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2022  Jun.   Jul.   Sept.   Oct.   Nov.   Dec.  
2023  Feb.   Mar.   Apr.   Jun.   Aug.   Oct.  
2024  Feb.   Jun.   Aug.   Sep.  
Der Weg über die Sprache: Wie Ukrainer:innen in Österreich Deutsch lernen

Laut Eurostat waren Ende Juni dieses Jahres 77.700 vorübergehend vertriebene Personen aus der Ukraine in Österreich registriert. Nach Angaben des statistischen Dienstes des Landes ist die größte Gruppe die unter 19-Jährigen (25.089 Personen), gefolgt von den unter 40-Jährigen (23.873 Personen) und den bis zu 60-Jährigen (21.426 Personen). Etwas mehr als die Hälfte der Ankommenden bezieht Sozialleistungen. Alle Ukrainer:innen, die im Zuge der russischen Invasion nach Österreich gekommen sind, haben Anspruch auf kostenlosen Sprachunterricht bis zum Niveau C1. Nach Angaben des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) wurden bisher in Österreich über 54.000 Kursplätze von Ukrainer:innen in Anspruch genommen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben 11.505 Ukrainer:innen Deutschkurse besucht. Die meisten von ihnen lernten die Sprache auf den Niveaus A1 und A2. Detaillierte Statistiken sind auf der Website des Integrationsfonds zu finden. 

Wir haben mit Künstler:innen und Kulturschaffenden aus der Ukraine gesprochen, die nach Beginn der großflächigen Invasion eingereist sind und jetzt Deutsch lernen. Sie berichteten von ihren Erfahrungen und Herausforderungen und diskutierten darüber, wie sich das Erlernen der Sprache auf ihr Leben in Österreich auswirkt.

Office Ukraine Wien

Deutsch lernen und durchs Leben gehen

Die Vertreterin des ÖIF teilte uns mit, dass die Bestehensquoten der Prüfungen zeigen, dass ukrainische Vertriebene beim Deutschlernen gut vorankommen und der Bedarf an höheren Kursniveaus kontinuierlich steigt. Dies entspricht auch den in der Regel sehr positiven Rückmeldungen der ukrainischen Community.

Parallel zum Deutschkursangebot von Kursträgern erweiterte der ÖIF zudem die frei zugänglichen Online-Deutschlernangebote auf Sprachportal.at, der größten Deutschlernplattform im deutschsprachigen Raum: Neben eigenen Online-Deutschkursen, die in Zusammenarbeit mit den ukrainischen Universitäten Drohobych und Uschhorod umgesetzt werden und die ukrainische Vertriebene ohne Anmeldung besuchen können, hat der ÖIF im Vorjahr insbesondere berufsbegleitende und berufsspezifische Deutschlernangebote ausgebaut. Unter www.sprachportal.at stehen für alle Deutschlernenden eine Reihe an täglichen Online-Deutschkursen und berufsspezifischen Online-Kursen sowie kostenlosen Lern- und Übungsunterlagen zur Verfügung.

©Rainer Moster

Irina Blokhina ist eine Ballerina und Lehrerin für klassischen Tanz aus Dnipro. Sie hat fast zehn Jahre lang am Opern- und Balletttheater in Dnipro gearbeitet. Zu Beginn der Invasion wurde sie von dem berühmten Ballettlehrer Alex Ursulyak nach Österreich eingeladen. Jetzt unterrichtet Irina Pilates und Barre für Erwachsene, Gymnastik für Kinder im Club „Prestige“ und Schach. Diese Hobbys konnte sie seit ihrer Kindheit miteinander verbinden. Dank dem ÖIF lernt Irina seit fast zwei Jahren Deutsch. In dieser Zeit hat sie bereits die B2-Prüfung bestanden und begonnen, C1 zu lernen.

