Office Ukraine Graz
Herbst 2024 im Office Ukraine Graz: Ein Rückblick
Vorbereitet von: Maria Kardash & Stephanie Sackl
Zu Beginn der Wintersaison (und des neuen Jahres!) möchten wir auf die Projekte und Veranstaltungen zurückblicken, die in diesem Herbst in Graz stattgefunden haben. Begleiten Sie uns auf dieser Reflexionsreise und lesen Sie unseren Newsletter!
UKRAINISCHER CHARITY KUNSTMARKT
Im September 2024 nahm das Office Ukraine Graz gemeinsam mit ZIEGEL. Atelier Gemeinschaft ukrainischer Künstler:innen am Charity Kunstmarkt, der vom ukrainischen Kulturverein Ridna Domivka, in Graz organisiert wurde, teil.
Zusätzlich zu den zum Verkauf angebotenen künstlerischen Arbeiten, bot die ukrainische Künstler:innen-Community Interessierten im Rahmen des Kunstmarkts eine einzigartige Gelegenheit: einen ukrainischen Sprachworkshop von Mariya Donska, Universitätsassistentin am Institut für Slawistik der Karl-Franzens-Universität Graz. Bereits im Jahr 2022 organisierte Mariya den ersten ukrainischen Sprachkurs für Anfänger:innen in Graz und leitet derzeit regelmäßig Ukrainischkurse an der Universität.
„Es ist immer erfreulich, wenn Menschen, die nichts über die ukrainische Sprache wussten, sich dafür begeistern, sie zu lernen“, sagt Mariya. Schon in einem kurzen Einführungsworkshop erzielen ihre Schüler:innen erste Erfolge: Sie führen Smalltalk auf Ukrainisch, singen bekannte Lieder wie den Eurovisionshit „Stefania“ und stellen sich mutig der Herausforderung, ein neues Alphabet zu lernen. Scherz beiseite, Mariya liegt es am Herzen zu zeigen, dass die ukrainische Sprache Spaß machen kann und leicht zu erlernen ist, selbst für diejenigen, die mit der kyrillischen Schrift nicht vertraut sind. Mariyas Workshop auf dem Markt war wirklich lebendig und unterhaltsam und zog nicht nur österreichische Teilnehmer:innen an, sondern auch viele Ukrainer:innen, die Mariyas Unterrichtsprozess beobachteten und die Teilnehmer:innen dabei unterstützten, die Nuancen der ukrainischen Sprache zu erlernen.

Mariya Donska beim Unterrichten eines ukrainischen Sprachworkshops im Rahmen des Charity Kunstmarkts. © Website Ridna Domivka
ΔIA KINETS
Die Ausstellung „Δia Kinets“ wurde im September 2024 von der ukrainischen Künstlerin und Kuratorin Eva Holts in den ZIEGEL. Atelier Gemeinschaft ukrainischer Künstler:innen Graz gebracht. Die Geschichte hinter diesem Projekt ist ziemlich faszinierend: Bei einem Besuch ihrer durch russische Bomben zerstörten Schule in Tschernihiw hat Eva in den Trümmern einige alte Filme aus der Sowjetzeit gefunden. Anschließend verteilte sie ihre Funde an 19 ukrainische Künstler:innen, von denen jede:r unterschiedliche künstlerische Interpretation der Filme anbot, sei es eine Reflexion über den Inhalt (sowjetisches Bildungsmaterial) oder eine reine Erkundung der Kamera Rollen als physische Objekte.
Laut Eva ist diese Ausstellung ein Versuch, die Erinnerung an etwas zu bewahren, das in dieser Welt nicht mehr existiert – wie ihre zerstörte Schule. Es ist auch eine Chance für das Publikum, eine beängstigende, aber dennoch sehr persönliche Geschichte zu berühren (im wahrsten Sinne des Wortes – da viele der ausgestellten Artefakte interaktiv sind), die in verschiedenen künstlerischen Stimmen multipliziert wird. Alle Künstler:innen erzählen eine sehr intime Geschichte und schaffen es auf diese Weise, die sowjetische Bildungspropaganda, die auf den Diapositiv Filmen zu sehen ist, kreativ zu dekonstruieren und neu zu überdenken.
Neben Graz wurde „Δia Kinets“ bereits in Deutschland (München) und in der Slowakei (Trnava) gezeigt. Die Kunstwerke wurden zurück in die Ukraine gebracht, um in Kiew und Charkiw ausgestellt zu werden.

