – die eine in Graz, der andere in Luzk (Ukraine). Es ist ein Dialog zweier Künstler:innen, zwischen Zerstörung und der Hoffnung auf Frieden, zwischen nah und fern.
War Views, Graz Museum, Foto: Sebastian Reiser
Installation "WITNESSES" by Margo Sarkisova und Eduard Balula
WITNESSES, Landeszeughaus, Foto: J.J. Kucek
In Kooperation mit Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Landeszeughaus, die Eröffnung fand am 21. Juli statt.
Beide Künstler:innen, deren Werke im Projekt Witnesses präsentiert werden, lebten und arbeiteten vor dem Krieg in Kharkiv. Jetzt sind beide nach Lviv bzw. Graz gezogen, um weiterzuarbeiten. Eduard Balulas Werk "Storch" zeigt einen toten Vogel – ein Symbol der Ukraine. Dieser Storch steht für alle Ukrainer:innen, die vor dem Krieg geflohen sind oder gezwungen waren, sich in Kellern zu verstecken, die starben und in Angst leben und die Freiheit verteidigen, oft auf Kosten ihres eigenen Lebens. Die Platzierung der Arbeit ist nicht zufällig: die Fassade des Landeszeughauses. Der zweite Teil des Projekts, von Nastia Khlestova kuratiert, befindet sich im Museum selbst. Dort sind die Tagebücher von Margo Sarkisova ausgestellt – Zeichnungen in einem Notizbuch, an denen sie seit Beginn der Invasion, arbeitet.
Wandbild "Shameless land does not remain dead for too long" by Kateryna Lysovenko
in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz, Juli – September 2022
Shameless land, Foto: Kunsthaus Graz
Als Fortsetzung ihrer Teilnahme am Prolog des steirischen herbst in der Neuen Galerie Graz malt Kateryna Lysovenko zwei Tage lang an einem Wandbild für das Erdgeschoss des Kunsthauses Graz, von Katrin Bucher-Tantrow kuratiert. Im Foyer lässt die ukrainische Malerin und Performerin im halböffentlichen Raum das Publikum an ihrer Arbeit teilnehmen.
"Schamlose Erde bleibt nicht allzu lange tot." Es ist ungeheuerlich, wie sich Bäume regenerieren und grün werden, nachdem sie mit Bombenteppichen bombardiert wurden. Verlorene Menschen leben in Städten, die tot genannt werden, sie suchen nach Wasser und Nahrung, sie sterben während der Suche.
In der Poesie, in religiösen Texten, verdunkelt sich der Himmel, wenn ein großes Unglück geschieht; die Sonne geht nicht auf, die Vögel verstummen. Aber jenseits der Texte gibt es kein Unglück, das die Sonne nicht mehr aufgehen lässt. Es gibt auch kein einziges Unglück, bei dem die überlebenden Menschen nicht dennoch zum Leben verdammt sind.
Selbst die schwierigsten Bedingungen in der Welt können nicht als unmöglich für das Leben bezeichnet werden. Da die Menschen die Lebensbedingungen für sich und ihre Umgebung ändern können, haben sie kein Recht, das Land oder die Städte als tot zu bezeichnen.
Und man kann die Verantwortung dafür, welche Bedingungen an bestimmten Orten geschaffen werden, auch nicht ablehnen. Schließlich kann man sehr, sehr unterschiedlich leben, bis hin zur fast völligen Ununterscheidbarkeit vom Tod. - Kateryna Lysovenko
Buchprojekt zugunsten ukrainischer Künstler:innen:
"FINALE | THE FINAL | ФІНАЛ" by Martin Behr & Christian Wiedner
In Kooperation mit dem Verlag Bibliothek der Provinz, August 2022
Beratung: Anna Sorokovaya (Kyiv/ Graz)
2012 kamen Fußballfans aus ganz Europa zum UEFA-EURO-Finale nach Kyiv.
2022 kamen die Raketen aus Russland.