„Ich lerne die Sprache fünfmal pro Woche für drei Stunden. Ich habe Glück mit den Lehrer:innen. Die Kurse bieten viel abwechslungsreiches Material. Ich versuche, viel mit Muttersprachler:innen zu kommunizieren, und ich kann sagen, dass mein Deutschlernen durch den Schachunterricht in den österreichischen Schulen sehr positiv beeinflusst wurde. Ich spiele schon seit meiner Kindheit und nehme an Turnieren teil. In Wien habe ich eine Schachunion gefunden, in der ich Leute getroffen habe, die an mich geglaubt und mir geholfen haben. So bekam ich einen Job als Lehrassistentin an einer Schule und sammelte unschätzbare Erfahrungen im Umgang mit österreichischen Kindern. Das gab mir auch die Möglichkeit, mein Deutsch zu verbessern”, sagt Irina. 

Irina besucht ihre Kurse in Wien, obwohl sie in St. Pölten lebt. Sie sagt, dass die Auswahl an Kursen in der Großstadt besser ist und dass dies bei richtiger Planung kein Hindernis darstellt.

In dieser Zeit ist es Irina gelungen, einen Job zu finden, an einem Choreografiewettbewerb in Italien teilzunehmen und als Performerin einen Sonderpreis der Jury zu erhalten. 

Doch nur bei einigen Menschen verläuft das Deutschlernen so organisch wie bei Irina. 

 

©Anastasiia Mamay

Anastasiia Mamay, eine Keramikkünstlerin aus Kyiv, die ihren Sohn großzieht und an der KunstUni Linz studiert, steht oft um fünf Uhr morgens auf und geht um Mitternacht ins Bett, um alles zu schaffen. Sie wohnt ebenfalls in St. Pölten und fährt während des Semesters fast jeden Tag nach Linz um zu studieren. Mehrere Stunden am Tag widmet sie sich der deutschen Sprache. Anastasiia hat Deutsch  an mehreren Schulen in Linz und St. Pölten gelernt: „Es kommt sehr auf die Lehrer:innen an. Ich hatte Glück mit ihnen. In Linz waren die Klassenräume moderner als in St. Pölten, und wir bekamen mehr Material. Die Lehrerin, Ursula Pointner, hat sich ganz für uns Zeit genommen, nicht am Telefon, was leider auch in Kursen vorkommt. 

Sie sagt, der Kurs dauert vier Monate, aber das ist nicht genug Zeit, um den Stoff zu beherrschen. “Die Leute, die hierher kommen, müssen irgendwo arbeiten, sie müssen studieren, und oft haben sie Kinder. Ich persönlich finde, dass diese Zeit nicht ausreicht, um die Sprache zu lernen. Auch wenn ich die B1-Prüfung bestanden habe, finde ich, dass das zu wenig ist. Hätte ich einen Monat mehr Zeit gehabt, wäre das Ergebnis besser gewesen“, sagt Anastasiia. 

Sie glaubt, dass man mehr als dieses Niveau braucht, um einen normalen Job zu finden. Die Künstlerin versucht, an der Universität Deutsch zu lernen, aber das gelingt nur manchmal. Wenn etwas unklar ist, muss sie auf Englisch umschalten. 

„Für das weitere Leben in Österreich ist es wichtig, fließend Deutsch zu sprechen. Die Österreicher:innen respektieren ihre Sprache und werden sie von dir verlangen. Ich denke, es ist richtig, das zu tun. Für Menschen, die hierher kommen und hier leben wollen, ist es notwendig.  Es ist auch ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Land, das uns Schutz gewährt hat.”

©Marianna Kotsan

Marianna Kotsan, eine Künstlerin und PR-Managerin aus Kiyv, begann erst sechs Monate nach ihrer Ankunft in Wien mit dem Erlernen der Sprache. Sie wollte jedoch sofort damit beginnen. Die Verzögerung war auf bürokratische Hürden bei der Bearbeitung der Blue Card zurückzuführen. Am Anfang war es schwierig, sich zu orientieren, was zu tun ist, wohin man geht und welche Verfahren man durchlaufen muss. „Am Ende des Sommers 2022 meldete ich mich zu einem ersten Kurs beim ÖIF an. Es war ein A0-Kurs mit Alphabetisierung. Der Kurs war wertvoll, weil ich andere ukrainische Frauen kennengelernt habe, mit denen wir immer noch befreundet sind. Aber was die Sprache angeht, war es reine Zeitverschwendung, denn ich hatte bereits ein Grundniveau“, sagt Marianna. 

