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Februar / März

Office Ukraine Wien

toZOMIA – ein Kunstprojekt, das versucht Kriegstraumata zu lindern

Diese Ausgabe unseres Newsletters ist Projekten für ukrainische Familien und Kinder gewidmet. Seit dem Beginn des großflächigen Einmarsches in die Ukraine sind Zehntausende Frauen mit Kindern nach Österreich gekommen. Eines der größten Probleme war der Zugang zu Schulen, Kindergärten und die Fortsetzung ihrer Ausbildung. Und obwohl viele ukrainische Schulen weiterhin aus der Ferne betrieben wurden, war es nicht einfach, sich Wissen anzueignen und sich in einem fremden Land niederzulassen. In verschiedenen österreichischen Städten entstanden unabhängige Projekte, die sich mit diesen Problemen auseinandersetzten. Der Kunstraum toZOMIA ist eines von ihnen.

© toZOMIA

Jeden Mittwoch treffen sich Kinder und Erwachsene aus der Ukraine in dem kleinen, aber gemütlichen toZOMIA-Kunstraum in Wien. Die Eltern bringen ihre Kinder zum Zeichnen, Malen und zu anderen Workshops. Bevor die Meisterkurse beginnen, werden Tische gerückt, Stühle und Sessel aufgestellt. In wenigen Minuten füllt sich der Raum mit Kinderstimmen. Während die Kinder plaudern, unterhalten sich die Erwachsenen über ihre eigenen Angelegenheiten, jemand schenkt Tee ein, jemand teilt Kontakte zu einem Friseur mit, jemand wartet, bis sie / er an der Reihe ist, eine:n Psychotherapeut:in aufzusuchen. Auf den ersten Blick scheint alles ein wenig chaotisch, aber alles hat seine eigene innere Logik. Anna Snisar arbeitet mit Erwachsenen, Diana Podgorna mit den jüngsten Kindern, Olga Zhurakovska mit älteren Kindern, und Marianna Galytska nimmt eine:n Besucher:in zu einer Therapiesitzung in einem separaten Raum im Obergeschoss mit. Sie alle kamen nach dem 24. Februar 2022 nach Wien.

Vom Anfang des toZOMIA-Projekts

Katerina Kolesnikova, eine Mutter von drei Kindern, kam am dritten Tag der Invasion aus Tscherkassy nach Wien. Sie sagt, sie komme regelmäßig zu toZOMIA, weil sie hier ein Ventil, Gesellschaft und kreative Energie finde. Ihre Kinder haben bereits Freundschaften mit Gleichaltrigen geschlossen, und Katerina tauscht sich mit anderen Müttern darüber aus, wo sie einen guten Arzt, ein Geschäft oder einen Salon für eine Maniküre finden.

Die Künstlerin Anna Khodorkovskaya, eine der Initiatorinnen des Projekts und Mitglied des toZOMIA, sprach über die ersten Tage der Initiative. Zu Beginn der groß angelegten Invasion ging Anna regelmäßig zum Hauptbahnhof und half Flüchtlingen aus der Ukraine mit Übersetzungen. Sie diskutierte mit ihren Kolleg:innen vom Solidaritätskollektiv darüber, wie man den Menschen in dieser Situation besser helfen könnte.
„Mir fiel auf, dass viele Frauen mit Kindern ankamen. Zuerst dachten wir, wir würden nur Workshops machen und ich würde übersetzen, aber dann beschlossen wir, ein Gemeindetreffen zu veranstalten und die Menschen zu fragen, was sie in dieser Situation brauchen. Zum ersten Treffen kamen über hundert Menschen mit Kindern. Es war ein totales Chaos, jemand bat darum, eine Matratze zu verschieben, jemand brauchte einen Wasserkocher und ein Bett. Zu dieser Zeit gab es keine Schulen und Kindergärten, die ukrainische Kinder aufnahmen. Und eine Mutter sagte, es wäre toll, mit einem Psychologen zu sprechen. Wir beschlossen, diese beiden Formate zu kombinieren: Psychotherapie und Kunstunterricht“, sagt Anna.

