Die Vertreterin des ÖIF teilte uns mit, dass die Bestehensquoten der Prüfungen zeigen, dass ukrainische Vertriebene beim Deutschlernen gut vorankommen und der Bedarf an höheren Kursniveaus kontinuierlich steigt. Dies entspricht auch den in der Regel sehr positiven Rückmeldungen der ukrainischen Community.
Parallel zum Deutschkursangebot von Kursträgern erweiterte der ÖIF zudem die frei zugänglichen Online-Deutschlernangebote auf Sprachportal.at, der größten Deutschlernplattform im deutschsprachigen Raum: Neben eigenen Online-Deutschkursen, die in Zusammenarbeit mit den ukrainischen Universitäten Drohobych und Uschhorod umgesetzt werden und die ukrainische Vertriebene ohne Anmeldung besuchen können, hat der ÖIF im Vorjahr insbesondere berufsbegleitende und berufsspezifische Deutschlernangebote ausgebaut. Unter www.sprachportal.at stehen für alle Deutschlernenden eine Reihe an täglichen Online-Deutschkursen und berufsspezifischen Online-Kursen sowie kostenlosen Lern- und Übungsunterlagen zur Verfügung.

©Rainer Moster
Irina Blokhina ist eine Ballerina und Lehrerin für klassischen Tanz aus Dnipro. Sie hat fast zehn Jahre lang am Opern- und Balletttheater in Dnipro gearbeitet. Zu Beginn der Invasion wurde sie von dem berühmten Ballettlehrer Alex Ursulyak nach Österreich eingeladen. Jetzt unterrichtet Irina Pilates und Barre für Erwachsene, Gymnastik für Kinder im Club „Prestige“ und Schach. Diese Hobbys konnte sie seit ihrer Kindheit miteinander verbinden. Dank dem ÖIF lernt Irina seit fast zwei Jahren Deutsch. In dieser Zeit hat sie bereits die B2-Prüfung bestanden und begonnen, C1 zu lernen.
„Ich lerne die Sprache fünfmal pro Woche für drei Stunden. Ich habe Glück mit den Lehrer:innen. Die Kurse bieten viel abwechslungsreiches Material. Ich versuche, viel mit Muttersprachler:innen zu kommunizieren, und ich kann sagen, dass mein Deutschlernen durch den Schachunterricht in den österreichischen Schulen sehr positiv beeinflusst wurde. Ich spiele schon seit meiner Kindheit und nehme an Turnieren teil. In Wien habe ich eine Schachunion gefunden, in der ich Leute getroffen habe, die an mich geglaubt und mir geholfen haben. So bekam ich einen Job als Lehrassistentin an einer Schule und sammelte unschätzbare Erfahrungen im Umgang mit österreichischen Kindern. Das gab mir auch die Möglichkeit, mein Deutsch zu verbessern”, sagt Irina.
Irina besucht ihre Kurse in Wien, obwohl sie in St. Pölten lebt. Sie sagt, dass die Auswahl an Kursen in der Großstadt besser ist und dass dies bei richtiger Planung kein Hindernis darstellt.
In dieser Zeit ist es Irina gelungen, einen Job zu finden, an einem Choreografiewettbewerb in Italien teilzunehmen und als Performerin einen Sonderpreis der Jury zu erhalten.
Doch nur bei einigen Menschen verläuft das Deutschlernen so organisch wie bei Irina.

©Anastasiia Mamay
Anastasiia Mamay, eine Keramikkünstlerin aus Kyiv, die ihren Sohn großzieht und an der KunstUni Linz studiert, steht oft um fünf Uhr morgens auf und geht um Mitternacht ins Bett, um alles zu schaffen. Sie wohnt ebenfalls in St. Pölten und fährt während des Semesters fast jeden Tag nach Linz um zu studieren. Mehrere Stunden am Tag widmet sie sich der deutschen Sprache. Anastasiia hat Deutsch an mehreren Schulen in Linz und St. Pölten gelernt: „Es kommt sehr auf die Lehrer:innen an. Ich hatte Glück mit ihnen. In Linz waren die Klassenräume moderner als in St. Pölten, und wir bekamen mehr Material. Die Lehrerin, Ursula Pointner, hat sich ganz für uns Zeit genommen, nicht am Telefon, was leider auch in Kursen vorkommt.
Sie sagt, der Kurs dauert vier Monate, aber das ist nicht genug Zeit, um den Stoff zu beherrschen. “Die Leute, die hierher kommen, müssen irgendwo arbeiten, sie müssen studieren, und oft haben sie Kinder. Ich persönlich finde, dass diese Zeit nicht ausreicht, um die Sprache zu lernen. Auch wenn ich die B1-Prüfung bestanden habe, finde ich, dass das zu wenig ist. Hätte ich einen Monat mehr Zeit gehabt, wäre das Ergebnis besser gewesen“, sagt Anastasiia.
Sie glaubt, dass man mehr als dieses Niveau braucht, um einen normalen Job zu finden. Die Künstlerin versucht, an der Universität Deutsch zu lernen, aber das gelingt nur manchmal. Wenn etwas unklar ist, muss sie auf Englisch umschalten.
„Für das weitere Leben in Österreich ist es wichtig, fließend Deutsch zu sprechen. Die Österreicher:innen respektieren ihre Sprache und werden sie von dir verlangen. Ich denke, es ist richtig, das zu tun. Für Menschen, die hierher kommen und hier leben wollen, ist es notwendig. Es ist auch ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Land, das uns Schutz gewährt hat.”