Sie verbringt täglich sechs bis sieben Stunden mit dem Kurs, denn der Unterricht dauert drei Stunden, dazu kommen Hausaufgaben und Fahrten, also fünfmal pro Woche. 

„Zwischen den Kursen gibt es große Pausen. Nach Abschluss des Studiums muss man sich für eine Prüfung anmelden, sie ablegen, drei Wochen auf das Ergebnis warten und sich dann erst für die nächste Stufe anmelden und auf deren Beginn warten. Das alles dauert insgesamt drei Monate. Und leider ist das Wissen schnell wieder weg“, so die Künstlerin. 

Marianna hat seit Beginn der Invasion 50 Prozent ihres Gehörs verloren, aber sie sagt, das habe sie nicht davon abgehalten, die Sprache zu lernen, und in den Kursen werde sie mit Verständnis behandelt. Sie macht sich Sorgen, weil sie die B2-Prüfung nicht beim ersten Versuch bestehen konnte. Von der gesamten 12-köpfigen Gruppe konnte nur eine Studentin, die bereits an einer örtlichen Universität studiert, die Prüfung bestehen. Marianna sagt, dass sie ein C1-Niveau braucht, um einen Job in ihrem Fachgebiet zu finden: „Das geht nicht so schnell. Außerdem ist es sehr schwierig, eine Sprache zu lernen, wenn man wegen des Krieges und der erzwungenen Migration unter chronischem Stress steht, man kann einfach nichts im Kopf behalten. Die letzte nicht bestandene Prüfung war auch für mich sehr anstrengend. Mir ist klar, dass das B2-Niveau eine bessere Möglichkeit ist, zu studieren und einen Job zu finden, aber bisher ist es für mich eine gläserne Decke, aber ich versuche, damit zurechtzukommen.”

Marianna sagt, dass sie Hilfe braucht, um zwischen dialektaler und individueller Aussprache zu unterscheiden. Mit einem Hörgerät versteht sie die Sprache jedoch gut und kann ein Gespräch aufrechterhalten, wenn ihre Gesprächspartner:innen deutlich und laut sprechen. Wenn sie etwas nicht versteht, schämt sie sich oft und schweigt. Unter den positiven Aspekten von Wien hebt Marianna die Empathie hervor. 

Sie ist den Berate:rinnen von ÖIF, AMS und anderen Institutionen dankbar, die ihr bei der Arbeitssuche helfen. Leider hat sie noch keine Stelle gefunden, wo sie sich nützlich machen könnte, aber sie hofft das Beste. 

Die Mitarbeiter:innen von Office Ukraine stehen in ständigem Kontakt mit ukrainischen Künstler:innen und sind sich der Schwierigkeiten bewusst, mit denen vorübergehend vertriebene Menschen konfrontiert sind. Zu den häufigsten gehören Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, beim Erlernen der Sprache und bei der Integration in die lokale Gesellschaft. Die meisten stehen unter Stress und haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Das Erlernen der Sprache ist ein wesentlicher Aspekt der Integration. Doch selbst mit den vorhandenen Kursen und dem Wunsch, Deutsch zu lernen, ist es nicht getan. Alles braucht Zeit und Geduld. Wir freuen uns, wenn Menschen zu uns kommen und uns erzählen, dass sie es geschafft haben, ihren Zeitplan zu organisieren, den nächsten Schritt zu tun, einen Job zu finden und ein Projekt abzuschließen. Wir hoffen, dass es jeden Tag mehr solcher Geschichten geben wird. 