Aktivitäten für Kinder und Erwachsene

Das toZOMIA-Projekt hat eine künstlerische und eine soziale Ausrichtung. Seine Gründer:innen und aktiven Teilnehmer:innen sind Irene Lucas, Christoph Euler, Barbara Eichhorn, Antoine Effroy und Anna Khodorkovskaya. Anfangs lief alles auf ehrenamtlicher Basis, später bekam das Projekt Sponsor:innen von solidarity matters.
Einer der Gäste des ersten Treffens empfahl die Künstlerin Anna Boyko aus der Stadt Bila Tserkva, die früher Kurse für Kinder geleitet hat, später aber in die Ukraine zurückgekehrt ist. Marianna Galytska, eine Psychologin aus Odesa, wurde in einer der zahlreichen Freiwilligengruppen auf Telegram gefunden. Sie begann, Gruppen für Erwachsene zu leiten.
Mit der Zeit begann das Projekt zu wachsen und neue Kunstpädagog:innen anzuziehen. Einige von ihnen wurden über den Telegram-Kanal Office Ukraine gefunden. Alle Besucher:innen von toZOMIA kommunizieren über eine Gruppe in Telegram miteinander, inzwischen sind es mehr als 300 Teilnehmer:innen.

© toZOMIA

Die Gemeinschaft des Hauses Gleis 21, in dem sich toZOMIA befindet, stellt eine Bibliothek für therapeutische Sitzungen zur Verfügung, der Künstler Ulrich Jordis stellt zeitweise sein Atelier für Workshops zur Verfügung. Dort hat die neu gegründete ukrainische Kreativgruppe Der Treffpunkt aus dem toZOMIA Kunstraum zusammen mit Anna Khodorkovskaya Mosaikbänke hergestellt, die später in der Ausstellung Über das Neue im Belvedere 21 gezeigt wurden.

Bleiben oder zurückkehren?

Marianna Galytska, promovierte Psychologin, kam am 7. März 2022 gemeinsam mit ihrem Sohn aus Odesa nach Wien. Um nicht untätig zu sein, beschloss sie, therapeutische Gruppen zur Traumabearbeitung zu leiten, eine Aufgabe, die sie über ein Jahr mit etwa zwanzig regelmäßigen Teilnehmer:innen ausübte. Nach der Sommerpause kam die Gruppe nicht mehr zusammen, was Marianna als Zeichen dafür wertet, dass die Arbeit gut gemacht wurde, auch von den Teilnehmer:innen. Marianna arbeitet jetzt als Einzeltherapeutin und betreut zwei Personen einmal pro Woche, aber alle Plätze sind schon Monate im Voraus ausgebucht.

„In der Therapiegruppe haben wir viel geweint, viel erzählt, wer uns verlassen hat und wie, warum und wie wir hierher gekommen sind. Mit der Zeit sind diese Anfragen aber ausgeblieben, und ich treffe nur noch äußerst selten Klient:innen, die mir erzählen, wie sie weggegangen sind. Die häufigsten Anfragen beziehen sich auf die Anpassung. Die beliebteste Frage ist „Was tun?“, „Bleiben oder zurückkehren?“. Im Allgemeinen kann man die Menschen in diejenigen einteilen, die ein Leben haben, einige Verbindungen, Arbeit, und es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, zurückzukehren. Der zweite Teil sind Menschen, die eigentlich kein Leben haben, sondern nur auf etwas warten. Das sind Menschen, die nicht Deutsch lernen, nicht nach einem Job suchen. Nicht, weil sie schlecht oder faul sind, sondern weil sie sich nur zu Hause in der Ukraine sehen.

Viele Fragen beziehen sich auf die Kinder. Was tun, wenn die Familie in Österreich, der Ehemann in der Ukraine und die Familie so lange getrennt ist? Außerdem sind viele Frauen alleinstehend, sie stehen vor der Frage, wie sie ihr persönliches Leben hier organisieren sollen. Ob man jemanden wie mich sucht oder versucht, eine andere Kultur zu verstehen, ist eine Frage der Mentalität“, erzählt Marianna.