2012 war Kyiv von den Insignien einer globalen, durchkommerzialisierten Fußballkultur besetzt, der Grazer Fotograf Martin Behr dokumentierte drei Tage lang die kommerzielle Eventisierung eines Fußballfinales. Die Texte sowie eigene Erfahrungen haben den ukrainischen Künstler und Grafiker Oleg Gryshchenko zu sechs Illustrationen über das vergangene wie gegenwärtige Geschehen motiviert. Gryshchenko lässt in seinen Motiven die Zeitebenen und damit auch das Betriebssystem Fußball mit den Ahnungen und Erscheinungsformen des Krieges verschmelzen.
Der Gesamterlös der Publikation, die auch online erhältlich ist, kommt Office Ukraine zugute.
Creating History Together 2012/22
FINALE, Creating History Together 2012/22, Grafik: Oleg Gryshchenko
Dieser Garten heilt mich und meinen Geist
Kateryna Lysovenko in ihrem neuen Atelier.
Kateryna Lysovenko ist eine junge Künstlerin aus Kiew (Ukraine), die vor wenigen Monaten aufgrund des Krieges nach Graz kam. Über das Office Ukraine Graz wurde der Kontakt zum Universalmuseum Joanneum (UMJ) hergestellt und in weiterer Folge geeigneter Wohnraum gefunden. Mit ihren beiden Kindern und einer Katze lebt sie nun im Portierhaus des Schloss Eggenberg. In einem Gebäude im Schlosspark konnte sie sich ein Atelier einrichten, um ihrer künstlerischen Tätigkeit weiterhin nachgehen zu können.
Ein ruhiger Nachmittag im Schlosspark von Eggenberg. Kateryna zeigt die kleinen Malereien auf ihrem Schreibtisch, an denen sie gerade arbeitet. "Wenn ich kleine Bilder male, hat es einen größeren emotionalen Wert für mich. Gleichzeitig geben sie viel Raum für Fantasie. Große Dinge bekommen in dieser Welt aber mehr Aufmerksamkeit. Wenn ich solche Werke mache, möchte ich Menschen in diese Welt einladen", erklärt Kateryna, während sie die großen Leinwände, die die Wände des Ateliers schmücken, präsentiert.
Ein langer Weg nach Graz
Seit fast vier Monaten lebt Kateryna nun hier in Graz. "Als der Krieg ausbrach, verstand ich, dass ich meine Kinder in Sicherheit bringen musste. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte. Zuerst sind wir in die Westukraine gegangen, aber die Situation dort war sehr schwierig für uns. Deshalb gingen wir nach Polen, wo ich dann den Kontakt zu polnischen Künstler:innen herstellen konnte."
Kateryna erklärt, sie habe sich einen sicheren und ruhigen Ort gewünscht, an dem sie für einen längeren Zeitraum künstlerisch arbeiten kann. "Unsere Unterkunft in Graz ist sehr schön. Ich fühle mich hier sehr wohl und das Office Ukraine Graz hat mir auch wirklich bei der Integration geholfen, wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe hier gute Beziehungen geknüpft und einige neue Freund:innen gefunden."
Das Ateliergebäude liegt im Eggenberger Schlosspark.
Mutter-sein und Künstlerin-sein
Ihre Kinder sind fünf und zehn Jahre alt und können hier in Graz weiterhin den Kindergarten und die Schule besuchen. Vor allem die Suche nach einem Kindergarten gestaltete sich zunächst schwierig. Erst nach mehreren Wochen konnte ein Platz in einem lokalen Kindergarten organisiert werden.
"Die freie Zeit, die ich nun habe, nutze ich hauptsächlich in meinem Atelier, um an meiner Kunst zu arbeiten." Auf die Frage, ob sie auch mit ihren Kindern arbeiten könne, meint die junge Künstlerin: "Natürlich brauche ich Zeit für mich allein, um nachzudenken. Aber wenn ich dann eine Idee habe, kann ich auch neben den Kindern arbeiten, das habe ich früher auch schon gemacht."