„Englisch-Integrationskurs für ukrainische Flüchtlinge“ ist ein laufendes Projekt von Anatoly Belov.

Anatoly Belov’s Kunstprojekt, ein Lehrbuch für das Erlernen der englischen Sprache auf dem Niveau A1, basiert auf wahren Begebenheiten, die dem Autor des Buches und seinen Bekannten und Freund:innen, ukrainischen Flüchtlingen in verschiedenen europäischen Ländern, widerfahren sind. Das Lehrbuch in Form eines Comics thematisiert das Erlernen der englischen Sprache im Zusammenhang mit der Integration in die europäische Gesellschaft. 

Der Künstler verweist auch auf mitunter auftretende  Missverständnisse und Konflikte, sowohl mit Menschen aus der Europäischen Union als auch mit Ukrainer:innen, einschließlich Konflikten innerhalb der ukrainischen Community.

‘Da mein Integrationsprozess in die Gesellschaft der Europäischen Union weitergeht, während auch der russisch-ukrainische Krieg andauert, werden Geflüchtete auch ständig mit neuen Lebenssituationen konfrontiert. 

Es ist auch geplant, mein Comicbuch mit unseren persönlichen Erfahrungen aus dem Sprachkurs mit dem Level A2 fortzusetzen’, so Anatoly Belov. 

 

Office Ukraine Graz

Sprachbarrieren für ukrainische Künstler:innen-Community in Graz

Seit mehr als zwei Jahren ist die ukrainische Künstler:innen-Community bereits aktiver Teil der Kunst- und Kulturszene in Graz und der Steiermark. Damit Inklusion nicht nur als Privatperson, sondern auch als Künstler:in bzw. Kulturarbeiter:in gelingen kann, ist das Erlernen der deutschen Sprache notwendig. Dahingehend sehen sich die in Graz lebenden ukrainischen Künstler:innen jedoch mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Obwohl das Angebot an Deutschkursen im Raum Graz vielfältig ist, sind nur bestimmte Kursformate für in Österreich lebende Ukrainer:innen mit Vertriebenenstatus kostenlos. Gemäß dem Integrationsgesetz, stellt der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) Deutschkurse von der Alphabetisierung bis zum Sprachniveau C1 kostenlos zur Verfügung. Anders verhält es sich mit Sprachkursen, die nicht vom ÖIF zur Verfügung gestellt werden. Entscheidet man sich für ein anderes Spracheninstitut bzw. Kursformat, dann sind die Kurs- und Prüfungsgebühren zumeist selbst zu tragen. Für viele in Graz lebende ukrainische Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen gestaltet es sich schwierig, das passende Format und die damit verbundene Motivation zu finden. Die ukrainischen Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen Eva Fomitski und Karina Sunlife leben bereits seit zwei Jahren in Graz und haben sich schon vor ihrer Ankunft für die deutsche Sprache interessiert. „Ich wollte immer Deutsch lernen. Schon bevor ich nach Graz gekommen bin, habe ich regelmäßig deutsche Musik gehört. Ebenfalls ist mein erstes Schrift-Tattoo auf Deutsch“, erklärt Eva und verweist auf ihren Unterarm.


 