Arbeit mit posttraumatischen Belastungen

Die Psychotherapeutin stellt fest, dass mehr als 80 Prozent der ukrainischen Bevölkerung in der Kriegssituation traumatisiert wurden, ein Trauma für diese und die nächste Generation. Die Menschen hatten zu Beginn der Invasion eine akute Belastungsstörung, aber das Trauma ging nicht weg, sondern wurde chronisch, also geht es darum, mit posttraumatischen Belastungen zu arbeiten. „Man kann Menschen mit Kunst helfen, aber man kann sie nicht vollständig heilen. Auch eine Psychotherapie kann manchen Menschen helfen, aber nicht allen. Aber ich sehe, dass es denjenigen, die regelmäßig hierher kommen, besser geht“, sagt Marianna. Sie empfiehlt eine Psychotherapie und stellt fest, dass es umso schwieriger ist, eine psychische Belastung zu beheben, je länger sie andauert.

„Eine Mutter, die sich in einem schwierigen emotionalen Zustand befindet, wirkt sich definitiv auf ihr Kind aus. Es ist auch wichtig, die Quelle seiner Ressourcen zu finden, es kommt ein Punkt, an dem wir anfangen, auf Reserve zu leben, wir geben nur Energie aus, bekommen sie aber nicht zurück. Man muss etwas für sich selbst finden, aus dem man Ressourcen schöpfen und Energie bekommen kann, damit man die Kraft hat, weiterzumachen“, sagt die Psychotherapeutin. Kreativität und die Möglichkeit, ihre Emotionen nonverbal auszudrücken, werden für manche Menschen zu einer solchen Quelle.

© toZOMIA

Anna Snisar aus Charkiw sagt, dass Zeichnen immer auch Psychotherapie ist. Während des Unterrichts beruhigen sich sogar Erwachsene und ändern ihre Stimmung. „Hier malen wir mit Wasserfarben, andere Materialien sind teuer. Und der Zweck des Unterrichts ist es, die Eltern zu beschäftigen, während sie darauf warten, dass ihre Kinder den Kunstunterricht beenden. Zu uns kommen Menschen, die der Kunst nicht gleichgültig gegenüberstehen. Wir malen nicht nur, sondern reden auch viel, helfen uns gegenseitig mit Kontakten und wichtigen Informationen. Es ist ein Bereich, in dem man frei über verschiedene Themen reden kann“, sagt sie. Anna kam mit ihrem jüngsten Sohn hierher, während ihr Mann und ihr ältestes Kind in der Ukraine blieben. Sie war noch nie zuvor ins Ausland gereist. Der Umzug fiel ihr nicht leicht, aber sie ist Österreich dankbar für das Taschengeld, das sie mit ihrem Sohn erhält, und die Unterkunft, die sie über die Diakonie erhielt. In Charkiw leitete Anna ein Kunstatelier für Erwachsene. Sie möchte so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren, aber im Moment lebt sie in Wien. Hier fühlt sie sich, wie sie sagt, zu Hause.

Ein bisschen Ablenkung

Diana Podgorna aus Kyiv hat ihr ganzes Leben lang Möbel, Innenräume und Bauwerke entworfen. Nach Österreich kam sie durch einen Zufall. „Meine Kinder waren in den Ferien und sie wurden vom Krieg überrascht, als sie im Ausland waren. Meine Tochter war schwanger. Ich wollte nicht hierher kommen, aber als meine Tochter anrief und sagte, dass sie ins Krankenhaus musste, kam ich. Sie hatte schwierige Wehen, und anderthalb Monate lang half ich ihr mit einem anderen Kind. Als sie im Krankenhaus lag, sah sie auf Telegram eine Einladung zuZOMIA“, sagt sie. Dann erhielt sie einen Anruf von Anna Khodorkowskaja, und Diana begann, Kinder ab dem dritten Lebensjahr zu unterrichten. „Kreativität lenkt von negativen Gedanken ab. Hier können Kinder sich ausdrücken und lernen; wir unterdrücken nicht ihren Wunsch, ihre Kreativität zu zeigen. Am Anfang haben alle nur ukrainische Flaggen gemalt, dann hat sich der Fokus ein wenig geändert. Sie haben die Ukraine und das Grauen, das uns widerfahren ist, nicht vergessen, aber sie haben sich ein wenig ablenken lassen. Wir tun unser Bestes, damit sie sich davon erholen“, sagt Diana.