©Marianna Kotsan
Marianna Kotsan, eine Künstlerin und PR-Managerin aus Kiyv, begann erst sechs Monate nach ihrer Ankunft in Wien mit dem Erlernen der Sprache. Sie wollte jedoch sofort damit beginnen. Die Verzögerung war auf bürokratische Hürden bei der Bearbeitung der Blue Card zurückzuführen. Am Anfang war es schwierig, sich zu orientieren, was zu tun ist, wohin man geht und welche Verfahren man durchlaufen muss. „Am Ende des Sommers 2022 meldete ich mich zu einem ersten Kurs beim ÖIF an. Es war ein A0-Kurs mit Alphabetisierung. Der Kurs war wertvoll, weil ich andere ukrainische Frauen kennengelernt habe, mit denen wir immer noch befreundet sind. Aber was die Sprache angeht, war es reine Zeitverschwendung, denn ich hatte bereits ein Grundniveau“, sagt Marianna.
Sie verbringt täglich sechs bis sieben Stunden mit dem Kurs, denn der Unterricht dauert drei Stunden, dazu kommen Hausaufgaben und Fahrten, also fünfmal pro Woche.
„Zwischen den Kursen gibt es große Pausen. Nach Abschluss des Studiums muss man sich für eine Prüfung anmelden, sie ablegen, drei Wochen auf das Ergebnis warten und sich dann erst für die nächste Stufe anmelden und auf deren Beginn warten. Das alles dauert insgesamt drei Monate. Und leider ist das Wissen schnell wieder weg“, so die Künstlerin.
Marianna hat seit Beginn der Invasion 50 Prozent ihres Gehörs verloren, aber sie sagt, das habe sie nicht davon abgehalten, die Sprache zu lernen, und in den Kursen werde sie mit Verständnis behandelt. Sie macht sich Sorgen, weil sie die B2-Prüfung nicht beim ersten Versuch bestehen konnte. Von der gesamten 12-köpfigen Gruppe konnte nur eine Studentin, die bereits an einer örtlichen Universität studiert, die Prüfung bestehen. Marianna sagt, dass sie ein C1-Niveau braucht, um einen Job in ihrem Fachgebiet zu finden: „Das geht nicht so schnell. Außerdem ist es sehr schwierig, eine Sprache zu lernen, wenn man wegen des Krieges und der erzwungenen Migration unter chronischem Stress steht, man kann einfach nichts im Kopf behalten. Die letzte nicht bestandene Prüfung war auch für mich sehr anstrengend. Mir ist klar, dass das B2-Niveau eine bessere Möglichkeit ist, zu studieren und einen Job zu finden, aber bisher ist es für mich eine gläserne Decke, aber ich versuche, damit zurechtzukommen.”
Marianna sagt, dass sie Hilfe braucht, um zwischen dialektaler und individueller Aussprache zu unterscheiden. Mit einem Hörgerät versteht sie die Sprache jedoch gut und kann ein Gespräch aufrechterhalten, wenn ihre Gesprächspartner:innen deutlich und laut sprechen. Wenn sie etwas nicht versteht, schämt sie sich oft und schweigt. Unter den positiven Aspekten von Wien hebt Marianna die Empathie hervor.
Sie ist den Berate:rinnen von ÖIF, AMS und anderen Institutionen dankbar, die ihr bei der Arbeitssuche helfen. Leider hat sie noch keine Stelle gefunden, wo sie sich nützlich machen könnte, aber sie hofft das Beste.
Die Mitarbeiter:innen von Office Ukraine stehen in ständigem Kontakt mit ukrainischen Künstler:innen und sind sich der Schwierigkeiten bewusst, mit denen vorübergehend vertriebene Menschen konfrontiert sind. Zu den häufigsten gehören Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, beim Erlernen der Sprache und bei der Integration in die lokale Gesellschaft. Die meisten stehen unter Stress und haben Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen. Das Erlernen der Sprache ist ein wesentlicher Aspekt der Integration. Doch selbst mit den vorhandenen Kursen und dem Wunsch, Deutsch zu lernen, ist es nicht getan. Alles braucht Zeit und Geduld. Wir freuen uns, wenn Menschen zu uns kommen und uns erzählen, dass sie es geschafft haben, ihren Zeitplan zu organisieren, den nächsten Schritt zu tun, einen Job zu finden und ein Projekt abzuschließen. Wir hoffen, dass es jeden Tag mehr solcher Geschichten geben wird.

„Englisch-Integrationskurs für ukrainische Flüchtlinge“ ist ein laufendes Projekt von Anatoly Belov.
Anatoly Belov’s Kunstprojekt, ein Lehrbuch für das Erlernen der englischen Sprache auf dem Niveau A1, basiert auf wahren Begebenheiten, die dem Autor des Buches und seinen Bekannten und Freund:innen, ukrainischen Flüchtlingen in verschiedenen europäischen Ländern, widerfahren sind. Das Lehrbuch in Form eines Comics thematisiert das Erlernen der englischen Sprache im Zusammenhang mit der Integration in die europäische Gesellschaft.
Der Künstler verweist auch auf mitunter auftretende Missverständnisse und Konflikte, sowohl mit Menschen aus der Europäischen Union als auch mit Ukrainer:innen, einschließlich Konflikten innerhalb der ukrainischen Community.
‘Da mein Integrationsprozess in die Gesellschaft der Europäischen Union weitergeht, während auch der russisch-ukrainische Krieg andauert, werden Geflüchtete auch ständig mit neuen Lebenssituationen konfrontiert.
Es ist auch geplant, mein Comicbuch mit unseren persönlichen Erfahrungen aus dem Sprachkurs mit dem Level A2 fortzusetzen’, so Anatoly Belov.