Karina Sunlife © Thomas Raggam, Schubidu Quartet

Zeitliche Ressourcen und flexible Arbeitszeiten

Die Künstlerinnen bzw. Kulturarbeiterinnen haben unterschiedliche Formate ausprobiert, um das zeitlich und inhaltlich beste Unterrichtskonzept für sich zu finden. Während Eva aktuell für ihre A2 Prüfung im Rahmen eines vom ÖIF organisierten Sprachkurses lernt, besuchte Karina zuletzt einen Kurs am Institut für Sprache und Kultur in Graz, wobei sie mittlerweile größeren Wert auf das Selbststudium legt. Beide Künstlerinnen berichten, dass die kostenfreien Sprachkurse des ÖIF zeitliche Ressourcen und flexible Arbeitszeiten erfordern. „Die Anwesenheitspflicht liegt bei 80%. Nur mit einem triftigen Grund ist ein Fernbleiben erlaubt. Sich eineinhalb Stunden zu konzentrieren und zu lernen, fällt mir leicht. Danach ist jedoch eine Pause notwendig. Vier Stunden Deutschunterricht sind demnach zu anstrengend für mich, deshalb habe ich das Sprachinstitut gewechselt. Dort bin ich vier Tage pro Woche für je zwei Stunden,“ gibt Karina zu verstehen. Ähnlich beschreibt es Eva, die in der Vergangenheit bereits mehrmals die Deutschkurse des ÖIF abbrechen musste. Grund dafür war ebenfalls die strenge Anwesenheitspflicht und die damit verbundene Unvereinbarkeit mit ihrer Tätigkeit als internationale Künstlerin und Kuratorin: „Im Zeitraum des Kurses konnte ich zum Beispiel an einem Artist-in-Residence-Programm teilnehmen, weshalb ich vom Kurs ausgeschlossen wurde. Zurück in Graz habe ich den Kurs erneut begonnen und wieder von einer Residency erfahren, sodass ich erneut abbrechen musste.” Der Großteil der ukrainischen Künstler:innen Community in Graz kämpfe mit denselben Herausforderungen, so Karina und Eva.

Psychische Barriere 

Für Eva ist es nun der dritte Anlauf für den Sprachkurs des ÖIF. Diesmal sei ihre Einstellung und Motivation anders, verglichen mit dem ersten Jahr in Graz, gibt sie zu verstehen. Laut ihr sei das Lernen der deutschen Sprache für viele vertriebene Ukrainer:innen mit Akzeptanz verbunden: „Vielen in Graz lebenden Ukrainer:innen fällt es aufgrund der ständigen Ungewissheit und fehlenden Perspektive schwer, Motivation zum Erlernen der Sprache aufzubringen. Ist der Aufenthalt in Graz temporär oder für immer? Ich für mich habe aus psychologischer Sicht akzeptiert, dass ich länger in Graz bleiben werde und dass ich in naher Zukunft nicht in die Ukraine zurückkehren werde. Seitdem ich das akzeptiere, hat sich auch mein Blick sowie meine Motivation auf das Deutschlernen verändert”, erläutert Eva. Künstlerin und Projektmanagerin Karina sieht es ähnlich: „Es ist mehr als wichtig, einen persönlichen Grund und die damit verbundene Motivation zum Erlernen der Sprache zu finden”. 

Eva Fomitski © Thomas Raggam, Schubidu Quartet

Relevanz für Tätigkeiten im Kunst- und Kulturbereich

Das Akzeptieren des gegenwärtigen Zustands wurde im Fall beider Künstlerinnen durch die Aussicht auf eine mögliche Beschäftigung, vor allem im Kunst- und Kulturbereich, begünstigt. Umgekehrt ist ein gewisses Sprachlevel auch Voraussetzung für eine erfolgreiche Jobsuche. „Ohne Deutschkenntnisse wäre ich nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Es war zwar eine verrückte Erfahrung, aber ich habe es geschafft”, erzählt Karina begeistert, die neben ihrer künstlerischen Tätigkeit bereits Erfahrungen am österreichischen Arbeitsmarkt gemacht hat. Speziell im Kunst- und Kulturbereich sei es ähnlich, erklärt sie: „Das Kunsthaus Graz hat zum Beispiel eine interessante Stelle ausgeschrieben, aber ohne B1-Zertifikat ist es unmöglich, sich zu bewerben“. Künstlerin Eva, die in ihrer Freizeit den Grazer Kunstverein sowie das Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz in der Kunstvermittlung unterstützt, berichtet aus eigener Erfahrung, wie relevant Deutschkenntnisse in diesem Bereich sein können: „Es kommt vor, dass Besucher:innen nicht Englisch sprechen. Demnach verstehen sie nicht, was man ihnen zu erklären versucht. Ebenfalls sind Deutschkenntnisse notwendig, um breitere Kontexte zu verstehen. Wenn verstanden wird, worüber Menschen sprechen, gelingt es, in die österreichische Gesellschaft einzutauchen und ein Teil davon zu werden“.