Olga Zhurakovska ist eine Künstlerin mit einer langen Geschichte. Ihr ganzes Leben war mit Kunst verbunden, aber mit dem Beginn der Invasion musste sie von Kyiv nach Wien ziehen. Wie viele toZOMIA-TeilnehmerInnen stellte auch sie ihre Arbeiten im Belvedere 21 aus. Olga glaubt, dass es in Österreich viel mehr Freiheit im Bereich der Kunst gibt, es gibt viele Ausstellungen, die zum Nachdenken anregen. In der Ukraine gibt es ihrer Meinung nach mehr Können, aber in der modernen Welt reicht Können allein nicht aus. Sie würde gerne öfter an Ausstellungen teilnehmen, sie malt ständig. In regelmäßigen Abständen kommen Künstler:innen zu toZOMIA, um Meisterkurse zu geben, in denen sie verschiedene Techniken erlernen kann.

Ein Raum für Aktivitäten

„Wir hatten eine Textilcollage mit Doroteya Petrova, ich hielt einen Workshop über Mosaike, Cristina Fiorenza über Keramik, Dasha Zaichanka fertigte Kopfbedeckungen aus Pappe an, Plakate zum Thema Klima, Irene Lucas gab einen Workshop über Solarküche, Maria Pylypenko über Zeichnen“, sagt Anna Khodorkovskaya. Dasha Zaichanka, eine Designerin und Illustratorin, hatte schon vor langer Zeit von dem Projekt erfahren und wollte einen Workshop für Kinder geben: „Ich schlug den Kindern vor, Masken, Hüte und Mützen aus Pappe zu basteln und sie zu bemalen. Zu dem Workshop brachte ich einige Variationen von Beispielen mit, was man alles machen könnte. Etwa zwanzig Personen nahmen an dem Workshop teil. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen. Die einen wollten das Beispiel exakt kopieren, die anderen haben sich etwas Eigenes ausgedacht, zum Beispiel einen Topfhut , einen Kürbis oder eine Rittermaske.” Dasha sagt, es sei nicht ihre Aufgabe, zu zeigen, wie man etwas macht, sondern den Kindern Raum und Zeit zu geben, ihre Ideen zu verwirklichen und ihnen die Möglichkeit zu geben, wilde und ungewöhnliche Dinge zu gestalten, und dafür sei Pappe ideal.

Nach Angaben der Organisator:innen wird sich das toZOMIA-Projekt je nach Situation weiterentwickeln. Sie sind bereit, sich den wechselnden Anforderungen der Besucher:innen anzupassen. Viele Menschen wollen, dass es weitergeht. Derzeit treffen sich hier jeden Mittwoch mehr als dreißig Menschen, die bereit sind, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen.

 

 

 

Office Ukraine Graz

Ridna Domivka: Sich wie zuhause fühlen

Nora Reichhalter

Eingang Ridna Domivka. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet

Fremd in einem neuen Land, ohne eine Vorstellung davon, was die Zukunft bereithält. In einer neuen Umgebung ein Zuhauseschaffen: Für sich, für die Kinder, für die Familie. Dabei verkörpert das Konzept von zu Hause mehr als nur einen greifbaren Ort; es ist ein komplexes Geflecht aus physischen, emotionalen und sozialen Dimensionen.