Ein neues Leben in Graz
Nun setzt Kateryna ihre künstlerischen Tätigkeiten in Graz fort. "Es ist ein sehr schöner Platz hier. Ich liebe den großen alten Garten sehr. Ich hatte immer schon den Traum, in einem solchen Garten zu leben und jetzt ist dieser Traum wahr geworden - natürlich unter sehr harten Bedingungen und mit einem sehr schwierigen Hintergrund. Dieser Garten heilt mich und meinen Geist wirklich. Manchmal ist es sehr schizophren für mich. Meine Verwandten und Freunde sind in einer sehr schwierigen Lage zu Hause, während ich diesen schönen Blick habe."
Ein Weg im Schlosspark, den die Künstlerin besonders gerne hat.
Zwischen Krieg und Kunst
Die Themen, die Kateryna mit ihrer Malerei aufgreift, sind derzeit vor allem Entmenschlichung und Entobjektivierung. Sie verfolgt dabei ein politisches Interesse und beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Ideologie und Malerei, sowie mit der Präsenz von Opferdarstellungen in Politik und Kunst, von der Antike bis zur Gegenwart. Sie betrachtet die Malerei als eine Sprache, die instrumentalisiert oder befreit werden kann.
"Ich habe viele Emotionen mit der Situation hier in Verbindung mit der Ukraine, die ich in meine Kunst einbringen möchte. Es ist für mich sehr interessant zu sehen: Wenn ich in den öffentlichen Verkehrsmitteln sitze, fühle ich mich anders als die anderen. Aber im Museum fühle ich mich wie zu Hause, weil ich viele Inspirationen von anderen Bildern bekomme, vor allem von den Künstler:innen aus der Vergangenheit. Die österreichischen Künstler:innen des 19. und 20. Jahrhunderts sehen den Krieg und die Gewalt ganz nah. Ich sehe, dass sie ihre Realität so beschrieben haben, wie ich es jetzt tue. Der Verlust der Menschlichkeit und die Zerstörung des Körpers, der Stadt und allen Lebens. Ich empfinde jetzt ähnliche Gefühle wie diese Künstler:innen damals in Österreich."
Licht am Ende des Tunnels?
Derzeit bereitet sich die Künstlerin auf den steirischen herbst 2022, sowie auf die Schaffung eines Wandbilds, das in Kooperation mit dem Kunsthaus Graz entstehen wird, vor. "Identitätsverlust, Entmenschlichung, die feministische Kritik am Krieg, sowie die Beziehung zwischen Körper und Gewalt im Bild werden Themen sein", erklärt sie. Die Künstlerin arbeitet darüber hinaus auch an einem neuen Werk, das im Herbst in Rumänien gezeigt werden wird.
Auch die Arbeit an großen Leinwänden ist im Atelier möglich.
"Ich möchte erst wieder nach Hause zurückgehen, wenn die Ukraine diesen Krieg gewinnt und wir unser Territorium zurückbekommen wie vor dem 24. Februar. Ich denke dabei sehr an meine Kinder. Im Herbst fange ich in Basel ein Masterstudium an und dann denke ich vielleicht über eine Dissertation in Wien nach. Zwei Jahre lang werde ich sicher hier bleiben, weil ich mich weiterbilden will."
Text: Nora Reichhalter
Fotos: Thomas Raggam
WIR STELLEN VOR: OFFICE UKRAINE INNSBRUCK
Foto (von links nach rechts): Andrei Siclodi, Veronika Riedl, Iryna Kurhanska
Seit Beginn der Initiative Office Ukraine gehört es zum Alltag im Künstlerhaus Büchsenhausen, Projektmöglichkeiten für ukrainische Künstler:innen mit Institutionen und Initiativen in Tirol, Vorarlberg und Salzburg auszuloten, Wohnmöglichkeiten zu finden und mit den vertriebenen Künstler:innen Gespräche über Alltagsfragen und dringend benötigte Dokumente zu führen. Abgesehen davon hat sich die Terrasse des Künstlerhauses als Arbeits- und Begegnungsort für Künstler:innen aus Ukraine etabliert.