Brigitte Czermak © Thomas Raggam, Schubidu Quartet

Sprachclub für die ukrainische Künstler:innen-Community

Aus der Notwendigkeit heraus, die deutsche Sprache zu erlernen, entstand auch die Idee eines wöchentlichen Sprachclubs, der von den Teammitgliedern des Office Ukraine Graz organisiert wurde. Seit Mai 2024 treffen sich die ukrainischen Künstler:innen, unter anderem Karina und Eva, regelmäßig im neu entstandenen Raum von ZIEGEL. Ateliergemeinschaft ukrainischer Künstler:innen Graz* in der Grazer Innenstadt, um Deutsch zu üben. Der Sprachclub findet unter der Leitung von Künstlerin und Restauratorin Brigitte Czermak statt, die durch einen Aufruf des Office Ukraine Graz auf das Vorhaben aufmerksam wurde. Die Schwerpunkte im Sprachclub unterscheiden sich von den Kursen des ÖIF, weshalb dieses Format eine hilfreiche Ergänzung für die ukrainischen Künstler:innen ist, erklärt Brigitte. Neben Deutsch sprechen steht auch das Lesen im Fokus. „Ich ermutige Sätze zu lesen. Ebenfalls finde ich die Erklärung von Begriffen und Worten relevant. Das führt die Teilnehmenden sehr gut in unsere Sprachwelt ein, was vor allem für Künstler:innen zentral ist“, erklärt Brigitte. Die Teilnehmer:innen werden einerseits ermutigt, eigene Bücher und Texte mitzubringen, andererseits legt Brigitte großen Wert auf das Besprechen von unterschiedlichen Ausstellungstexten. Das Format des Sprachclubs ist für Künstlerin und Kuratorin Eva von Vorteil: „Im Sprachclub hat mich Brigitte nach meiner Kunstinstallation gefragt und ich habe ihr auf Deutsch geantwortet. Der Bezug zur Kunst ist relevant für mich”. Beide Künstlerinnen, Karina und Eva, betrachten die Mischung aus unterschiedlichen Unterrichtsformaten als Vorteil und sehen ihren wachsenden Sprachschatz mit vielen Vorteilen in Bezug auf ihre Zukunft in Graz verbunden.

*ZIEGEL. Ateliergemeinschaft ukrainischer Künstler:innen Graz wurde im Mai 2024 von in Graz lebenden Künstler:innen und Kulturschaffenden aus der Ukraine gegründet, die nach dem Beginn der russischen Invasion ihr Heimatland verlassen mussten. Mit ihren Aktivitäten wollen sie zum kulturellen und künstlerischen Leben von Graz, Österreich und Europa beitragen.

Text: Stephanie Sackl 

Office Ukraine Innsbruck

Sprache ist der Schlüssel zu allem

Interview mit Maryna Kryvinchuk und Iryna Kozhyna

Das Erlernen der deutschen Sprache ist eine zentrale Herausforderung für alle vorübergehend vertriebenen Personen in Österreich. Wir haben die Journalistin Maryna Kryvinchuk und die Künstlerin und Kulturmanagerin Iryna Kozhyna gefragt, welche Erfahrungen sie beim Erlernen der deutschen Sprache gemacht haben, welche Hilfsmittel sie verwenden und welche Ratschläge sie allen geben würden, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.

©Maryna Kryvynchuk; 2024; photo: Sophia Martseniuk

Maryna Kryvinchuk wurde in der ukrainischen Hauptstadt geboren und studierte Medienkommunikation an der Borys Grinchenko Universität Kyiv. In der Ukraine arbeitete sie beim Fernsehen, beim Ukrainischen Buch-Institut und im Bereich Nachrichtenanalytik.