Genau mit diesem Thema beschäftigt sich das Projekt HOME Residency Programm*), das in Kooperation mit den Kunstinstitutionen < rotor > aus Graz und 127 garage aus Charkiw entstanden ist. Die Initiative bringt fünf Künstler:innen aus der Ukraine mit fünf ukrainischen Künstler:innen, die in Graz leben und von Office Ukraine unterstützt werden, zusammen.

Der Grazer Verein Ridna Domivka stellt dem Programm seine Räumlichkeiten für Workshops zur Verfügung. Teilnehmer:innen dieser Angebote sind vertriebene Kinder und Familien aus der Ukraine. In den Workshops beschäftigen sie sich intensiv mit dem Thema HOME, reflektieren deren Bedeutung und tauschen sich dazu aus. Der Verein Ridna Domivka engagiert sich bereits seit dem Ausbruch des Krieges dafür, vertriebenen Müttern und ihren Kindern nicht nur materielle Hilfe, sondern auch eine Form von zu Hause zu bieten – einen Ort des Ankommens und der seelischen Unterstützung.

Eingang Ridna Domivka. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet

Die Gründung des Vereins geht auf fünf engagierte Frauen im Jahr 2020 zurück. Galyna Skotnik, die Obfrau des Vereins, erklärt: „Die ukrainische Community in Graz wurde immer größer, deshalb haben wir uns dazu entschlossen, einen Verein zu gründen.“

Der Name des Vereins, erklärt Galyna Skotnik, wurde mit Bedacht gewählt: „Wir wollten etwas Besonderes, das es in der deutschen Sprache nicht gibt. Das Attribut ‚Ridna‘ bedeutet in etwa lieblich. ‚Domivka‘ bedeutet in etwa Heim. Das muss jetzt nicht mit einem Haus assoziiert sein, es kann auch einfach ein Ort sein, wo du dich im Moment gut behütet und wohl fühlst. Und für die vertriebenen Ukrainer:innen ist das etwas, das ihnen natürlich fehlt, ihre Heimat ist irgendwo tausende Kilometer zurückgeblieben. Der Verein soll aber genau dieses Gefühl vermitteln.“

Mit dem Beginn der Invasion ist der Verein rapide gewachsen. Die Stadt Graz unterstützte Ridna Domivka durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten in der Annenstraße. Galyna Skotnik erinnert sich: „Für uns war sofort klar, dass wir den vertriebenen Menschen helfen müssen.“ In den Anfangsmonaten konzentrierte sich der Verein auf die dringend benötigten Sachspenden, die von Österreicher:innen zur Verfügung gestellt wurden. Doch bald schon erkannte Ridna Domivka, dass Graz bereits viele ähnliche Angebote hatte. Die Gründerinnen suchten nach einem neuen Weg, vertriebenen Ukrainer:innen zu helfen. Die Idee eines Malstudios entstand, zunächst nur für Kinder gedacht. Galyna Skotnik erklärt den Hintergrund: „Ich habe erfahren, dass sehr, sehr viele Kinder, vor allem diejenigen, die in einem städtischen Umfeld aufgewachsen sind, Malschulen in der Ukraine besuchten. Und es gab dann von den Eltern immer mehr Nachfragen, ob es solche Malschulen auch in Graz gibt.“

Die Kurse waren ein großer Erfolg. Mittlerweile bietet der Verein sechs Kurse für Kinder verschiedenen Alters an. „Die Malkurse sind für die Kinder ein Ort, wo sie kurz abschalten können. Von den Müttern wurde mir bestätigt, dass das Malen für die Kinder wie eine Therapie ist. So können sie das Erlebte kurz vergessen und ein bisschen Normalität erleben. Und das ist meiner Meinung nach auch eine Art von Schutz für die Kinder,“ erklärt die Vereinsobfrau. Über 70 Kinder zählt Ridna Domivka mittlerweile.