Das Künstlerhaus Büchsenhausen in Innsbruck vereint normalerweise zwei Förderprogramme unter einem Dach: das international ausgerichtete Fellowship-Programm für Kunst und Theorie sowie ein Atelierprogramm für in Tirol ansässige Künstler:innen. Seit März 2022 ist es nun auch die Office Ukraine Zweigstelle im Westen Österreichs, mit Fokus auf die Bundesländer Tirol, Salzburg und Vorarlberg. Durch den Standort im Westen, wo wesentlich weniger Vertriebene aus Ukraine direkt ankommen als in Städten wie Wien und Graz, ist die Situation – und damit auch die Arbeitsschwerpunkte des Teams – ein wenig anders.
Vor allem in der Anfangsphase konzentrierten wir uns unter anderem auf die Verbreitung von Informationen in den lokalen Kunst- und Kulturszenen, um Unterstützungsangebote und Spenden zu generieren. Für die Angekommenen versuchen wir, durch finanzielle Unterstützung, Wohnraumvermittlung und Informationsweiterleitung die Hürden der Ankunftszeit etwas zu mindern und ihnen in weiterer Folge durch das Knüpfen von Kontakten zu lokalen Institutionen und Einzelpersonen sowie durch die Verteilung von Künstler:innenbedarf die Möglichkeit zu geben, weiterhin künstlerisch tätig zu sein. Eine wichtige Säule ist auch die Vermittlung, beziehungsweise die Unterstützung des Aufbaus von Residencies für vertriebene ukrainische Künstler:innen im Westen. Vernetzungsveranstaltungen, darunter auch ein Film-Screening mit Filmen von Zoya Laktionova und Mantas Kvedaravičius Anfang Mai, haben den Austausch zwischen Kunst- und Kulturakteur*innen aus Österreich und Ukraine vertieft.
Diese und weitere Aktivitäten werden vom Team des Office Ukraine Innsbruck – aktuell bestehend aus Iryna Kurhanska, Veronika Riedl und Andrei Siclodi, dem Leiter der Host-Institution Künstlerhaus Büchsenhausen – umgesetzt. Einen besonderen Platz in unserem Team nimmt Iryna, Kuratorin und Art Managerin aus Kyiv, ein. Iryna hat selbst über das Formular auf unserer Webseite Kontakt mit Office Ukraine gesucht und wir freuen uns sehr, dass wir – dank großartiger Unterstützer*innen – eine Unterkunft in Innsbruck für sie finden konnten und sie uns nun im Büro mit ihren Sprachkenntnissen und ihrem Wissen über die ukrainische Kunst- und Kulturszene zur Seite steht.
Für die nächsten Monate wollen wir unsere Vernetzungsarbeit weiter intensivieren – vor allem über die Grenzen Tirols hinaus in Vorarlberg, wo bereits erfolgreiche Kooperationen mit Villa Müller in Feldkirch und der Kulturabteilung der Stadt Bregenz bestehen, sowie in Salzburg, wo gegenwärtig vor allem Wohn- und Projektmöglichkeiten eruiert werden.
Erfolgreiche Verteilaktion von Künstlerbedarf an ukrainische Künstler:innen
Aufgrund der vielfachen Anfrage nach leistbarem Künstlerbedarf von seiten ukrainischer Künstler:innen konnte Office Ukraine Wien seit Anfang Mai bei seinen Unterstützer:innen durch gezielte Aufrufe eine Vielzahl an Materialien sammeln.
Unter anderem Acryl-, Öl, Gouache - und Aquarellfarben, Ölkreide, Sprühdosen, Leinwände und Zeichenblöcke, Pinsel, Lehm, Gips, Stoffe usw. Mehr als 50 Künstler:innen, die mit Office Ukraine in Kontakt stehen, konnten im Rahmen einer Verteilaktion am 1. und 2. Juni von ihnen für ihre Arbeit benötigte Materialien abholten.