In Österreich moderierte Maryna die Radiosendung Voice of Peace über das Schicksal von Ukrainer:innen während des Krieges auf FREIRAD – Freies Radio Innsbruck. Die begeisterte Sängerin war auch Chormitglied bei einer Produktion des Tiroler Landestheaters. Derzeit arbeitet sie in einer Sprachschule in Tirol.

„Ich habe in der Schule Deutsch als zweite Fremdsprache gelernt. Dann gab es eine achtjährige Pause zwischen der Schule und dem großflächigen  Angriffskrieg, in der ich die Sprache nur gelegentlich benutzte. Als ich gezwungen war, nach Österreich zu ziehen, beschloss ich, meine Sprachkenntnisse in den Schulen vor Ort mit Angeboten des ÖIF [Österreichischer Integrationsfonds] zu verbessern. Jetzt habe ich B2 Niveau erreicht.“

Es ist kein Geheimnis, dass das Erlernen einer Sprache eine echte Herausforderung sein kann. Für Maryna lagen die Schwierigkeiten jedoch nicht in erster Linie an der Sprache selbst, sondern an den Umständen, in denen sie sich befand.

„Es ist schwierig, im Unterricht zu sitzen, wenn man weiß, dass man danach mit Problemen zu kämpfen hat, von denen man keine Ahnung hat, wie man sie lösen kann. Nachdem meine Mutter und ich aus unserer staatlich organisierten Unterkunft hinausgeschmissen wurden, musste ich eine Wohnung finden, die mir wegen meines geringen Einkommens niemand vermieten wollte. Mein Nervensystem hielt diese Anspannung nicht aus, denn der Stress, den ich erlebte, überstieg meine Anpassungsfähigkeit um ein Vielfaches und ich vergaß innerhalb eines Tages die deutsche Sprache. Vielleicht lag es daran, dass ich anfing, die Sprache mit all den schlimmen Dingen zu assoziieren, die mir widerfuhren, und mein Gehirn schaltete sie einfach ab, um meine Psyche zu retten. Zum Glück arbeite ich in einer Sprachschule und hatte immer viele Lehrpersonen um mich herum, so dass ich schließlich wieder begann, mich zu erinnern. Es hat lange gedauert, bis ich die mentale Blockade, die ich während dieser schwierigen Zeit aufgebaut hatte, loswerden konnte.“

Für viele Menschen kann die Unterstützung durch andere ein Hebel sein, um Fortschritte zu erzielen: „Ich fühle mich unterstützt. Bei der Arbeit werde ich immer korrigiert, wenn ich Fehler mache, und ich habe die Unterstützung meiner Freund:innen vor Ort. Es ist sehr motivierend, wenn man jemanden lange nicht mehr gesehen hat und die Person die Fortschritte bemerkt; man freut sich und will sich weiter verbessern.“

Im Moment sind Marynas wichtigste Hilfsmittel zum Erlernen der Sprache Kurse und möglichst viel Kommunikation mit Muttersprachler:innen.

„Ich würde allen raten, sich keine Vorwürfe zu machen, wenn etwas nicht klappt, sich von der Vorstellung zu lösen, dass die Sprache schwierig ist, und keine Angst davor zu haben, mit Fehlern zu sprechen. Sonst spricht man vielleicht gar nicht. Man sollte mit dem Vokabular, das man im Moment hat, anfangen, die Sprache zu benutzen, und beim Sprechen von ganzem Herzen Respekt für diese Kultur empfinden. Dann wird sich die Sprache für einen öffnen, und alles wird klappen.“

©Iryna Kozhyna; 2019

Iryna Kozhyna wurde in dem kleinen Dorf Kozacha Lopan in der Region Charkiw geboren. Nach dem Abitur studierte sie an der Staatlichen Kulturakademie Charkiw und schloss mit einem Diplom in Kulturmanagement ab. Sie arbeitete im Kultursektor und später im IT-Bereich. Sie entwickelte auch ihre künstlerische Praxis, wobei sie sich vor allem auf Architektur- und Naturlandschaften sowie auf Realismus konzentrierte.