Doch auch Mütter erfahren Hilfe im Verein. „Wir haben sehr schnell gemerkt, dass die Menschen psychologische Beratung brauchen und dass sie diese auch suchen. Und das war in Graz sehr lange nicht in der Muttersprache ukrainisch möglich,“ erklärt Galyna Skotnik. In Kooperation mit dem Frauenservice Graz entstand ein psychologisches Angebot gemeinsam mit in der Ukraine ausgebildeten Psychologinnen. „In kürzester Zeit gab es sehr viel Nachfrage. Die Kolleginnen arbeiten intensiv, denn das Angebot wird wirklich gebraucht. Das ist dieser Schutz, den wir als Verein den Frauen und Müttern bieten können,“ so die Obfrau.

Doch manchmal ist es auch einfach das miteinander reden, sich austauschen, wonach sich die Mütter sehnen. Bei Kaffee und Kuchen können sich die Frauen in wöchentlichen Austauschtreffen unterhalten und mit Gleichgesinnten über Probleme oder Anliegen sprechen. Für viele Frauen sei es bereits eine große Entlastung, das Kind auch nur für eine Stunde abgeben zu können und einfach einmal Zeit für sich zu haben, erklärt Galyna Skotnik.

Ukrainische Frauen und Kinder beim Malkurs. Foto: Thomas Raggam, Schubidu Quartet

Die Aktivitäten im Verein sind breit gefächert und umfassen neben Malkursen auch Filmabende, Fitness und Tanz für Kinder und Frauen. Galyna Skotnik betont die Bedeutung dieser Angebote: „Für uns war es eben wichtig, dass wir so eine Art des Ankommens bieten. Dass die Menschen, die bei uns sind, einen Ort haben, wo sie hinkommen und sich wie Zuhause fühlen können.“

*) Das HOME Residency Programm erforscht das Thema HOME als ein komplexes Konzept, das physische, emotionale und soziale Dimensionen verknüpft. Das Projekt bietet eine Plattform für künstlerischen Ausdruck, kulturellen Austausch und gesellschaftliches Engagement, um auf die Folgen des Krieges zu reagieren. Die künstlerischen Projekte, die im Rahmen des HOME Residency Programms entstanden sind, werden im Februar 2024 in 20 Leuchtkästen in Graz gezeigt.

Das HOME Residency Programm wird unterstützt von:
“Culture Helps” ist ein von der Europäischen Union kofinanziertes Projekt im Rahmen einer gezielten Ausschreibung zur Einreichung von Vorschlägen betreffend die Unterstützung vertriebener Ukrainer:innen und des ukrainischen Kultur- und Kreativsektors. Das Projekt ist eine Kooperation von Insha Osvita (UA) und zusa (DE).

Office Ukraine Innsbruck

„Für meine Kinder musste ich stark werden.“

Interview mit Oksana Radkevych

Oksana Radkevych, Künstlerin, Mutter und Vertriebene, verließ die Ukraine 2022, kurz nach Beginn des großflächigen russischen Angriffskriegs, und kam nach Österreich. „Der Beginn des Krieges hat jedem Menschen und jeder Familie das Grundbedürfnis, nämlich das Gefühl der Sicherheit, genommen.“ Der starke Wunsch oder, wie Oksana es ausdrückt, der Instinkt, ihre Kinder zu schützen, veranlasste sie, ihre vertraute Umgebung zu verlassen. „Damals schien es sicherer zu sein, in ein Land zu gehen, das man überhaupt nicht kannte, als in der Ukraine zu bleiben,“ erinnert sie sich.