Wir danken allen Unterstützer:innen sehr herzlich für den großzügigen Support!
Art and Craft Market: Wie es war
Office Ukraine versucht unterschiedliche (Kunst)initiativen und Künstler:innen zu unterstützen und ist der Ansicht, alle sollen gleich behandelt werden. Der von Hedwig Saxenhuber, der Initiatorin des Freiraum Ukraine in Zusammenarbeit mit dem MuseumsQuartier Wien und Office Ukraine organisierte Art und Craft Market fand vom 2. - 6. Juni im Außenraum des Museumsquartier Wien statt. Im Zentrum von Wien hatten mehr als dreißig nach Wien geflüchtete ukrainische Künstler:innen fünf Tage lang die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu präsentieren.
Für die meisten der Teilnehmer:innen gestaltete sich der Markt zu einem außergewöhnlichen Ereignis, das ihnen die Gelegenheit bot, mit heimischen Kunstinteressierten und Künstlerkolleg:innen in Kontakt zu kommen und sich auch gegenseitig auszutauschen.
Hier ein paar Eindrücke der teilnehmende Künstler:innen:
Elena Slavova aus Zhytomyr
Vielen Dank an die Organisatorinnen des Marktes! Mit dieser Veranstaltung ist ein großer Wunsch von mir wahr geworden: meine Arbeiten auf dem Gelände des MuseumsQuartier Wien präsentieren zu können. Ich habe mich sehr gefreut, Künstler:innen aus anderen Teilen der Ukraine kennenzulernen. Das Experiment war sehr hilfreich und ich hoffe auf ein weitere Auflage.
Yana Gryniv aus Kyiv
Vielen Dank für diese Initiative für ukrainische Künstler:innen! Es hat mich gefreut, an diesem für uns wichtigen Projekt teilnehmen zu dürfen. Fünf Tag lang hatten wir nicht nur die Möglichkeit, Kunst und Kunsthandwerk aus der Ukraine in seiner ganzen Bandbreite vorzustellen, sondern auch die ukrainische Kultur in Österreich präsentieren zu können.
Die wunderschöne Location im MuseumsQuartier Wien und die große Unterstützung durch Office Ukraine machte diese Veranstaltung zu einem wahren Highlight und war nicht nur eine Präsentation unserer Arbeiten, sondern brachte auch einen Gedankenaustausch von Personen, die sehr stark vom Krieg betroffen sind, und die temporäre Schaffung eines Art Hub mit sich.
Anastasia Strauss aus Kharkiv
Ganz herzlichen Dank für die Unterstützung ukrainischer Künstler:innen in einer solch schwierigen Situation! Mir persönlich hat der Kunstmarkt geholfen, mich aus einer langen Depression zu befreien. Danke für Eure Arbeit und Kindness!
Anastasia Tkachuk aus Kyiv
Ich hatte das Glück, am Markt teilnehmen zu können. Fünf Tage lang hatte ich die Gelegenheit, meine Arbeiten den Bewohner:innen und Gästen Wiens präsentieren zu können und so zu einem Teil der österreichisch-ukrainischen Kreativszene zu werden. Vielen Dank an die Organisator:innen und Besucher:innen für ihren umfassende Unterstützung in dieser schwierigen Zeit.
Inna Nikolaeva aus Dnipro
Ich habe nun wieder das Gefühl, dass das Leben weitergeht, dass anstelle der vielen dunklen Stunden der letzten Monate wieder etwas Licht in mein Leben kommt und dass durch die Teilnahme am Kunstmarkt trotz des Schmerzes und der Traurigkeit wieder etwas Balance einkehren kann. Und das ist es, was wir jetzt alles so dringend brauchen. Ich bin den Menschen, die dies ermöglicht haben, unendlich dankbar: Hedwig Saxenhuber, Office Ukraine und dem MuseumsQuartier Wien. Denn was wir hier erlebt haben, war nicht nur Mitgefühl, sondern echte Hilfe in einer sehr schwierigen Zeit.