Zu Beginn des Krieges befand sie sich in der besetzten Stadt Kupiansk, und erst nach vier Monaten konnte sie das besetzte Gebiet verlassen und ins Ausland gehen. Seit zwei Jahren lebt sie nun in Tirol. 

Nachdem sie zwei Jahre lang Deutsch gelernt hatte, legte sie erfolgreich die Deutschprüfung mit dem Sprachniveau B1 ab. Ihre erste Annäherung an die Sprache erfolgte über Apps wie Duolingo und Bilingual auf ihrem Handy und über YouTube-Vlogger:innen, die alles auf Ukrainisch erklärten. Und nach drei Monaten in Österreich begann sie, AMS-Kurse (Arbeitsmarktservice) beim BFI (Berufsförderungsinstitut) zu besuchen.

„Jetzt lerne ich die Sprache alleine weiter, aber mein Hauptaugenmerk liegt darauf, meinen Wortschatz zu erweitern. Eine der Methoden, die mir wirklich hilft, ist das Lesen von Zeitschriften. Zuerst schlage ich einen Artikel auf und lese ihn laut, dann markiere ich die Wörter, die ich nicht kenne, und schreibe sie auf Karteikarten (die jetzt überall in meinem Haus verteilt sind), dann gehe ich zurück zum Artikel, lese ihn noch einmal laut und versuche, mir die markierten Wörter zu merken. Ich habe auch Grammatikbücher, und manchmal greife ich auf Grammatikübungen zurück. Ich schaue mir YouTube-Vlogs an, aber nur mit Muttersprachler:innen (mit Untertiteln, wenn möglich). Manchmal schaue ich mir Zeichentrickfilme auf Deutsch an (ohne Untertitel, weil sie ablenken), weil sie eine einfachere Sprache für Kinder verwenden. Und endlich ist Kommunikation möglich.“

Wenn man eine Fremdsprache lernt, kann man das Gefühl haben, dass man an einer Stelle feststeckt und das Lernen keine Ergebnisse bringt. Auch Iryna hatte mit diesem Problem zu kämpfen:

„Der Unterschied macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn man im Unterrichtsraum alles versteht und sich verständigen kann, aber wenn man den Kursraum verlässt und sich in einer deutschsprachigen Umgebung wiederfindet, in der die Leute hauptsächlich Dialekt sprechen, ist es so, als würde man die Sprache überhaupt nicht lernen. Ich habe einen guten Job in einer Bibliothek gefunden, aber leider wurde ich nach drei Wochen mit der Begründung entlassen, ich hätte eine Sprachbarriere. Dialekte sind schwer zu verstehen. Wenn ich also die Einheimischen nicht nur sprechen, sondern auch verstehen will, muss ich neben Deutsch auch noch Tirolerisch lernen.“

Trotz der Hindernisse setzt Iryna ihre Bemühungen fort und ist zuversichtlich, dass sie ihr Deutsch weiter verbessern wird. Hier einige Ratschläge von Iryna: „Es hilft zu erkennen, dass die Sprache der Schlüssel zu allem ist: von der Arbeit bis zum täglichen Leben. Man sollte an der Motivation festhalten, die man für sich selbst gewählt hat. Grammatik ist wichtig, aber das Wichtigste ist die Kommunikation, also sollten wir versuchen zu sprechen, auch wenn wir Fehler machen, denn nur so können wir die Sprache wirklich anwenden.

Was für mich persönlich gut funktioniert, ist, mich auf Gespräche einzulassen und Zeitschriften zu lesen. Aber das Wichtigste ist, nicht aufzugeben, weiter zu lernen und manchmal andere Methoden zu suchen und auszuprobieren.“