Eva Holts, Kuratorin der Ausstellung “Δia Kinets“ © ZIEGEL Instagram
I SHE HER
Am 29. und 30. September fand im Theater am Lend in Graz, nach der Premiere im Juni, bereits die zweite Aufführung der Performance „I SHE HER“ statt. Das Stück entstand durch die multidisziplinäre Zusammenarbeit von ukrainischen Künstlerinnen in Graz und stellt die Geschichten ukrainischer Frauen in verschiedenen Lebensphasen in den Vordergrund: Kindheit, Jugend, Mutterschaft und Reife.
Die ukrainische Performerin Vladyslava Chentsova initiierte die Produktion bereits im Jahr 2023 und bezog nicht nur die Bühnenschauspielerinnen (Olena Bazhenova, Kateryna Lyubchenko, Yulia Linnik), sondern auch die bildende Künstlerin Margo Sarkisova ein, die vier einzigartige Puppen für die Show entstehen ließ. Sie wurden zu einem echten Highlight der Show: Eine der vier Meter großen Puppen erhielt von den Darstellerinnen sogar den Spitznamen „Mutter“. Die Vorbereitung umfasste auch dokumentarische Arbeit: Alle Geschichten, die auf der Bühne präsentiert wurden, basierten auf den realen Erfahrungen ukrainischer Frauen, mit denen die Darstellerinnen in Kontakt gekommen sind (oder sogar auf ihren eigenen Geschichten). Für Vlada ist es äußerst wichtig, im Theater Raum für diese Geschichten zu schaffen, indem sie die subtilen Fäden, die die Erfahrungen der verschiedenen Frauen miteinander verbinden, sichtbar macht und diese im Anschluss mit dem Publikum teilt. Sie glaubt auch, dass diese Produktion für die Künstlerinnen, die in verschiedenen Ländern (Österreich, Polen und der Ukraine) leben, eine Chance war, einen Teil ihres früheren Lebens wieder aufleben zu lassen, als sie gemeinsam im unabhängigen Theater „Nafta“ in Charkiw tätig waren.

Performance „I She Her“ im Theater am Lend, Graz © Mariya Donska
WEAVING
Der Name des Projekts leitet sich vom metaphorischen „Weaving“ (dt. weben) eines Netzwerks ab, das die selbstorganisierten ukrainischen Kunsträume umfasst – ein Prozess, den die Kurator:innen Nastia Khlestova und Anton Tkachenko seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine verfolgen. Im Zeitraum von Oktober bis November 2024 zeigt die Ausstellung „Weaving“ im ZIEGEL. Atelier Gemeinschaft ukrainischer Künstler:innen eine Sammlung von künstlerischen Arbeiten, die durch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen selbstorganisierten Kunsträumen in der Ukraine entstanden sind. Jeder dieser Räume hat ein besonderes Kunstwerk nach Graz geschickt, das seine Gemeinschaft repräsentiert. Da die meisten Teilnehmer:innen nicht wussten, was die anderen schicken würden, war es für Co-Kurator Anton Tkachenko besonders spannend, die unerwarteten Korrelationen zu beobachten und zu erforschen, wie sich die Kunstobjekte gegenseitig ergänzen. Co-Kuratorin Nastia Khlestova gibt zu verstehen, dass diese Ausstellung für sie sehr persönlich war, da sie sich mit diesem Thema bereits seit Jahren auseinandersetzt – der Selbstorganisation. Beide Kurator:innen sind sich über die Bedeutung der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen einig und glauben, dass kleine Organisationen immer davon profitieren werden, wenn sie ihr Netzwerk erweitern und kollaborieren.

Besucher:innen der Ausstellung “Weaving” © ZIEGEL Instagram