Oksana Ivantsova aus Dnipro
Ich war sehr glücklich, am Kunstmarkt im MuseumsQuartier Wien teilnehmen zu dürfen.
Fünf Tage Kunstmarkt waren fünf Tage psychologische Unterstützung für die Teilnehmer:innen. Als kreative Menschen fühlen wir besonders mit unseren Landsleuten in der Ukraine mit. Die Initiative fühlte sich an wie eine Brise frische, friedliche Luft.
Ich habe mich sehr gefreut, die anderen ukrainischen Künstler:innen und die Organisator:innen von Office Ukraine kennenzulernen, es hat mich sehr bereichert.
Vielen Dank an Hedwig Saxenhuber und die Organisator:innen für die Möglichkeit zur Teilnahme. Ich würde mich sehr freuen, auch an weiteren Aktivitäten teilnehmen zu können.
Das BMKÖS verlängert Hilfen für ukrainische Künstler:innen!
Das Sonder-Förderbudget Ukraine-Hilfe für Arbeitsstipendien und Projektförderungen für ukrainische Künstler:innen wird von derzeit 300.000 Euro auf 500.000 Euro erhöht. Zudem wird die Tätigkeit des "Office Ukraine - Shelter for Ukrainian Artists" bis Ende 2022 verlängert. Das "Office Ukraine" dient als Plattform, die geflüchteten Künstler:innen aus der Ukraine mit Institutionen, Personen und Initiativen aus Österreich miteinander vernetzt und unterschiedliche Hilfeleistungen anbietet.
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer besuchte das Office im MuseumsQuartier, um sich persönlich über die erfolgreiche Arbeit zu informieren.
Am Bild: Staatssekretärin Andrea Mayer mit den ukrainischen Künstler:innen Olena Maiorenko, Evgenia Pavlova, Olha Duhota und Vladislava Korotyk.
Fotos: HBF/Laura Heinschink
Königin der Katzen
»Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists« wurde ins Leben gerufen, um ukrainische Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen aller Sparten, die nach Österreich geflüchtet sind, zu unterstützen. Das Projekt ist online und hat darüber hinaus drei Büros (Graz, Innsbruck, Wien). Bis jetzt wurden wir von ca. 400 ukrainischen Künstler:innen kontaktiert und einer großen Zahl konnten wir aktiv helfen. Dabei hilft das Office Ukraine den Künstler:innen bei der Vernetzung mit der lokalen Kunst- und Kulturszene und versucht Unterstützung zu finden. Darüber hinaus organisiert Office Ukraine regelmäßige offline Netzwerktreffen, in denen wir Menschen ermutigen, anderen zu helfen. In unserem Newsletter möchten wir Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen österreichischen und ukrainischen Kulturarbeiter:innen aufzeigen und die Büros vorstellen. Nach wie vor brauchen zahlreiche Künstler:innen Unterstützung. Lassen wir sie nicht im Stich.
Tetiana Shtykalo ist eine Künstlerin aus Odessa (Ukraine), die sich aufgrund des russischen Angriffskriegs gezwungen sah, die Ukraine zu verlassen. Mit ihrem Ehemann und ihrem Hund verließ sie ihre Heimat und kam nach Österreich. »Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists« half ihnen nicht nur, eine Unterkunft zu finden, sondern auch weiterhin ihrer künstlerischen Arbeit nachgehen zu können. Wir haben mit Tetiana während unseres letzten "Get Together"-Treffens, das alle zwei Wochen im FREIRAUM UKRAINE im MuseumsQuartier Wien stattgefunden hat, gesprochen.
Wie bist du nach Österreich gekommen und wie hast du von Office Ukraine erfahren?