© Oksana Radkevych

Zunächst ging es darum, schnell zu handeln, da weder Raum noch Zeit für Analysen und Überlegungen vorhanden waren. „Mir scheint, dass der Instinkt, ‚die Kinder zu retten‘, so stark war, dass ich nicht zweimal überlegte, sondern mich einfach weiter von der Gefahr entfernte. Ich befand mich in einem emotionalen Zustand, der es mir nicht erlaubte, über mich selbst nachzudenken. Ich fühlte keine Müdigkeit, ich fühlte keine Traurigkeit und keine Sehnsucht nach meiner Familie, ja, ich kann sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt gar nichts fühlte.“
Nachdem sie die ersten Herausforderungen nach ihrer Ankunft in Österreich überwunden hatte, änderte sich die Situation jedoch. „Nach ein paar Monaten ließ der Stress nach, und erst dann brachte mich die Erkenntnis, dass ich meine Heimat und meine bisherige Lebensweise verloren hatte, in einen Zustand der Frustration. Für meine Kinder musste ich stark werden.“

Glücklicherweise traf sie in diesem schwierigen Moment Menschen, die ihr halfen, ein neues Leben in Innsbruck zu beginnen. Oksana erinnert sich gerne an Marina Biewald und das Team von Office Ukraine Innsbruck. Ihre beiden Kinder fühlten sich dank ihrer neuen Freund:innen schnell in ihrer neuen Umgebung zu Hause. „Für meine Kinder wird Österreich immer das Land ihrer Freunde sein. Gleich nach unserer Ankunft ging mein Sohn in die Schule. Ihm wurde zusätzlicher Deutschunterricht angeboten, was ihm half, sich schneller einzuleben. Er wurde dort mehr als nur freundlich empfangen, er fühlte sich nie fehl am Platz oder deprimiert, sondern hat im Gegenteil viele neue Freunde gefunden, mit denen er immer noch in Kontakt steht.“ Ihre Tochter kam ein paar Monate später in den Kindergarten. „Es fiel ihr schwer, sich an die neue Sprache zu gewöhnen, aber später wurde alles besser und sie fand auch eine Freundin.“

Einige Begegnungen haben sich zu Freundschaften entwickelt, erinnert sich Oksana: „Da meine Kinder sehr aktiv sind, lernten wir viele Menschen in unserer Nachbarschaft kennen und verbrachten fast alle unsere Ferien gemeinsam. Die Nachbar:innen vermittelten uns ein einzigartiges Gefühl von Geborgenheit und Heimat, indem sie uns in ihre Traditionen und Freizeitaktivitäten einschlossen.“

© Oksana Radkevych

War es in dieser Situation noch möglich, über künstlerische Arbeit nachzudenken? „Zu Beginn meines Lebens in Österreich gab es überhaupt keine künstlerische Praxis“, erklärt Oksana. „Die Einsamkeit manifestierte sich in dem Gefühl, dass die Welt leer war und es keinen Grund mehr gab, in ihr zu leben. Das einzige, was in meinem Kopf widerhallte, war das Buch der Psalmen. Als Office Ukraine Innsbruck mir die Künstlerin Nora Schöpfer vorstellte, die mir mit Kunstmaterialien half, hatte ich das Bedürfnis, die Leere mit Psalmen zu füllen. Innerlich wusste ich, dass ich als Mutter hier in Österreich einen sinnvollen Raum schaffen musste, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange wir hier sein würden und was die Zukunft bringen würde. So wurde das Projekt Psalms geboren.“ Die Arbeiten aus dieser Serie wurden im August 2022 in der Galerie am Claudiaplatz präsentiert.

Um sich der Kunst widmen zu können, musste die zweifache Mutter zunächst finanzielle Probleme lösen: eine neue Wohnung anmieten, den Tanzunterricht ihres älteren Sohnes bezahlen und sich mit der unzureichenden staatlichen Zuwendung für Vertriebene auseinandersetzen. „All das hat mich sehr belastet, denn ein paar Monate lang lebte ich tatsächlich von Spenden fürsorglicher Menschen, für deren Unterstützung ich sehr dankbar bin.“ Die Beantragung eines Stipendiums für ukrainische Künstler:innen beim österreichischen Kulturministerium erforderte Geduld, aber das Ergebnis war positiv. Dank des Stipendiums und der Familienbeihilfe der österreichischen Regierung konnte sich Oksana auf ihre Kreativität konzentrieren, und in dieser Zeit entstand auch Blooming, der zweite Teil des Psalms-Projekts.