Wir haben die Ukraine am ersten Kriegstag verlassen und sind auf der Suche nach einer leistbaren Unterkunft quer durch Europa gefahren. Schließlich sind wir über Social Media auf das Office Ukraine gestoßen. Wir haben dieses sofort angeschrieben und uns wurden einige Kontakte gegeben. So sind wir an eine österreichische Künstlerin gekommen, die ein Haus angeboten hat. Nun sind wir sehr dankbar, dass wir an diesem sicheren und schönen Ort wohnen können. Wie war dein Leben vor dem Krieg? Ich habe studiert und im Anschluss 22 Jahre als Senior Lecturer an der Pädagogischen Hochschule in Odessa gearbeitet. Ich habe dort Skulptur, Keramik und Zeichnen unterrichtet. In Odessa konnte ich 2018 ein großes Skultpturenprojekt über Katzen realisieren. Projektbeginn war bereits 2012, und es dauerte fünf Jahre, um alle notwendigen Genehmigungen von den städtischen und staatlichen Behörden einzuholen. In Odessa kennen mich alle und nennen mich "Katzenmutter".
In welcher Form hat Office Ukraine dir geholfen?
Office Ukraine hat mir viel geholfen. Ich konnte mittlerweile ein gutes Netzwerk aufbauen und habe Einladungen für private Projekte und Initiativen erhalten. Aus Erfahrung weiß ich, dass es sogar in Odessa nicht leicht ist, eine Einladung für eine Ausstellung zu bekommen, aber hier in Wien ist wirklich viel los. Ich gebe Filz-Workshops für ukrainische Kinder im Freiraum Ukraine, und am 26. Mai hat ein Gips-Workshop stattgefunden. Ich bin zuversichtlich, dass sich noch mehr daraus ergeben wird, und ich bin natürlich offen für weitere Angebote.
Woran arbeitest du derzeit?
Ich möchte eine große Installation aus Gipsobjekten gestalten. Aber der Arbeitsprozess war nicht einfach. Ich habe sehr viel Gips verwendet, um ein perfektes Ergebnis zu erhalten, und am Ende hat es wirklich geklappt. Es ist ein hohles Objekt und wurde in einer der anspruchsvollsten Gipstechniken ausgeführt. Denn hier in Österreich ist Gips etwas anders als in der Ukraine, und so muss ich viel experimentieren, bevor es klappt.
Was für einen Eindruck hast du von Wien und Österreich bekommen?
Das erste Mal war ich 2002 in Wien zu Besuch. Ich kenne sowohl die Stadt als auch Österreich recht gut. Als ich in Wien war, hatte ich einen Kulturschock. Im Anschluss an die Reise war ich nach meiner Rückkehr nach Odessa einen Monat lang deprimiert. Ich war sehr beeindruckt von der Secession gewesen. Ich mag aber auch die österreichischen Kleinstädte am Land. Es ist ein wundervoller Ort zum Leben. Und ich habe den Eindruck, dass Österreich auch, was das Klima betrifft, große Ähnlichkeiten zu Odessa aufweist. In Wien habe ich jetzt viele Museen und Galerien besucht, und manche sind natürlich interessanter als andere. Ich freue mich schon auf die Ausstellung von Ai Weiwei in der Albertina. Seine Arbeit zu sozialen Themen ist essentiell für mich.
Welche Aspekte des Lebens findest du ungewöhnlich in Österreich verglichen zur Ukraine?
Alle bürokratischen Vorgänge hier in Österreich und dem Rest von Europa verschlingen sehr viel Zeit. In der Ukraine hatte ich mich z. B. daran gewöhnt, meine neue Bankkarte innerhalb von 15 Minuten zu erhalten, hier muss ich zwei Wochen darauf warten. Also muss ich lernen, geduldig zu sein. Ich bin schon über einen Monat in Österreich und habe bisher noch keinen Job, aber ich will alles dafür tun, um rasch einen zu finden. Das Interview wurde geführt von: Natalia Gurova, Office Ukraine/Wien
Unser Spendenkonto: IBAN: AT362011184532396001 BIC: GIBAATWWXXX
WIR STELLEN VOR: OFFICE UKRAINE GRAZ
Das Office Ukraine Graz konnte seit Projektbeginn im März 2022 mit mehr als 80 ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden verschiedener Sparten in Kontakt treten. Davon sind rund 30 Personen aktuell in Graz und Umland wohnhaft. Für etwa die Hälfte der Künstler:innen und Kulturschaffenden wurde über das Office Ukraine Graz kostenloser Wohnraum organisiert. Die andere Hälfte ist über private Netzwerke nach Graz gekommen und konnte die Wohnungsfrage eigenständig regeln. Neben dem Support bei der Klärung von Alltagsfragen - vom günstigen Einkauf bis zum Zahnarztbesuch - war das Office Ukraine Graz auch in der Organisation von Kinderbetreuungseinrichtungen tätig. Das Office Graz hat auch intensiv an der Vermittlung und Vernetzung der Schutz Suchenden mit kulturellen Einrichtungen bzw. der Herstellung von Kontakten zur örtlichen Kunstszene sowie an der Kontaktaufnahme zu Bildungseinrichtungen gearbeitet.
Eine erfolgreiche Vernetzung in Form von lokaler institutioneller Anbindung gelang bisher in einem Dutzend Fällen. Als institutionelle Kooperationspartner sind bis dato zu nennen: Universalmuseum Joanneum, Schaumbad - Freies Atelierhaus, HTBLVA Graz-Ortweinschule, Kunstverein Roter Keil, Forum Stadtpark, Akademie Graz, Camera Austria, Illu Kollektiv Graz, the smallest gallery, off_gallery graz, QL Galerie, Kunsthalle Graz. Einen wichtigen Stellenwert nimmt das nunmehr zweiwöchig angebotene "Open House" ein, das bisher sechs Mal abgehalten wurde und Raum für Austausch und Vernetzung von ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden mit Personen aus der lokalen Kunstszene bietet. Die Anfragen von bearbeiteten Angeboten - Wohnraum und unterstützende Services aller Art - vor allem aus Graz, aber auch der Steiermark und Kärnten, sowie die Anfragen von Kunst- und Kultureinrichtungen und Medien gehen in die Hunderten. In vielen Fällen konnten hier auch erfolgreich Vernetzungen hergestellt werden.
Neben dem Support bei der Klärung von Alltagsfragen - vom günstigen Einkauf bis zum Zahnarztbesuch - war das Office Ukraine Graz auch in der Organisation von Kinderbetreuungseinrichtungen tätig.
Von links nach rechts: Margarethe Makovec, Johanna Hierzegger, Stephanie Sackl, Johanna Weihrich, Anastasiia Khlestova & Jake, Anton Lederer, Lara Almbauer (Photo von Office Ukraine Graz, März 2022)
Das Team des Office Ukraine Graz besteht aus Johanna Hierzegger, Anastasiia Khlestova, Stephanie Sackl und den beiden Leiter:innen Margarethe Makovec und Anton Lederer des Grazer Zentrums für zeitgenössische Kunst < rotor >, welches die Homebase für die Arbeit des Office Ukraine Graz darstellt.www.rotor.mur.at
Das »Office Ukraine. Shelter for Ukrainian Artists« ist in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, tranzit.at, < rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst, Künstlerhaus Büchsenhausen, springerin und anderen Initiativen entstanden. Wir arbeiten eng mit dem BMKÖS (Bundesministerium für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport), tranzit.at, BMEIA (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten), dem MuseumsQuartier Wien und FREIRAUM UKRAINE zusammen. Wir möchten uns außerdem bei allen Unterstützer:innen - Einzelpersonen, Institutionen und Initiativen - sehr herzlich für ihre Solidarität mit den ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden bedanken.
STATISTISCHE DATEN
Office WIEN
240 Anfragen
110 Künstler:innen in Wien
Office GRAZ
80 Anfragen
30 Künstler:innen in Graz
Office INNSBRUCK
60 Anfragen
29 Künstler:innen in Innsbruck
DONATION ACCOUNT:
IBAN: AT362011184532396001
BIC: GIBAATWWXXX
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